Geri Müller und die Medien
Geri Müller, sein Anwalt und seine Partei hoffen nun:
Schwamm darüber - die Sommerlochgeschichte geht in Kürze vergessen.
Der zusätzliche Auftritt Geri Müllers im CLUB wird in der Medienlandschaft analysiert, kommentiert.
Die Kommentare kreisten meist um die Frage:
Ist Geri Müller ein Medienopfer oder haben die Medien nicht das Recht, die Geschichte mit den Nacktphotos zu thematisieren?
Wo liegt die Grenze zwischen Privatheit und Oeffentlichkeit?
Auch ich habe mit die Diskussion im Club angeschaut.
Christine Maier brachte Geri Müller in eine heikle Situation. Sie konfrontierte ihn mit seinem Zitat, als Armeechef Nef in einer ähnlichen Situation war.
Maier las Geri Müller seine Aussagen zum zurückgetretenen Armeechef Roland
Nef vor: "Es ist zwar eine private Angelegeneit, das spielt aber keine
Rolle. An einen Armeechef habe er hohe moralische Ansprüche. Ich erwarte
von einem Armeechef, das er zu hundert Prozent sauber ist."
Dieses Konfrontation wurde leider mit wenige Worten abgetan und nicht weiter diskutiert. Man könne die beiden Fälle nicht miteinander vergleichen, wurde gesagt. Geri Müller habe keine Gewalt angewendet.
Sorry: Es geht bei dieser alten Aussage nur um die Frage des moralischen Anspruchs einer Führungspersönlichkeit, den Geri Müller bei sich nicht gelten lassen will.
Aus meiner Sicht brachte die CLUB Diskussion keine neuen Erkenntnisse.
Geri Müller verstand es die Geschichte immer wieder auf die Metaebenen zu verlagern und mahnte die Jugend, von seinen Fehlern zu lernen.
Ich wunderte mich, dass Patrik Müller am Anfang nicht zu Worte kam. Sein Beitrag war immerhin der Auslöser der ganzen Geschichte.
Geri Müller gelang es auch, sich als Medienopfer darzustellen - unterstützt von MarioGmür.
- Er bagatellisierte, beschönigte sein Verhalten:
Alle machen Fehler-
Man muss verzeihen können-
Macht jetzt einen Strich unter die Rechnung-
Heute publizieren Jugendliche auch Nackt-Selfies -
Nach Gmür ist Müller ein Medienopfer und wurde zu Unrecht in die Oeffentlichkeit gezogen.
Geri Müller sagte, dass er erst zurücktrete, wenn er das Vertrauen der Bevölkerung nicht mehr habe.
Kann ein Stadtpräsident das Vertrauen noch haben, wenn er ihm die Risikoabschätzung fehlt?
Oder wenn er durch erotische Obsession nicht mehr seine Sinne mächtig ist: "Ich weiss nicht wie das geschehen konnte!"
Ist ein Politiker noch vertrauenswürdig, wenn er sich erpressbar und angreifbar macht?
"Etwas, das spielerisch begonnen habe, habe auf einmal eine Eigendynamik
erhalten und sei der Kontrolle entglitten", sagte der angeschossene Geri
Müller.
Die Oeffentlichkeit muss sich fragen, ob ein Politiker noch tragbar ist, dem die Kontrolle entgleitet?
Wie verhält sich so ein Stadtpräsident in einer Krisensituation?
Selbstverständlich besteht bei Themen mit SEX-PROMIS-BLUT-TRAENEN-SPERMA die Gefahr der Boulevardisierung. Doch sind die angeblichen Medienopfer meist selbst schuld, dass es zu den unliebsamen Medienhypes kommt. Es lohnt, sich mit den Phänomenen der Medienkommunikation auseinander zu setzen. Der Umgang mit Medien muss zusätzlich erworben werden, so wie das Lesen und Schreiben.
Vincenz Wyss schreibt treffend (Interview persönlich.com):
Es
gibt zunehmend Stimmen, die kritisieren, dass die Vorverurteilung durch
die Medien stark zugenommen hat. Wie dramatisch beurteilen Sie dieses
Phänomen?
Ich
kann mir vorstellen, dass hier mehr und mehr eine Kultur aus der
Blogosphäre auf den herkömmlichen Journalismus rüberschwappt:
Publizieren bevor alle benötigten Fakten auf dem Tisch sind und dies mit
dem Alibi, Betroffene könnten sich ja dann noch später melden oder man
könne jederzeit nachschieben. Das halte ich für eine gefährliche
Entwicklung.
Wie könnte hier Gegensteuer gegeben werden?
Zunächst
brauchen wir heute auch eine starke öffentliche Debatte über
Medienleistungen, also Medienkritik, damit auch das Publikum erkennen
kann, dass professioneller Journalismus Regeln kennt, über welche man
sich – und das zeigen die unterschiedlichen Aussagen der befragten
Chefredaktoren – immer wieder neu verständigen muss. Schliesslich ist
Glaubwürdigkeit sicher auch heute noch das wichtigste Kapital eines
verantwortungsvollen Journalismus. Gerade in einer Zeit, in der manche
glauben, es stehe alles – sowieso – im Internet, wird dieses Gut
wichtiger denn je. Das heisst also eine Differenz machen und auch mal
zuwarten können, bis die Trauben reif sind. Aber ich weiss, das klingt
in den Ohren mancher Journalisten wie eine Sonntagspredigt aus dem
Elfenbeinturm.