Donnerstag, 29. Juli 2021

Analyse (Entwurf)-Beitrag SN

Wenn Politiker in Fettnäpfe tappen

 

Von Marcus Knill

 

Unbegreiflich, wie Politiker immer wieder als Fettnapftreter negative Schlagzeilen machen. Laschet  der CDU-Kanzlerkandidat sorgte in der WDR Sendung „Aktuelle Stunde“ für Aufsehen. Im Interview mit der bekannten Moderatorin Susanne Wieseler sagte Laschet hinsichtlich Klimaschutzmassnahmen „Entschuldigung, junge Frau. Weil jetzt so ein Tag ist (er spricht die Unwetterkatastrophe an), ändert man nicht die Politik.“

Es ist nicht ganz klar, ob der nordhein-westfälische Kanzlerkandidat die Journalistin tatsächlich mit einem herablassenden „junge Frau“ abgekanzelt oder lediglich ihren Namen vergessen hat. Denn er  nuschelte: „Entschuldigung Frau....“. So oder so war der Auftritt peinlich. Wenn ein Politiker sagt, man ändere die Politik nicht wegen eines Tages der unermesslichen Katastrophe, mit vielen Toten und verheerenden Schäden, ist dies allein schon ein verbaler Fehltritt. Kommt dazu, dass Laschet am Anfang der Ueberschwemmungen selbst noch „Mehr Tempo beim Klimaschutz“ forderte.

Später folgte noch eine weitere Peinlichkeit:

 

Während Bundespräsident Frank-Walter Steinmeiner mit todernster Mine zu den Flutgeschädigten spricht, lachte Armin Laschet im falschen Moment. Die Kamera zeigte ihn im Hintergrund lachend,wie er sich gut gelaunt mit einigen Anwesenden unterhielt. Die SN publizierte diese Aufnahme. Dieses Verhalten sorgte erneut für Kopfschütteln. Einem Politiker, der echt Anteil nimmt, würde so ein Fehltritt nicht passieren. Ein Kanzlerkandidat sollte wissen: Wenn Kameras und Mikrofone anwesend sind, muss man immer damit rechnen, dass auch Personen aufgenommen werden, die nicht sprechen. Nach dem Patzer in der Interviewszene schwieg Armin Laschet. Für das Fehlverhalten während der Ansprache des Bundespräsidenten entschuldigte er sich immerhin: „Dies war unpassend und tut mir leid“.

 

Die Fettnäpfchen Baerbocks.

 

Auch die grüne Kanzlerkandidatin Baerbock verstand es, in verschiedene Fettnäpfchen zu treten. Sie hat damit möglicher weise ihre Wahl-Chancen verbockt.

Zu ihren Patzern:

 

1. Nebeneinkünfte nicht angegeben

 

Baerbock musste der Verwaltung des Bundestags vergessene Sonderzahlungen von mehr als 25.000 Euro nachmelden, die sie in den vergangenen Jahren als Bundesvorsitzende von ihrer eigenen Partei bekommen hatte. Den Grossteil machte dabei Weihnachtsgeld aus.

Darunter war aber auch eine coronabedingte Sonderzahlung aus dem Dezember 2020 in Höhe von 1500 Euro. „Ich habe mich natürlich selbst über meinen Fehler tierisch geärgert“, sagte Baerbock in der Talksendung. Sie rechtfertigte sich, sie habe das Weihnachtsgeld immer korrekt versteuert, habe aber nicht auf dem Schirm gehabt, dass sie den Betrag auch dem Bundestagspräsidenten hätte melden müssen. Diese Beschönigungen sind faule Ausreden.

Baerbock hätte Einsicht zeigen müssen und den Betrag nachträglich,  beispielsweise für gute Zwecke spenden können.

 

2. Der Lebenslauf Patzer

 

Baerbock hatte auf ihrer Website unter Mitgliedschaften zunächst unter anderem die Transatlantik-Stiftung und German Marshall Fund sowie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR aufgeführt. Später wurde die Seite geändert, die Überschrift lautet statt "Mitgliedschaften" nun "Beiräte, (Förder-)Mitgliedschaften, regelmäßige Unterstützung".

"Das war offensichtlich sehr schlampig", fand Baerbock selbst. "Ich habe da offensichtlich einen Fehler gemacht, und das tut mir sehr, sehr leid, weil es ja eigentlich in diesen Momenten um große andere Fragen gerade in unserem Land geht." Wenn dies der einzige Fehler gewesen wäre, hätte ihr „Mea Culpa“ genügt. Doch patzte Baerbock zu oft.

 

3. Patzer durch Plagiate in ihrem Buch

  

Medienwissenschafter Stefan Weber hatte im jüngst erschienenen Buch der grünen Kanzlerkandidatin rund ein Dutzend Stellen gefunden, die ohne Quellenangabe abgekupfert worden sind. Die Grünen sahen dies als  «Rufmord»-Kampagne. Der Plagiatsjäger wies dies jedoch als „völligen Quatsch“ zurück und präsentierte täglich neue Passagen, die abgeschrieben waren. Der Gutachter schreibt von „Schlamperei, Unsauberkeit und dilettantischem Vorgehen“.

4.Unbegreiflich: Nachträglich kommt an den Tag, dass Baerbock auch noch von ihrem Kollegen Habeck abgeschrieben hatte – ohne Quellenangabe.

