«Es ist inakzeptabel, den Händedruck zu verweigern»
Keine Ausnahmen beim Handschlag in Schulen: Das fordert
Christian Amsler, Präsident der Schweizer Erziehungsdirektorenkonferenz.
Quelle Tagi-online
Der Händedruck gehört zum Unterricht dazu, findet Amsler – auch zwischen Lehrerinnen und muslimischen Schülern. Bild: Symbolbild/Keystone
mit Christian Amsler sprach Mario Stäuble
Eine Sekundarschule im Kanton Baselland hat entschieden, dass
muslimische Schüler ihrer Lehrerin aus religiösen Gründen nicht die Hand
reichen müssen. Hätten Sie das auch so gemacht?
Nein,
das ist ein klarer Fehlentscheid. Die Schule wollte womöglich einfach
ein unangenehmes Problem aus dem Weg haben. So hat man für die Schüler
offenbar eine Ausnahme gemacht.
Was soll eine Lehrerin tun, wenn ein Schüler auf Allah verweist und ihr den Händedruck verweigert?
Ich verstehe, dass man als Pädagogin in einem solchen Moment zuerst
einmal perplex ist. Ich glaube, man sollte sofort das Gespräch suchen,
zuerst mit dem Schüler, und dann auch mit den Eltern. Man muss ihnen
unmissverständlich klar machen, dass diese Geste zu unseren
Gepflogenheiten gehört. Es ist inakzeptabel, den Händedruck zu
verweigern. Aus meiner Sicht gibt es hier keinen Verhandlungsspielraum –
und ich bin sicher, dass es grosse Teile der Schweizer Gesellschaft
auch so sehen.
Warum ist ein simpler Händedruck so wichtig?
Der
Handschlag am Morgen ist ein wertvolles Ritual. Man heisst die Schüler
willkommen, blickt ihnen in die Augen – und gibt ihnen so zu verstehen:
Du bist jetzt in meiner Obhut. Genau so habe ich es als Primarlehrer
auch gemacht. Man spürt so auch sehr schnell, wie eine Schülerin oder
ein Schüler drauf ist, wie es ihr oder ihm geht. Ich finde nicht, dass
man hier aus Rücksicht auf religiöse Hintergründe eine Ausnahme machen
sollte.
Die betroffene Schule hat den Kanton
eingeschaltet, um Hinweise zu erhalten, wie man mit
solchen«Handschlag-Verweigerern» umgehen soll. Warum sind unsere Schulen
mit dieser Art von Problemen so schnell überfordert?
Es ist
nun mal so: Wir haben heute mehr Schüler, die anderen Religionen
angehören, also müssen wir uns auch vermehrt mit solchen Fragen
befassen. Sie kennen die Fälle: Schwimmen, Kopftuch, Feiertage,
Ernährung. Die Debatte entzündet sich immer wieder an gefühlt kleinen
Ereignissen. Dazu kommt die angespannte Stimmung gegenüber dem Islam in
ganz Europa. Ich finde, unsere Schulen haben bis jetzt meist sinnvolle
Lösungen gefunden. Aus meiner Sicht ist es darum auch nicht nötig, dass
man nun Richtlinien ausgearbeitet und Gutachten schreibt, dass sich nun
Wissenschaftler und Politiker bis in die höchsten Ebenen damit befassen.
Ich hoffe, dass die betroffene Schule sich die Sache nochmals überlegt
und einen pragmatischen Weg findet.
Was ist zu tun, wenn ein Elternteil dem Sohn trotz Mahnungen sagt:
«Du gibst keiner Frau die Hand, auch nicht der Frau Lehrerin?»
Dann ist zu befürchten, dass es läuft wie in der Kopftuchdebatte: Am Schluss muss ein Richter entscheiden. (Tages-Anzeiger)
(Erstellt: 03.04.2016, 18:56 Uhr)
Der Schaffhauser Regierungsrat (FDP) leitet die Konferenz der
Deutschschweizer Erziehungsdirektoren. Der 52-Jährige arbeitete selbst
rund zehn Jahre lang als Primarlehrer.
