Um es vorwegzunehmen: Es ist immer besser, Fehler und Tricks erkennen
und argumentativ entlarven zu können, als selbst unfair zu diskutieren!
Trick 1: Die entweder-oder-Taktik
Wer diese
Taktik anwendet, versucht seinen Diskussionspartner zu einer ganz
bestimmten Entscheidung zu zwingen, indem er ihm nur die Wahl zwischen
zwei (meist gegensätzlichen) Möglichkeiten lässt. Dieser
Alternativ-Radikalismus versteckt sich
auch häufig hinter anderen Formulierungen, die das verräterische
"entweder
... oder" zwar aussparen, dem Gegenüber aber trotzdem nur die
Wahl zwischen zwei Alternativen lassen (achten sollte man
in diesem Zusammenhang besonders auf Argumente, die eine
wenn-dann-Beziehung aufstellen!). Das Problem einer so gegensätzlichen
Begriffsbildung
besteht darin, dass sie der Wirklichkeit schlicht nicht gerecht
wird, weil sie
ambivalente Aspekte, potentielle Übergänge oder andere Optionen
außer Acht lässt,
sie regelrecht ausschließt. Entweder-oder-Formulierungen führen
somit
fast immer zu groben Vereinfachungen der tatsächlichen
Gegebenheiten.
Wie reagieren?
Die
entweder-oder-Taktik hat für gewöhnlich zwar kaum argumentative Kraft, aber
leider den psychologischen Effekt, dass sie so manche Diskussion leicht ins Stocken bringt.
Man sollte diese Methode daher möglichst schnell durchschauen und
bloßlegen, zum Beispiel, indem man daran erinnert, was durch die vorgebrachte
entweder-oder-Behauptung alles vernachlässigt oder sogar völlig ausgeblendet wird.
Trick 2: Aussagen entstellen
Das
kennen wir alle! Ein Kontrahent greift unsere Aussage auf, gibt sie
aber verzerrt wieder, so dass sie,
freilich mit jeweils unterschiedlicher Ausprägung, nicht mehr genau
dem entspricht, was man
selbst gesagt hat. Um diesen Fehler nicht selbst zu begehen, ist es
absolut wichtig
– nein: essentiell, richtig zuzuhören. Und das will gelernt sein! Wer
nicht richtig zuhört, hat kaum eine Chance, angemessen auf die
Argumente, Fehler und Tricks der anderen zu reagieren. Wer eine Aussage
bewusst umdeutet, tut dies für gewöhnlich, um entweder unbequemen
kritischen Anmerkungen leichter ausweichen oder die entstellte Aussage
besser
ins eigene Argumentationsgefüge einbetten zu können.
Wie reagieren?
Weil verzerrte Behauptungen
schnell in
den weiteren Verlauf der Diskussion eingehen und dabei unter Umständen
fatale,
nicht mehr zu korrigierende Folgen nach sich ziehen können, sollte man
sofort reagieren und richtig stellen, zur Not sogar unterbrechen, auf
keinen Fall
aber zögern! Eine Richtigstellung wäre folgendermaßen denkbar: "Was
Sie gerade zurückweisen/behaupten, entspricht gar nicht dem, was ich
eben gesagt habe. Mein Argument war: [...] Bitte zeigen Sie uns, was
genau daran nicht stimmt!"
Trick 3: Ausweichen in Details
Eine
dritte Möglichkeit, vernünftigen Auseinandersetzungen mit unbequemen
Positionen auszuweichen, ist die Flucht in Details. Statt die wichtigen
und zentralen Argumente aufzugreifen, schaffen es manche, ganze Debatten
über eigentlich eher nebensächliche Kleinigkeiten zu führen.
Daher sollte man sich im Stillen immer wieder fragen, ob das aktuell
vorgetragene Argument auch wirklich zur Problemlösung beiträgt oder
für die
Themenstellung relevant ist?
Wie reagieren?
