Falls die SPD Basis den Koalitionsvertrag nicht gutheissen sollte
Der schlimmste Fall muss antizipiert werden
Berlin - Drei Tage noch. Dann werden die Sozialdemokraten Gewissheit haben. Wenn im Verlauf des Samstags das Ergebnis des Mitgliederentscheids vorliegt, dürfte man ein kollektives Aufatmen in den Führungen von SPD und Union vernehmen. Oder einen Moment der Schockstarre erleben.
Es ist ein Risiko, das SPD-Parteichef Sigmar Gabriel sich selbst und
seinem Koalitionspartner in spe zugemutet hat, als er der Basis das
Ergebnis der Koalitionsverhandlungen zum Votum vorlegte. Obwohl vieles
dafür spricht, dass die Basis dem Koalitionsvertrag zustimmt: Gibt es
einen Alternativplan, falls die Sozialdemokraten sich verweigern? Ein
führender Unionsmann sagt es so: "Man sollte über einen Plan B nicht
öffentlich reden, denn er beschwert doch nur den Mitgliederentscheid."
Hinter vorgehaltener Hand aber wird die Variante eines Scheiterns
doch durchgesprochen; für diesen Fall richten sich die Blicke auf
Schloss Bellevue. Es wäre die bislang heikelste Herausforderung für
Bundespräsident Joachim Gauck.
Bei einem Votum der Genossen gegen den Koalitionsvertrag würde Gauck in
den Mittelpunkt der Debatte rücken, wie künftig das Land regiert wird -
oder ob es vielleicht sogar baldige Neuwahlen gibt. Dann könnte das zum
Tragen kommen, was Verfassungsrechtler mit Blick auf Artikel 63 des
Grundgesetzes die "Reservekompetenz" des Staatsoberhaupts nennen.
Eine Rolle, die Gauck sicher ungern übernehmen würde: darüber entscheiden zu müssen, ob Neuwahlen notwendig sind in einem Land, das sich nach den Erfahrungen in der Weimarer Republik Stabilität als obersten Verfassungsgrundsatz verordnet hat.
Derzeit wird Deutschland bis auf weiteres von der alten schwarz-gelben Regierung geschäftsführend regiert.
Die drei Szenarien für den Fall eines negativen Votums von der SPD-Basis:
Szenario I:
Bei einem Nein der SPD-Basis wäre zunächst die Frage der alternativen Regierungsbildung zu stellen: Nach Lage der Dinge kämen dafür Schwarz-Grün oder eine SPD-geführte Koalition mit Grünen und Linken in Frage. Da dem Bundespräsidenten daran gelegen sein dürfte, Neuwahlen nach Möglichkeit zu vermeiden, wäre wohl selbst Letzteres für den Anti-Kommunisten Gauck vorstellbar. Aber fürs Erste stünde Angela Merkel als CDU-Chefin mit ihrer starken Unionsfraktion im Rücken in der Pflicht - sie müsste deutlich machen, ob sie erneut Gespräche mit den Grünen sucht.
Schwarz-Grün ist eher unwahrscheinlich, auch wenn beide Seiten nach der Wahl immerhin in Sondierungsgespräche gegangen sind. Doch an der Ausgangslage hat sich nichts geändert: Die Grünen sind personell und inhaltlich in einer Umbruchsphase und deshalb nicht gut aufgestellt für ein solches Experiment. Die Union müsste ihnen wohl noch weiter entgegenkommen als der SPD, um einen Koalitionsvertrag zu erreichen - aber warum sollten sich CDU und CSU darauf einlassen? Und: Am Ende könnte ein Parteitag der Grünen doch nein zu einer schwarz-grünen Koalition sagen.
Käme es nicht zu Schwarz-Grün, wäre die SPD-Führung gefragt: Als größte Oppositionspartei könnte sie eine Regierung bilden. Rechnerisch hätte eine Koalition von SPD, Grünen und Linke eine Mehrheit - aber in der Wirklichkeit? Teile der Linken wollen nicht regieren, bei vielen Grünen gibt es große Vorbehalte gegenüber der Linkspartei, Gleiches gilt für die SPD. Dazu kommt: Nach einem Nein der SPD-Basis zu einer Koalition mit der Union bliebe in der Parteispitze wohl kein Stein auf dem anderen. Zerstritten und desorientiert könnte eine SPD kaum Koalitionsverhandlungen aufnehmen. Falls also weder Schwarz-Grün noch Rot-Rot-Grün gelingen, käme es zu
Szenario II
Der Bundestag würde zusammenkommen, um einen neuen Kanzler zu wählen. Fände sich auch in einem zweiten Wahlgang keine absolute Mehrheit zur Wahl eines Kanzlers, würde es schließlich am Bundespräsidenten hängen. Er könnte entweder die Wahl eines Regierungschefs mit relativer Stimmenmehrheit akzeptieren und diese Person zum Kanzler einer Minderheitsregierung ernennen - oder das Parlament auflösen. Mit der Konsequenz, dass es innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen gäbe.