KOMMENTAR:
Spannend wie die Leserschaft auf die Handschlag -verweigerungsgeschichte reagiert.
Die grosse Mehrheit vertritt die Meinung, dass wir in der Schweiz keine Parallelgesellschaften wünschen und es ein Akt der Höflichkeit ist, sich den Gepflogenheiten eines Gastlandes anzupassen.
Wer im Iran Ferien verbringt, wird null Toleranz entgegengebracht.
Es gibt Leser, die Verständnis zeigen für die Verweigerer, aber sich anderseits gegen die Edelweisshemdenträger stark gemacht haben.
Es lohnt sich, in der Schule Spielregeln durchzusetzen: Unter dem Hinweis,
Religion sei Privatsache verbunden mit der Ansicht, der öffentliche Raum soll neutral bleiben, werden vielerorts christliche Symbole demontiert. Vor den Muslimen dürfen die öffentlichen Verantwortlichen nicht einknicken und jede erwünschte Sonderregelung, Respektlosigkeit oder Ablehnung unserer Kultur erlauben.
Nachtrag: Händedruckgeschichte ohne Ende.
Sogar Bundesrätin Sommaruga lässt sich verlauten. Für sie gibt es keinen Dispens vom Händedruck in der Schule.
Ich zitiere noch SRF:
Rektor rechtfertigt sich
Zuvor hatte sich erstmals auch die Leitung der Therwiler
Sekundarschule öffentlich geäussert. Rektor Jürg Lauener stehe nach wie
vor zur Sonderregelung für die beiden muslimischen Schüler. Man habe ja
nicht einfach nur nachgegeben, sondern einen Kompromiss geschlossen,
rechtfertigt er sich. So sei vereinbart, dass die beiden Schüler auch
den männlichen Lehrern die Hand nicht mehr geben dürfen. «Sie dürfen den
Lehrern und den Lehrerinnen nicht mehr die Hand geben. Damit ist die
Diskriminierungsfrage für uns beseitigt», betont Lauener.
Schulleitung verteidigt Dispens vom Händedruck
3:18 min, aus Rendez-vous vom 04.04.2016
Für die Öffentlichkeit ist das Thema damit aber keineswegs
abgehakt. Auch wenn die Schulleitung von einem Kompromiss spricht, ist
klar: Die Wurzel des ganzen Konflikts liegt darin begründet, dass zwei
Schüler aus religiösen Gründen, Frauen den Händedruck verweigern.
Ganz
wohl war dem Therwiler Schulrektor dabei aber offenbar nicht. Nachdem
seine Schule im November die Sonderregelung vereinbart hatte,
informierte er das Basellandschaftliche Bildungsdepartement. «Es ist ein
Problem, das in allen Schulen auftauchen könnte», sagt Lauener. Er
schlägt daher vor, dass der Kanton möglichst bald Vorschriften oder
Empfehlungen für solche Situationen herausgibt, um Schulen eine
Orientierung zu geben, wie sie sich in gewissen Situationen verhalten
sollen. «Das erwarte ich». Bis eine solche kantonale Vorgabe kommt,
bleibt die Sonderregelung an der Sekundarschule Therwil aber in Kraft.
Lehrerverband: «Keine gute Lösung»
Deshalb verstummt auch die Kritik am Vorgehen in Therwil nicht. «Es
ist für mich ein Novum, dass Schülern quasi erlaubt wird, den
Lehrpersonen den Händedruck zu verweigern. Ich halte das für keine gute
Lösung, weil für alle Schüler die gleichen Regeln gelten sollten», sagt
etwa Beat Zemp, Präsident des Schweizer Lehrerinnen- und
Lehrerverbandes.
Baselbieter Lehrerverein gegen Therwiler «Händedruck-Deal»
5:16 min, aus Regionaljournal Basel Baselland vom 04.04.2016
Mit der Sonderregelung werde ein falsches Signal ausgesendet, und
zwar auch für die beiden betroffenen Schüler selber, denn sie hätten ja
auch später im Berufsleben mit Arbeitskolleginnen, Chefinnen oder
Kundinnen zu tun.
