Blocher als Dauer-Medienthema hat wohl bald ein Ende
Heute verhandelt eine Kommission seine parlamentarische Immunität. Eine Hausdurchsuchung bei ihm gibt seit Tagen zu reden. Vorher ist es die Finanzierung seiner Partei gewesen. Zuvor ging es monatelang um seine Kritik am Nationalbank-Präsidenten. Um den Nachgang zu den Nationalratswahlen unter besonderer Berücksichtigung seiner Partei und seiner selbst. Um die Wahlen davor. Womit nur das Gröbste über die letzten Monate erwähnt ist. Was die letzten dreissig Jahre angeht, muss eine Zahl genügen: 17'800'000 Nennungen im Internet. Das sind viele für einen Mann, dessen Heimat keine Vordränger mag.
Seinen Getreuen wird immer klarer, was seine Gegner schon lange behaupten
Denn: Kann sich irgendjemand an eine Schweiz ohne so viel Blocher erinnern? Ohne dass seine Person, seine Politik, sein Vorgehen, seine Kritik oder sonst etwas von ihm die Öffentlichkeit dermassen beschäftigte? Vage glaubt man sich an Stilleperioden zu erinnern, das letzte Mal nach seiner – selbst verschuldeten – Abwahl aus dem Bundesrat. Damals hat sich Christoph Blocher zurückgezogen, tief gekränkt. Dann kehrte er zurück, dekoriert mit einer neuen, selbst versehenen Amtsbezeichnung: abgewählter Bundesrat. Er war auf einer Mission. Seither ist er auf Rache aus.
Und es wird seinen Getreuen immer klarer, was seine Gegner immer behauptet haben: dass sich bei Christoph Blocher alles nur um Christoph Blocher dreht. Oder sagen wir: nur noch. Selbstverständlich sieht er das anders, aber er sieht ja immer alles anders. Er wolle so lange weitermachen wie Konrad Adenauer, sagt er gerne. Er, der auch Winston Churchill und Franz Josef Strauss zu seinen Vorbildern zählt. Also zwei andere alte Männer, die sich überlange für unersetzlich hielten. Warum kein Nachfolger in seiner Partei gross geworden sei, hat man ihn einmal gefragt. «Weil unter einer Wettertanne nichts nachwächst», gab er zurück. Das heisst also, um in seinem Bild zu bleiben, dass er angewurzelt stehen bleibt, bis ihn einer fällt. Am besten der Holzfäller aus dem Hodler-Bild.
(Tages-Anzeiger)
Kommentar: Nach der fragwürdigen Abwahl als Bundesrat, bekam die Blocherpartei noch Aufwind. Die Strategie und Parolen gaben Christoph Blocher lange recht. Seit längere Zeit dominieren nun jedoch Intrigen und Idiskretionen. Blocher ist überzeugt, dass er immer wieder totgeschrieben worden sei und auch heute nicht totgeschrieben werden könne. Doch wird immer deutlicher sichtbar, dass er alles tut, um der Oeffentlichkeit zu zeigen, dass er sich selbstlos für die Schweiz aufopfert. In den Medien ist er zwar ständig präsent. Doch besteht die ernsthafte Gefahr, dass er als Retter der unabhängigen Schweiz nicht mehr ernst genommen wird. Doch für einen gekränkten Christoph Blocher scheint heute eine weiser Abgang kaum mehr möglich. Er hätte sich als Mäzen von kulturellen Institutionen einen Namen schaffen können. Der Einsatz für die Musikinsel Rheinau wäre ein guter Einstieg zum Umsteigen gewesen.