Sonntag, 4. August 2019

Die Macht der Gendermissionare (Artikel Persönlich)


Aus Angst vor den politisch Korrekten  verzichten viele auf den gesunden Menschenverstand und opfern die Sprachästhetik

Ich kenne einen Werber, der  wagt es nicht mehr, ein Wort zu schreiben, das  militante Feministinnen auf den Plan rufen könnte.
Eine Behörde eines Kantons wies ihm nämlich jedes Wort zurück, das nicht geschlechtsneutral geschrieben war. Die Auftraggeber dohten: Falls das Wort Fussgänger  nicht überall  ersetzt werde mit "die zu Fuss gehenden" müsste der Werber auf den Auftrag verzichten. Der gesunde Menschenverstand bleibt somit auf der Strecke. Obschon sich der Werber an der Sprachverstümmelung stört, ist er machtlos.  Er musste  die Sprache  maltraitieren. Er sagte mir : "Wenn ich Geld verdienen will, bleibt mir nichts anders übrig, als das Spiel mit der Sprachpolizistinnen mit zu spielen".  Er hatte zudem auf einem Flyer eine Person dunkelgrün eingefärbt. Das wurde ebenfalls zurückgewiesen, weil das dunkle Grün  zu rassistisch wirke. Es sei beinahe schwarz.
Man müsste eigentlich  davon ausgehen, dass sich der Ungeist der politischen Korrekten -  nach der Aera der militanten Spachpolizistinnen - allmählich gelegt hat und bei Formulierungen die Vernunft eingekehrt ist. Das Gegenteil scheint jedoch der Fall zu sein. Die Ueberkorrekten sind überaktiv. Sie wissen allein, was korrekt ist und üben konsequent Druck aus. Es gibt für sie bei der Genderfrage keine Toleranz. Wer  dem Druck dieser  Moralisten nicht nachgibt, muss es bitter büssen. Militante Tugendwächterinnen protestieren bei jedem  angeblich unkorrekten Wort so lautstark und  so lange, bis die Verantwortlichen klein beigeben. Behörden ändern sogar Reglemente und Spielregeln. Sie kuschen. Der gesunde Menschenverstand bleibt auf der Strecke. Die Verschandelung der Sprache wird in Kauf genommen.


Ich zitiere Literaturnobelpreisträger Czeslaw Milosz (Quelle NZZ E Papier vom 29.4.2019):

Der Ungeist der politischen Korrektheit metastasiert sich gerade durch Universitäten, den Kulturbetrieb, Redaktionsstuben bis hin in die Politik.

Aus Sicht der Political-Correctness-Bewegung steht die Wahrheit in Form der Doktrin bereits fest, weshalb sich Debatten im Grunde erübrigen. Der Debattenraum wird im Namen einer Ideologie somit erst teilprivatisiert und dann schrittweise universalisiert, bis der Privatstandard der Doktrin als einzig neuer zulässiger Meinungskorridor erscheint. Nietzsche hat in seiner «Genealogie der Moral» von der «creatio ex nihilo» der moralischen Begriffe gesprochen. Der Moralist trägt seine Vorurteile in den Eingeweiden. In einer anmassenden Deutungsmacht über korrekte Begriffe wird eine Einteilung in gute Kollektive (LGBT, Frauen, marginalisierte Gruppen) und schlechte Kollektive (alte weisse Männer, Personen rechts der Mitte) vorgenommen, welche mancherorts über Zulassung zu öffentlichen Debatten entscheidet. Die latente Androhung von Shitstorms oder Karrierenachteilen resultiert in einer Narkotisierung des Debattenraums und einer Omertà der Intellektuellen. (Ende Zitat)


Die Sprachpolizistinnen bringen es erstaunlicherweise fertig, dass unzählige Schulen, Spitäler, Aemter und Behörden bereit sind, die Sprachzerstörung in Kauf zu nehmen. Alle scheinen zu resignieren. Man will wohl nicht mit der Political-Correctness-Bewegung anlegen. Man hofft sie mit Nachgeben ruhig zu stellen.
Nachgeben ist angeblich bequemer, als sich gegen die Sprachzerstörer zu wehren und sich für eine korrekte Sprache einzusetzen.

Selbst Germanisten, Sprachwissenschafter und Sprachexperten geben derzeit klein bei, wenn unsinnige Formulierungen gefordert werden. Die Sprache ist aber  ein so hohes Gut, das wir pflegen sollten.

