Nocebo-Effekt Windräder machen krank, wenn wir sie fürchten
Windradturbinen brummen lautlos. Doch Gegner der
Anlagen behaupten, der Infraschall schade ihnen. Schuld ist der
Nocebo-Effekt: Die Angst vor Risiken lässt uns leiden.
Sie haben Kopfschmerzen und können sich kaum konzentrieren, sie sind
reizbar und haben Herzrasen, sie klagen über Schwindel und Übelkeit. Vor
allem sind sich einige Nachbarn von Windkraftanlagen sicher, was ihr
Leiden verursacht: Der von den Turbinen erzeugte Infraschall – das ist
ein Brummton unter 16 Hertz – schädige die Gesundheit.
Keine einzige wissenschaftliche Studie bestätigt das, zumal Menschen
ein solches tiefes Brummen nicht hören können. Der Ärger über die
Kolosse jenseits des Gartenzauns aber wächst, je störender der Anblick
ist, je lauter die Windräder sind und je skeptischer man der Technik
gegenübersteht, zeigten Epidemiologen. Diese negative Einstellung könnte
zu dem Windrad-Syndrom führen, schreiben nun der Psychologe Keith J.
Petrie von der Medizinischen Hochschule in Auckland und seine Kollegen
im Fachblatt Health Psychology. Grund sei der sogenannte
Nocebo-Effekt.
Nocebo heißt wörtlich "Ich werde schaden". Es ist das dunkle
Gegenstück zum Placeboeffekt. Beides ist in der Medizin allgegenwärtig
und beruht auf zwei grundlegenden Mechanismen: Erwartung oder Erfahrung.
"Wenn Sie einem Patienten eine falsche Diagnose mitteilen, beobachtet
er trotzdem bald die dazu passenden Symptome bei sich", sagt der
Noceboforscher Paul Enck von der Universität Tübingen. Und wer einen
Beipackzettel allzu genau liest, spürt bald die Nebenwirkungen.
Krebspatienten wird oft schon auf dem Weg zur Chemotherapie übel.
Wie mächtig der Nocebo-Effekt sein kann, erfuhr auch der depressive
Derek Adams. Als seine Freundin sich von ihm trennte, schluckte er alle
29 Pillen, die er als Proband in einem Arzneimitteltest bekommen hatte.
Im Krankenhaus brach er bewusstlos zusammen. Die Ärzte hatten Mühe, ihn
zu stabilisieren. Wie die amerikanischen Psychiater um Roy R. Reeves von
der University of Mississippi im Fachjournal
General Hospital Psychiatry
berichteten, verschwanden die Symptome erst dann schlagartig, als Adams
mitgeteilt wurde, dass er ein wirkstofffreies Placebo-Präparat genommen
hatte.
Schon die Macht der Wörter kann Ängste schüren
Jede Spritze sei nicht nur ein Medikament, sagt der Placeboforscher
Fabrizio Benedetti von der Universität Turin. "Der Arzt verabreicht
zusätzlich Wörter. Sie können extrem wirksam sein und die Hirnchemie
verändern." Im Krankenhaus etwa sage alles dem Patienten: Bald geht es
mir besser. Das Wort sei jedoch ein zweischneidiges Schwert, sagt Enck.
Unbedachte Äußerungen können Angst machen und Nocebo-Effekte auslösen.
Ähnliches vermuteten Petrie und seine Kollegen hinter dem
Windrad-Syndrom.
Sie ersannen ein Experiment mit 54 Teilnehmern. Eine Gruppe sah eine
Dokumentation über die schädlichen Auswirkungen von Infraschall auf die
Gesundheit. Einer anderen Gruppe erklärten Forscher, dass Infraschall
unbedenklich sei und uns im Alltag ständig begleitet – egal ob
Autoverkehr an uns vorbeirauscht, ob Donner grollt oder das Herz
schlägt, Wellen ans Ufer schlagen oder Tiere miteinander kommunizieren.
Anschließend wurden beide Gruppen in einen Raum geführt, wo sie
angeblich mit den tiefen Tönen beschallt wurden.
Der Test bestätigte die Macht der Wörter. Wer Angst vor dem
Infraschall hatte, fühlte sich in dem Raum körperlich unwohl, egal ob
wirklich etwas vom Band kam oder ob es völlig still war. Wer keine Angst
hatte, dem konnte auch der Infraschall nichts anhaben. Sollte sich der
Befund bestätigen, könnte man das Windrad-Syndrom einfach verhindern –
durch weniger Panikmache.
Erschienen im Tagesspiegel
Kommentar: Persönlich habe ich gelernt, diese Effekte zu beachten. Ich lese beispielsweise keine Beipackzettel bei Medikamenten. Nach einer Sportverletzung wollte ich im Spital vor der Operation nichts hören von Nebenwirkungen.
Anderseits ist es auch möglich, die Kraft des Placeboeffektes zu nutzen.
LINK:
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10. Okt. 2004 ... Worte können Menschen beeinflussen, Macht ausüben, Worte führten zu Kreuzzügen und Glaubenskriegen. Die Macht der Worte wird einem ...
www.rhetorik.ch/Fenster/Fenster.html
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