Klares Stoppsignal gefordert
Konservative Muslime argumentieren, eine Frau nicht zu berühren sei eine Form des Respekts. Dem widerspricht die Politikwissenschaftlerin Elham Manea deutlich.
Einer Frau die Hand nicht zu geben, zeuge von einer
fundamentalistischen Religionsauslegung, findet die
schweizerisch-jemenitische Doppelbürgerin und liberale Muslimin. «Es
geht nicht um Respekt. Es geht um eine Weltanschauung, die die Frau als
sexuelles Objekt betrachtet.»
Ein Fall wie in Therwil, wo zwei
muslimische Schüler den Lehrerinnen die Hand nicht mehr geben wollen,
ist extrem selten in der Schweiz. Trotzdem findet Manea wichtig, dass
diese Diskussion jetzt geführt wird. Sie verlangt, dass die Schweizer
Behörden nun ein klares Stoppsignal setzen. Sonst würden
fundamentalistisch denkende Muslime immer weitere Ausnahmeregelungen
fordern.
BLICK:
WIE DIE MUSLIMBRUEDER DEM REKTOR DIE REGELN DIKTIEREN
BLICK trifft einen Verwandten der Muslim-Teenies. Auch er versteht A.
und N. nicht. «Es gibt jetzt eine so grosse Aufregung um die Sache. Sie
sollten sich den hiesigen Gepflogenheiten anpassen», sagt er. Und
weiter: «Die beiden haben einen viel strengeren Glauben als ich. Sie
dürfen keine Frau ausserhalb der engsten Familie berühren. Sogar die
Cousine gehört schon nicht mehr zum engsten Kreis.»
Die beiden
Brüder handelten aus eigenem Willen. «In Syrien ist man bereits ab 14
volljährig. Man kann heiraten und ohne Zustimmung der Eltern ein Haus
kaufen», sagt der Verwandte. Er erklärt: «Darum sind die beiden auch
selber verantwortlich für ihre Entscheidung.»
Der
Handschüttel-Fall kam schon letzten November vor die Schulleitung.
«Die
beiden Schüler gaben den Lehrerinnen nicht mehr die Hand. Diese fühlten
sich diskriminiert und beschwerten sich bei mir», sagt Schulrektor Jürg
Lauener (61) zu BLICK.
Im Dezember rief er alle Beteiligten zu
einer Krisensitzung. «Wir bestanden darauf, dass die Eltern mitkommen»,
so der Rektor. Doch die beiden Muslim-Teenies gaben die Bedingungen
durch. «In ihrem Kulturkreis gelten die Jungs nun mal als volljährig»,
so Lauener. «Wir lösten das Problem dann so, dass die beiden Schüler
sowohl die Hand der Lehrerinnen, aber auch die der Lehrer nicht mehr
schütteln. Damit sei die Diskriminierung aus der Welt geschafft.»
Ganz
so wohl scheint dem Rektor dabei aber nicht zu sein. «Wir haben der
Direktion für Bildung, Kultur und Sport eine Anfrage geschickt, wie man
einen solchen Fall handhabt. Bisher haben wir noch keine Antwort
erhalten», sagt Lauener.
Dabei sei das Ritual des Händeschüttelns
wichtig. «Früher war das wenig verbreitet. Mit den Jahren hat es sich
aber etabliert und gehört zu den sozialen Gepflogenheiten an der
Schule.»
Für Beat W. Zemp, den Präsidenten des Schweizer
Lehrerverbands, ist der Fall eindeutig: «Ich hätte als Schulleiter
sicherlich anders entschieden. Der Händedruck ist Teil unserer Kultur.»
Mittlerweile
sah sich sogar Justizministerin Simonetta Sommaruga zur einer
Stellungnahme genötigt. «Das geht nicht. So stelle ich mir Integration
nicht vor», sagte die Bundesrätin in der TV-Sendung «10 vor 10».
A. und N. waren im Unterricht. Sie wollten gegenüber den Medien keine Aussage machen. Sie haben ihre Schule in der Hand.