Zu den Plagiatsaffairen weiterer Politikern und ihre Folgen:

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg konnte in seiner Doktorarbeit Plagiate nachgewiesen werden. Er verlor alle Aemter.

Familienministerin Franziska Giffey (SPD) wurde der Doktortitel aberkannt. Sie musste zurücktreten.

Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) musste nicht zurücktreten. Ihm wurde der Doktortitel nicht aberkannt. Er führt jedoch seinen Titel nicht mehr - aus eigener Entscheidung.


Bei den nachgewiesenen Plagiaten von Ursula von der Leyen sah die medizinische Hochschule Hannover keine Täuschungsabsicht. Sie durfte den Doktortitel behalten.

Bei der Europaparlamentarierin Silvana Koch-Mehren (FDP) wurden bei der Doktorarbeit ebenfalls Plagiate festgestellt. Ihr wurde der Doktortitel entzogen.

Auch bei der früheren Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) hatte der Nachweis von Plagiaten Folgen. Sie trat zurück.

 

 

 

 

 

Es gibt zahlreiche andere Beispiele:

 

Peer Steinbrück, vor einigen Jahren SPD-Kanzlerkandidat und Herausforderer von Angela Merkel, ist  ein Paradebeispiel für einen Fettnapftreter.

 

Im Wahlkampf sagte er, eine Flasche Wein, "die nur fünf Euro kostet, würde ich nicht kaufen". Die Leser urteilten: Arrogant und überheblich. Steinbrück, angestachelt durch die Kritik und frustriert vom schlecht laufenden Wahlkampf,  liess sich für ein Magazin mit "Stinkefinger" fotografieren. Darauf folgte ein Aufschrei. Den meisten Sozialdemokraten  war nun klar, dass Steinbrück den Kampf ums Kanzleramt verspielt hatte. Im Nachhinein räumte der Kandidat selbst die Fehler ein.

Ein einzelnes Interview, ein unbedachtes Wort, eine falsche Geste allein kann keine Wahl entscheiden. Wenn jedoch bestimmte unbedachte Äusserungen zum Image eines Politikers passen, können sie vorhandene Vorstellungen verstärken und für die Bestätigung eines persönlichen Entscheides sorgen. Bei Steinbrück war dies der Fall.

SPD Verteidigungsminister Rudolf Scharping planschte 2001 mit seiner Freundin auf Mallorca im Pool, obwohl sich die Bundeswehr auf ihren Einsatz in Mazedonien vorbereitete. Die peinlichen Fotos veröffentlichte die "Bunte", Scharping glaubte vielleicht, sein eher schlechtes Image mit ein bisschen Glanz aufpolieren zu können. Die Publikation der Poolbilder hatte Folgen: Scharping musste den Hut nehmen.

Immer gut für einen Tritt ins Fettnäpfchen war auch Günther Oettinger. Der EU-Haushaltskommissar von der CDU machte in der Vergangenheit immer wieder Schlagzeilen mit fragwürdigen Äusserungen. In einem Vortrag vor Unternehmern, äusserte er sich abschätzig über Chinesen ("Schlitzaugen"), Frauen und die Ehe für Homosexuelle. Er ging wohl davon aus, dass seine Bemerkungen nicht an die Öffentlichkeit gelangen würden. Kamen sie aber und Oettinger musste sich entschuldigen.

 

Katastrophen sind für Politiker immer eine Chance, sich als Krisenmanager zu profilieren.

 

Schon früher gab es in Deutschland Ueberschwemmungen. Beim Duell Stoiber- Schröder sah die Bevölkerung, wie Stoiber die Schäden nur von oben - vom Heli aus – besichtigte. Schröder hingegen war nur mit Stiefeln mitten unter der betroffenen Bevölkerung zu sehen. Schröder wurde gewählt, wenn auch wohl nicht nur deswegen.

 

Im Juni 2013 gab es auch im ostdeutschen Zeitz verheerende Ueberschwemmungen. Während der Flut machte sich der Oberbürgermeister Volkmar Kunze nach Russland auf. Das kam ganz schlecht an. Die „Flucht“ nach Russland wurde   in den Medien trotz  verspäteten Entschuldigung übel genommen. Es wurde sein Rücktritt gefordert. Kunze sprach dann lediglich von „Fehleinschätzungen“. Es gibt eine wichtige Regel: In Katastrophensituationen gehört der Kapitän auf Deck. Obschon sich Kunze an sein Amt klammerte, musste er dann später doch noch den Hut nehmen.

 

Fazit:

Wenn ein Politiker ins Fettnäpfchen tritt, ist dies für die Medien ein gefundenes Fressen. Die Geschichte wird gelesen, denn Schadenfreude fördert die Aufmerksamkeit. Wenngleich seit je immer wieder viele in den Fettnapf getreten sind, kann jeder Politiker dafür sorgen, dass er nicht in die negativen Schlagzeilen gerät. Er darf einfach nicht schummeln oder lügen. Wer in der Oeffentlichkeit steht, sollte zudem selbstkritisch bleiben. Leider sind viele Politiker beratungsresistent.

ARTIKEL: 29 Jul 21: Wenn Politiker ins Fettnaepfchen treten