Wenn Randbemerkungen, die im
Redebeitrag keine besondere Rolle spielen, von Diskussionsteilnehmern
aufgegriffen werden, heißt es:
aufpassen! Denn es besteht leicht die Gefahr, an diesen Details hängen
zu
bleiben; entsprechend sollte man, selbst wenn Bemerkungen oder gar
Einwände bezüglich eines Details zutreffend sind,
sich nicht scheuen, zu betonen, dass diese Kleinigkeit für die
Argumentation nicht wichtig ist (natürlich nur, wenn sie das auch
wirklich nicht ist!). Handelt es sich tatsächlich um eine unwichtige
Nebensache, kann man bedenkenlos vorschlagen, diesen Sachverhalt offen
zu lassen, um stattdessen auf die Hauptsache zurückkommen und sich
wieder darauf konzentrieren zu können.
Trick 4: Definitionen abfragen
Vor
allem bei Pseudo-Intellektuellen sehr beliebt:
"Was genau meinen Sie eigentlich mit...?" – oder: "Können Sie mir das
mal genauer erklären/definieren?"
Fiese Methode! Zwingen Sie mal Ihren Gesprächspartner, jeden seiner
Begriffe
exakt zu definieren – Sie werden, mit viel Genugtuung wahrscheinlich,
feststellen, wie leicht
Sie ihn damit verwirren und aus der Fassung bringen können. Der Punkt
ist
einfach: sobald wir eine Definition für einen bestimmten Begriff
vorschlagen – und sei es die aus einem einschlägigen Lexikon, verwenden
wir dabei zwangsläufig weitere Begriffe, die erst
einmal undefiniert bleiben; jede erdenkliche Antwort auf die Frage
nach einer Definition enthält also in sich ebenfalls undefinierte
Begriffe – und auf diese Weise kann man immer weitermachen, ohne jemals
ein Ende zu
finden. Eine endgültige Definition wird Ihnen nämlich niemals
gelingen. Noch
schwieriger wird es, wenn es um völlig abstrakte Begriffe geht,
Wertebegriffe
zum Beispiel: "Was meinen Sie mit Wahrheit?" – oder: "Was verstehen
Sie unter Gerechtigkeit?"
Irgendwann wurde das bestimmt jeder von uns schon mal gefragt.
Tatsache ist, es existieren unzählige Wahrheits- oder
Gerechtigkeitsbegriffe
und -vorstellungen; die eine wahre und völlig zutreffende Bedeutung
von "Wahrheit" oder
"Gerechtigkeit", die einem in solchen Situationen möglichst prompt
abverlangt wird, gibt es nicht!
Wie reagieren?
Natürlich gibt es
Situationen, in denen ein Gesprächspartner einen Ausdruck vielleicht
nicht verstanden hat oder gar nicht kennt – dann sollte es aber kein
Problem sein, diesen Begriff ohne viel Aufhebens kurz zu erklären oder
zu umschreiben;
um nicht ins Uferlose zu geraten, sollte man bei der Erläuterung nach
wenigen Schritten
Halt machen. Richtige Definitionen-Abfrager dagegen, die einen mit
ihrer Masche nur aus dem Konzept bringen wollen, sollte man darauf
hinweisen, dass die zur Debatte stehenden Probleme wichtiger sind als
das Herumpulen in und Herumreiten auf sprachlichen Details. Es führt
schlicht
und ergreifend zu nichts, wenn man sich mehr auf die Bedeutung
einzelner
Begriffe als auf den gesamten Sinn einer Aussage konzentriert. Auch
bei der
Frage nach abstrakten Begriffen wie "Gerechtigkeit" zum Beispiel
sollte man lieber positiv zu wertende Zustände schildern, die dieser
Begriff für einen persönlich umfasst, und sich nicht
bzw. nicht vorrangig an einer umständlichen und komplizierten
Definition versuchen. Besser ist also, man fordert den
Diskussionspartner auf, Vorschläge oder Argumente zu kommentieren,
anstatt
sich an irgendwelchen Begriffen aufzuhängen – und am besten ist
natürlich: man vermeidet solche Begriffsdiskussionen nach Möglichkeit
ganz!
