Die «New York Times» verzeichnet Rekordzuwachs bei den Abo-Zahlen und auch Schweizer Newsportale spüren den Trump-Bump. Der US-Präsident polarisiert – und interessiert. Ist er ein Segen für die Medien?
Franz Fischlin: Die
Figur Trump ist für das Publikum tatsächlich spannend, sie interessiert
die Leute. Von einem Segen würde ich aber nicht sprechen. Trump ist ein
neues Phänomen, und alle neuen Phänomene sind irgendwie spannend. Für
uns als Medienschaffende stellt sich allerdings die Frage, ob wir diesem
Phänomen gewachsen sind. Es gibt Medien, die jetzt schlicht das
Interesse der Leute bedienen, indem sie – ohne Einordnungsleistung –
voll auf die Karte Trump setzen. Das reicht meiner Meinung nach nicht.
Ich denke, für die Medien ist Trump mehr eine Herausforderung denn ein
Segen.
Muss man anders über Trump berichten als über andere mächtige Personen?
Die Medien sollten, so finde ich, eine Mehrleistung
erbringen. Worin die genau besteht, das beginnt sich jetzt allmählich
herauszukristallisieren. Am Anfang seiner Kandidatur war in den USA erst
mal eine grosse Erheiterung auszumachen. Trump wurde von vielen Medien
nicht ernst genommen. Als er dann langsam einen Konkurrenten um den
anderen schlug, war der Tenor, dass er dann schon irgendwann an seine
Grenzen stossen werde. Viele Journalisten befanden sich wie auf einer
Geisterbahn-Fahrt. Sie kniffen die Augen zu und blinzelten ängstlich,
aber auch irgendwie fasziniert zwischen den gespreizten Fingern
hindurch. So richtig hinschauen, das machten anfänglich nicht allzu
viele.
Und jetzt stellen sich die Medien den Geistern?
Ich
finde ja, die Medien haben Fortschritte gemacht. Ich lese viele gute
und differenzierte Artikel und Analysen. Beim SRF haben wir uns darauf
geeinigt, dass wir Trump nicht in irgendeiner Art und Weise abstempeln,
beispielsweise als Populisten bezeichnen, wir aber deutlich darauf
hinweisen, wenn er lügt; zum Beispiel über seinen angeblich historischen
«Electoral College»-Sieg. In einem Moment, wo jemand auf so polemische
Art die Medien angreift und Journalisten schlechtmacht, wie er das an
seiner letzten Medienkonferenz machte, wird es noch wichtiger, dass man
aufsteht und zeigt, dass man Haltung bewahrt und für seinen Beruf
einsteht.
Die Medien müssen doch noch viel mehr. Sie sollten Trump doch entschieden entgegentreten, seine Falschaussagen verurteilen.
Man
sollte Trump nicht vorschnell in eine Ecke stellen, was man ja auch
schon gemacht hat mit Hitlervergleichen und so. Da wird man ihm nicht
gerecht. Man sollte meiner Meinung nach auch nicht permanente
Millimeterberichterstattung betreiben und aus jedem seiner Tweets einen
Elefanten machen. Sonst finden die Leute irgendwann: So, jetzt reichts.
Die richtige Balance ist wichtig.
Werden Sie denn nie wütend, wenn Sie Trump zuhören?
Nein.
Ich glaube, man sollte als Journalist nicht emotional werden. Das wäre
ein Fehler. Trump befindet sich in einer Art Parallelrealität. Wir
Medienschaffende sollten uns davon nicht verwirren lassen und uns auf
einen emotionalen Kleinkrieg mit ihm einlassen. Dann nämlich verlören
die Journalisten die nötige Distanz, die dringend geboten ist.
Es braucht die analytische Kälte?
Richtig.
Das hat man in den vergangenen Tagen immer wieder sehen können. Trump
behauptet irgendwas, zum Beispiel, dass es in Schweden einen Vorfall
gegeben habe, und dann fragen Journalisten hartnäckig nach, was er genau
meinte, bis er offenlegen muss, dass er das «‹irgendwo aufgeschnappt»
habe. Es gibt diese schöne Redewendung: «Vom Ghöresäge, lehrtme lüge!»
Man hat den Eindruck, so funktioniert Trump manchmal. Wir müssen diese
Lügen offenlegen, um jenen, die kritische Medien als «Fake News»
bezeichnen, zu zeigen, dass wir unseren Job machen. Und unser Job ist es
eben gerade nicht, Trump pauschal zu verurteilen oder sich über seine
Anhänger lustig zu machen, sondern nüchtern zu analysieren.
Wie
gefährlich ist der Krieg, den Trump gegen die Medien führt, indem er
Journalisten blossstellt und ganze Newskonzerne als «Fake News»
abkanzelt?
Ich weiss nicht, ob es in den USA hinter den
Kulissen Repressionen gegen Journalisten oder gegen ganze Verlage gibt
und ob sich die Verlage einschüchtern lassen. Falls es so wäre, dass
Trump versucht, einzelne Medienhäuser auch wirtschaftlich unter Druck zu
setzen und einzelnen Journalisten den Zugang zu Medienkonferenzen und
Informationen zu erschweren, dann wäre das ein gefährlicher Prozess.