Szenario III
Falls Gauck einen Minderheitsregierungschef ernennen würde, in diesem Fall wohl Angela Merkel, könnten dennoch rasch Neuwahlen anstehen. Denn Merkel bräuchte nur ein paar Abstimmungen im Bundestag verlieren, die Vertrauensfrage stellen und damit scheitern - das Staatsoberhaupt müsste das Parlament auflösen. Eine Minderheitsregierung unter Merkel, die sich im Bundestag für einzelne Maßnahmen auf wechselnde Mehrheiten stützt, ist schwer vorstellbar. Die Gründe liegen auf der Hand: Deutschland als wichtigstes Land der EU braucht eine stabile Regierung. Die Folgen der Politik einer Merkel-Minderheitsregierung, die im Zweifel gegen eine rot-rot-grüne Mehrheit im Parlament stünde, würden sich in Zeiten einer sich wieder zuspitzenden Euro-Krise zeigen - an unruhigen Finanzmärkten und steigenden Zinsen für deutsche Staatsanleihen.
Das aber will niemand.
Kommentar: Falls die SPD Basis den Koalitionsvertrag ablehnt würde der Oeffentlichkeit bewusst, dass die Journalistin Slomka im medienträchtigen Interview mit Gabriel auf einen wunden Punkt des Vorgehens der SPD Befragung hingewiesen hatte.
Quelle: Spiegel-online:
Eine Rolle, die Gauck sicher ungern übernehmen würde: darüber entscheiden zu müssen, ob Neuwahlen notwendig sind in einem Land, das sich nach den Erfahrungen in der Weimarer Republik Stabilität als obersten Verfassungsgrundsatz verordnet hat.
Derzeit wird Deutschland bis auf weiteres von der alten schwarz-gelben Regierung geschäftsführend regiert.
Die drei Szenarien für den Fall eines negativen Votums von der SPD-Basis:
Szenario I:
Bei einem Nein der SPD-Basis wäre zunächst die Frage der alternativen Regierungsbildung zu stellen: Nach Lage der Dinge kämen dafür Schwarz-Grün oder eine SPD-geführte Koalition mit Grünen und Linken in Frage. Da dem Bundespräsidenten daran gelegen sein dürfte, Neuwahlen nach Möglichkeit zu vermeiden, wäre wohl selbst Letzteres für den Anti-Kommunisten Gauck vorstellbar. Aber fürs Erste stünde Angela Merkel als CDU-Chefin mit ihrer starken Unionsfraktion im Rücken in der Pflicht - sie müsste deutlich machen, ob sie erneut Gespräche mit den Grünen sucht.
Schwarz-Grün ist eher unwahrscheinlich, auch wenn beide Seiten nach der Wahl immerhin in Sondierungsgespräche gegangen sind. Doch an der Ausgangslage hat sich nichts geändert: Die Grünen sind personell und inhaltlich in einer Umbruchsphase und deshalb nicht gut aufgestellt für ein solches Experiment. Die Union müsste ihnen wohl noch weiter entgegenkommen als der SPD, um einen Koalitionsvertrag zu erreichen - aber warum sollten sich CDU und CSU darauf einlassen? Und: Am Ende könnte ein Parteitag der Grünen doch nein zu einer schwarz-grünen Koalition sagen.
Käme es nicht zu Schwarz-Grün, wäre die SPD-Führung gefragt: Als größte Oppositionspartei könnte sie eine Regierung bilden. Rechnerisch hätte eine Koalition von SPD, Grünen und Linke eine Mehrheit - aber in der Wirklichkeit? Teile der Linken wollen nicht regieren, bei vielen Grünen gibt es große Vorbehalte gegenüber der Linkspartei, Gleiches gilt für die SPD. Dazu kommt: Nach einem Nein der SPD-Basis zu einer Koalition mit der Union bliebe in der Parteispitze wohl kein Stein auf dem anderen. Zerstritten und desorientiert könnte eine SPD kaum Koalitionsverhandlungen aufnehmen. Falls also weder Schwarz-Grün noch Rot-Rot-Grün gelingen, käme es zu
Szenario II
Der Bundestag würde zusammenkommen, um einen neuen Kanzler zu wählen. Fände sich auch in einem zweiten Wahlgang keine absolute Mehrheit zur Wahl eines Kanzlers, würde es schließlich am Bundespräsidenten hängen. Er könnte entweder die Wahl eines Regierungschefs mit relativer Stimmenmehrheit akzeptieren und diese Person zum Kanzler einer Minderheitsregierung ernennen - oder das Parlament auflösen. Mit der Konsequenz, dass es innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen gäbe.
Falls Gauck einen Minderheitsregierungschef ernennen würde, in diesem Fall wohl Angela Merkel, könnten dennoch rasch Neuwahlen anstehen. Denn Merkel bräuchte nur ein paar Abstimmungen im Bundestag verlieren, die Vertrauensfrage stellen und damit scheitern - das Staatsoberhaupt müsste das Parlament auflösen. Eine Minderheitsregierung unter Merkel, die sich im Bundestag für einzelne Maßnahmen auf wechselnde Mehrheiten stützt, ist schwer vorstellbar. Die Gründe liegen auf der Hand: Deutschland als wichtigstes Land der EU braucht eine stabile Regierung. Die Folgen der Politik einer Merkel-Minderheitsregierung, die im Zweifel gegen eine rot-rot-grüne Mehrheit im Parlament stünde, würden sich in Zeiten einer sich wieder zuspitzenden Euro-Krise zeigen - an unruhigen Finanzmärkten und steigenden Zinsen für deutsche Staatsanleihen.
Das aber will niemand.
Kommentar: Falls die SPD Basis den Koalitionsvertrag ablehnt würde der Oeffentlichkeit bewusst, dass die Journalistin Slomka im medienträchtigen Interview mit Gabriel auf einen wunden Punkt des Vorgehens der SPD Befragung hingewiesen hatte.