Trick 5: Die Person angreifen
Manchmal
können Attacken gegen eine Person sogar plausibel erscheinen: Wenn
jemand von einem Thema nachweislich nicht viel versteht,
warum sollte er dann bei diesem Thema überhaupt mitreden dürfen? Man
denke beispielsweise an das Thema
"Kindererziehung"! Im Laufe einer solchen Diskussion wird früher oder
später
einer der Beteiligten, vorzugsweise eine Mutter oder ein Vater, die
vermeintlich (!) alles entscheidende Frage stellen: "Haben Sie denn
selbst Kinder?" Wer diese Frage verneinen muss, hat fortan einen
schweren Stand, denn spätestens
von jetzt an werden insbesondere beteiligte Eltern, wenigstens
insgeheim, die Einstellung vertreten, dass jemand, der selbst keine
Kinder hat, mangels eigener Erfahrung auch gar nichts
Relevantes zu diesem Thema sagen kann. Ähnlich verhält es sich, wenn
Vertreter eines Spezialgebiets mit Vertretern eines anderen
Spezialgebiets oder gar Laien diskutieren:
"Wer so wenig wie Sie von Physik versteht, sollte beim Thema
Kernenergie gar nicht erst
seinen Mund aufmachen!" Das ist aber so nicht ganz korrekt, denn auch
wenn ein Laie selbstverständlich weniger von Kernenergie versteht als
ein
promovierter Physiker etwa, können die Argumente, Fragen oder Einwände
des
Laien ja trotzdem bedenkenswert, gerechtfertigt oder sogar zutreffend
sein!
Wie reagieren?
Wer auf eine persönliche
Attacke eingeht, reagiert in den meisten Fällen
falsch! Man verlässt dabei nämlich nicht nur das Thema (Hauptregel
2!), sondern gerät auch in den Zwang, sich zu rechtfertigen. Einen
Gegenangriff zu starten, würde nicht nur bedeuten, mit den gleichen
unfairen Mitteln zu agieren, sondern auch offensichtlich machen, dass
man
lediglich versucht, von sich abzulenken – was einem Eingeständnis
im Übrigen bedenklich nahe kommt. Auch die Aufforderung, sachlich zu
bleiben, kann
in diesem Zusammenhang ihr Ziel leicht verfehlen: Hinweise auf eine
Person können nämlich sachlich tatsächlich richtig sein.
Zwei Möglichkeiten gibt es, persönliche Attacken effizient abzuwehren:
In vielen Fälle genügt
es, den Angriff einfach zu ignorieren, besonders dann, wenn er bei den
anderen Gesprächspartnern keine Wirkung zeigt und die Diskussion
im Ganzen unberührt lässt; damit demonstriert man nicht nur die
nötige Gelassenheit, sondern gleichzeitig auch ein gewisses Erhabensein
gegenüber persönlichen Attacken.
Genügt es nicht,
persönliche Angriffe mit Schweigen zu strafen, sollte man mit Nachdruck
die Aufmerksamkeit der Gesprächspartner zurücklenken auf die
vorgebrachten Aussagen und Probleme;
so oder ähnlich könnte man reagieren: "Bitte greifen Sie nicht mich
an, sondern meine Behauptung!",
"Kritisieren Sie nicht mich, sondern das, was ich gerade gesagt
habe!" – oder:
"Wenn Sie mich für so inkompetent halten, müsste es Ihnen
entsprechend leicht fallen, meine Argumente zu entkräften. Bitte tun Sie
genau das!"
Normalerweise sollte man persönliche Attacken
also entweder ignorieren oder eine Formulierung verwenden, die von der
Person weg- und zur Aussage zurückführt. Ausnahmen gibt es natürlich,
besonders, wenn durch einen Angriff die eigene Integrität auf dem Spiel
steht. Dann dürfen und sollten Sie sich angemessen resolut verteidigen!
