Herr Knill, der Talk zwischen Roger Schawinski und Komiker Andreas Thiel ist eskaliert. Warum?
Was hier geführt wurde, war keine Diskussion im klassischen Sinne,
sondern ein Duell. Keiner der Gesprächspartner hatte das Ziel, sein
Gegenüber zu überzeugen. Die beiden haben verbal aufeinander
eingeprügelt. Was dabei zählte, war nicht, wer die besseren Argumente
hat, sondern wer am Ende besser wegkommt.
Marcus Knill, ...
... ist Kommunikationsexperte. Er leitet Seminare für Personen aus
Sport und Politik und leistet Unterstützung in Krisensituationen.
Wer ist denn besser weggekommen?
Bei diesem Streit konnte es keinen klaren Sieger geben. Rein aus der
Gesprächsanalyse würde ich sagen, dass sich die beiden ein
Unentschieden geliefert haben. Dabei wird aber ein wichtiger Punkt
vergessen: Schawinski hatte viel mehr zu verlieren als Thiel. Die
Sendung, in der das Gespräch ausgestrahlt wurde, trägt seinen Namen.
Wenn er darin die Fassung verliert, zählt das viel mehr, als wenn das
bei seinen Gästen passiert.
Wie hat Thiel es geschafft, Schawinski aus dem Gleichgewicht zu bringen?
Er hat vor allem mit der Überraschung gearbeitet. Wer Schawinski ein
bisschen kennt, weiss, dass dieser alle Interviews mit der Frage «Wer
bist du?» beginnt. Thiel war darauf vorbereitet und hat sofort
angefangen, Schawinski mit Gegenfragen in die Enge zu treiben. Zudem hat
er das Gespräch auf eine sehr persönliche, emotionale Ebene reduziert
und Schawinski damit destabilisiert. Dabei ist er selber immer im Ton sehr
ruhig geblieben, obwohl es in ihm vor Wut gebrodelt haben muss. (Thiel hat Schauspielerfahrung und verstand es den Körper zu beherrschen).
Und das hat schon gereicht, um einen erfahrenen Talkmaster wie Schawinski aus der Fassung zu bringen?
Schawinski war wohl völlig überrumpelt von Thiels Art. Ich kenne ihn
persönlich und so fassungslos wie am Montag habe ich ihn noch nie
erlebt. Schuld am Debakel war vielleicht sein Stolz. Er hatte einige
recht gute Trümpfe gegen Thiel in der Hand und muss sich wohl gedacht
haben: «Den Typen nagle ich jetzt an die Wand.» Dieser ist aber so gut
wie gar nicht auf die Vorwürfe eingegangen. Damit hat er wohl einen
Schwachpunkt getroffen: Schawinski ist stark, solange er aggressive
Fragen stellen kann. Wenn jemand dabei aber cool bleibt wie Thiel, wird
er unsicher.
Wie hat sich diese Unsicherheit geäussert?
Ein gutes Beispiel dafür war, als Thiel ihn fragte, ob er denn den
Koran selber gelesen habe. Das Einzige, was Schawinski darauf sagen
konnte war: «Ich habe dafür andere Bücher gelesen.» Mit solchen
Gegenfragen hat Thiel sich über die klassische Rolle eines Interviewten
weggesetzt und eine Machtposition eingenommen. Man könnte sagen: Wer
fragt, führt.
NACHTRAG Knill:
Nach dem Urteil der Leserinnen und Leser hat Thiel eindeutig mehr gepunktet.
Ich persönlich bin heute der Meinung, hinsichtlich Dialogik gab es nur Verlierer.
In meinem Job entscheidet bei Kommunikationsprozessen nicht der Berater, wer besser überzeugt hat. Sondern der Adressat.
Bei diesem Duell ist es erstaunlich, dass der Profi Journalist Schawinski so viele Punkte verlor, nur weil er überreagierte und eindeutig die Nerven und damit sein Gesicht verloren hatte. In einem Medien-Check wird zwar Schawi für seinen ungefilterten Aerger gelobt. Der Kommentator vertrat die Meinung einer Minderheit, es wäre zu wünschen übrig, wenn andere Moderatoren auch so ungefiltert Klartext sprechen würden, wie Roger Schawinski.
Dieser Beurteilung halte ich entgegen:
Ein Moderator darf nie die Nerven verlieren, selbst wenn er persönlich unter der Gürtellinie angegriffen wird. Das heisst jedoch nicht, dass der Moderator weichgespült kommunizieren muss. Sein Werkzeug ist und bleibt, Fragen zu stellen, Antworten und Aussagen zu hinterfragen, Sachverhalte zu beschreiben, zu benennen, nachzufragen - aber keinenfalls auf die Person zu schiessen.
Nach dem Harvard Prinzip: "Hart in der Sache" aber "weich mit dem Gegenüber." Auch bei einem Querulanten.
Das Sendegefäss "Hart aber Fair" finde ich vorbildlich.
Viel sind sich nicht bewusst: Der Befragte hat ebenfalls das Recht, Klärungsfragen oder Gegenfragen zu stellen und einen Gedanken fertig auszuformulieren, aber auch das Gespräch zu lenken. Der Interviewte darf unterbrochen werden, wenn der Befragte zu lange spricht.
LINK:
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Dateiformat: PDF/Adobe Acrobat
Beim Harvard Prinzip geht es nicht um ein «Entweder-oder», vielmehr kann
meist eine «Sowohl-als-auch»-Lö- sung gefunden werden. Voraussetzung.
www.rhetorik.ch/Harvardkonzept/fitimjob.pdf
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ECHO EINES LESERS (studiert Journalismus):
Schawinski machte grobe Fehler auch fachlich: Religionskritik
hat nichts mit Rassismus zu tun. Als Thiel ihm die Kompetenz absprach, hat er die Nerven verloren. Schawinksi hatte klar das 2 am Ruecken.
Er wollte Thiel fertigmachen, wurde aber selbst zermalmt. Die Zuschauer und Kommentare sehen das klar richtig. Ist ein unglaublich gutes Beispiel, wie man mit Coolness und Intelligenz gewinnen und mit ungezügelten Emotionen verlieren kann. Bei Schawinski kommt jedoch kein Mitleid auf, denn er schlaegt
auch mit harten Bandagen. Spielt sicherlich auch etwas Schadenfreude mit dabei, wenn so ein harter Befrager selbst unter die Raeder kam. Schawinski wurde noch meinem Dafürhalten demontiert.
Vor allem der Vorwurf des Boulevard journalisten hat ihn tief getroffen (weil er zutrifft). R.D.
Für sowas zahle ich Billag?
Abrechnung mit Schawinski
Danke Herr Thiel
Thiel zu oberflächlich