Bei all den unsinnigen, kuriiosen Formulierungen vermissen wir den Aufschrei von den vernünftigen Sprachwissenschafter.
Anstatt die gedankenlose Gendersprache zu stoppen, werden jedoch die abartigen Formulierungen vielerorts  übernommen und  verankert.
Bei der Ringierpresse gibt es beispielsweise keine Fussgängerstreifen mehr. Wir lesen stets von Zebrastreifen, obwohl die Markierung für Fussgänger und nicht für Zebras bestimmt sind. Es gibt weder eine "Gästin" noch Studierende. Denn diese wären ständig  am Studieren, Wenn sie etwas anderes tun, sind sie nach wie vor Studenten.
Das Binnen I bei StudentInnen kann nicht gelesen werden, wie  auch die eingeführten Sternchen. Beides ist sprachlich falsch. (Geschriebendes muss stets auch gelesen werden können!)
Das ständige Verdoppeln wie "DIe Lehrerinnen und Lehrer haben den Schülerinnen und Schüler in Erinnerung gerufen, dass sie immer den Zebrastreifen benutzen müssen." widerspricht dem Prinzip der Kürze und der Verständlichkeit,
Kürze ist ein wichtiger Verständlichkeitshelfer.
Die Sprachsektierer können   ihre Früchte ernten, die sie gesät haben.Man hoffte, die Schweiz bleibe gegenüber dem Visrus Sprachmissionaren immun. Das Gegenteil ist leider der Fall.
Groteske Formulerungen werden toleriert:
Liebe Kinderinnen und Kinder....
Die wenigsten der Reisendinnen.....
Hans der  Hebammer.....
Göttin sei Dank...
Menschin
Gästin
usw.



Peter Thomi schrieb schon vor Jahren in der NZZ am Sonntag einen treffenden Leserbrief:

************

Wie die Sprache vor die Hündinnen geht
Zur "geschlechtsneutralen" Sprache

Bei den Giraffen gibt es keine Männchen, die Giraffe ist weiblich. Ein Weib ist keine Frau, das Weib ist sächlich. Eine Frau ist kein Mensch, der Mensch ist männlich. (Also Menschin?) Logisch. Würde man einsehen und akzeptieren, dass die von der Sprache verwendeten Genera sich nicht mit dem Geschlecht des Gemeinten decken müssen, dann wäre der Sprachspuk endlich vorbei, und es gäbe wieder Studenten statt "Studierende", Konsumenten statt "Konsumierende", Hörer statt "Hörende", Leser statt "Lesende" und "Fussgänger" statt "Gehende". Dann würde auch in den Medien und an den Universitäten wieder das Selbstverständliche gelten: Das grammatikalische, im Wörterbuch verzeichnete Geschlecht, Maskulinum hin oder her, ist nicht das biologische. Dann fühlen sich alle, Feminismus hin oder her, wieder gleichermassen angesprochen, sofern die Wendung es nicht ganz klar anders bestimmt. Und das "mitgemeint" oder "nicht ausdrücklich genannt" kann getrost entsorgt werden: im sprachhistorischen Kuriositätenkabinett. 



 
 **********

Fazit:
Solche Gleichmachungsbemühungen stören den Lesefluss und widersprechen eindeutig der Sprachästhetik. Sie führen eigentlich zu einer  sprachlich unkorrekten Sprache.
DieMediensprache sollte kurz und knackig sein. Doch führt der interne Kodex für eine gesclechtsneutrale Sprache zum Gegenteil. Es  gäbe die Möglichkeit, bei einer Aufzählung einmal die männliche und einmal die Webliche Form zu wählen. Ferner gibt es korrekte Kollektivbezeichungen wie "das Publikum". Andrea Vetschs Versuch das Wort "Kund*innen" mit einer Pause nach dem d das Gendersternchen zu artikulieren. Damit hat sie das Dilemma nicht gelöst. Mediensprecherin Wenger (SRF) betont richtigerweise: "Mit der gendergerechten Sprache darf die Verständlichkeit nicht leiden. Auch die Eleganz der Sprache darf nicht missachtet werden."
aus Sicht der Chefredaktion wurde beim "Kund*innen" Beispiel dieses Prinzip verletzt, weil es das Publikum irritiert.
Wir sehen: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Es gibt verschiedene Redaktionsstuben, da ist der gesunde Menschenverstand noch nicht dem Wunsch von militanten Gendermissionarinnen geopfert worden. Ich wünsche mir mehr Mut zum Widerstand gegen sprachlich eindeutig sinnwidrigen Formulierungen.  





Sprachsprechstunde (Quelle: Tagi)

Scarlett Johansson ist super, gell?

Martin Ebel über ein Versicherungspartikelchen, das wir so häufig gebrauchen wie kaum ein anderes Wort.

Die Versicherungsfrage gibt es in vielen Varianten: «gelt», «gelle», «gä» oder «gäu». (Video: Tamedia)