Trick 6: Antworten mit einer Gegenfrage
Achtung
Grenzfall! Manchmal ist es nämlich durchaus korrekt, auf eine Frage mit
einer Gegenfrage zu reagieren – etwa wenn eine Frage nicht ganz klar
ist und eine Anschlussfrage
für das allgemeine Verständnis hilfreich sein kann. In den
meisten Fällen
versuchen Gesprächspartner jedoch nur, mittels Gegenfrage einer
unangenehmen Stellungnahme zu entkommen.
Wie reagieren?
Am besten
ist es, sich vom Thema nicht abbringen zu lassen und ausdrücklich auf die Beantwortung der eigenen Frage
zu bestehen. Wer sich sportlich zeigen will, kann ja anbieten,
anschließend auch noch die entsprechende Gegenfrage zu diskutieren.
Trick 7:
"Ja, aber..."
Wieder ein Grenzfall! Tatsächlich
stimmt man in vielen Fällen
dem Diskussionspartner nur teilweise zu, man ergänzt dann dessen
Argument oder korrigiert es entsprechend. In so einem Fall ist es auch
völlig in Ordnung zu sagen:
"Ja, da ist etwas dran, aber man muss auch dieses und/oder jenes dabei
berücksichtigen!" Die meisten
aber reagieren, sobald man seinen Vorwand eingebracht hat, einleitend
zunächst mit einer taktischen Zustimmung ("ja"), der sich unmittelbar
eine völlig
gegensätzliche Behauptung ("aber") anschließt; sie geben einem also
zuerst in aller Kürze Recht und sprechen es einem
sodann sofort wieder ab, indem sie entweder das Gegenteil oder etwas
völlig
anderes behaupten – dadurch verliert eine Debatte aber an Klarheit,
und die sollte man so schnell wie möglich wieder herstellen.
Wie reagieren?
Am besten zeigt man dem Gesprächspartner, dass man dieses Manöver durchschaut:
"Sie stimmen meinem Argument also (gar) nicht zu?! Ich gehe aber gerne auf
Ihren Einwand ein."
LINKS:
Verbräme mit einer Fülle von Einzelheiten die schlechten Stellen deiner
Begründung, kannst du das nicht, dann lass diese Stelle fallen, aber behalte sie
ständig ...
www.rhetorik.ch/Argument/Argument.html
2. Juli 2004 ... Elke Pohl rät dazu, die Argumentation mit guten Kernargumenten zu beginnen.
Verschießen Sie hier aber noch nicht Ihr ganzes Pulver, und ...
www.rhetorik.ch/Ueberzeugen/Argumente.html
AUS "NATUERLICH-ADRESSATENGERECHT-INHALTZENTRIERT REDEN" (Knill):
Erkenntnisse: Argumentieren - aber wie?
- Sich in Partner hineindenken (Vorbereitung)
• Wie denkt er?
- Argumentationskatalog erstellen
- Positive Atmosphäre schaffen
- Partner nicht festlegen
- Gemeinsame Interessen suchen
- Partner ausreden lassen
- Ruhig bleiben
- W-Fragen stellen
- Auf Doppelfragen verzichten
- Möglichst wenig Alternativfragen
- Unverfänglich fragen
- Nach Definitionen fragen
- Fragen statt behaupten
- Fragen statt widerlegen (siehe auch: Erkenntnisse
bei Verhandlungstechnik)
- Demonstrieren
- Fotos, Tabellen, Zeichnungen, veranschaulichun
gen, Geschichten
- Die besten Argumente nicht zu früh nennen
- Zeit haben, d.h. im richtigen Zeitpunkt reden
- Aus Gegenposition argumentieren (e contrario)
- Einwände vorwegnehmen, falls sie erwartet wer
den
- Partner emotional ansprechen
- Nicht überlegen wirken
- Auf negative Formulierungen verzichten
- Spannungen vermeiden (Übertreibung, Rechtha
berei)
Die eigenen Argumente stets durchleuchten:
- Stimmt meine Aussage?
- Gibt es keine Widersprüche?
- Stimmt die Logik (Folgerung)?
- Könnte ich Vergleiche bringen?
- Wie lauten die Einwände des Partners?
Wortmeldungen nicht um jeden Preis. Nur reden,
wenn der Beitrag wichtig ist.
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