Schaumsprache der Lehrer
Allain Guggenbühl stellt in der neuen Weltwoche eine hilfreiche Uebesetzungshilfe vor, welche die verbriete wattierte Sprache - die sogenannte teachers' speech - vor nd entlarvt den verklausuleirten Wohlklang gängiger Formulierungen. Diese Schaumsprache zählt zur Airbagrhetorik . Die Pädagogen schützen sich damit vor der Gegenwehr der Eltern. Das bewusste Vernebeln statt Klartextreden ist stark verbreitet. Hier ein Auszug aus der Weltwoche:
LINKS:
12. Mai 2002 ... "Airbagrhetorik" ist eine defensive Art der Kommunikation. Worthaufen drängen sich zwischen die Gesprächspartner. ...
www.rhetorik.ch
Reden und nichts Sagen, Reden mit leeren Phrasen und Worthuelsen.
www.rhetorik.ch
Quasseln, Reden und nichts Sagen, Reden mit leeren Phrasen und Worthuelsen.
www.rhetorik.ch
|
Die Schaumsprache der Lehrer
«Ihr Sohn hat die Lernziele erreicht!»,
teilt die Klassenlehrerin den Eltern mit. Zwar gebe es noch Lücken im
«Kompetenzprofil», doch lediglich beim «mathematischen
Vorstellungsvermögen» und bei der «Konfliktkompetenz». Die Eltern kehren
beruhigt nach Hause zurück. Ein halbes Jahr später wird ihnen
mitgeteilt, dass ihr Sohn keine Empfehlungen für die Sek A bekommt. Sie
fühlen sich verschaukelt. Was ist geschehen?
Von Lehrpersonen wird erwartet, dass sie im klärenden Gespräch einen Konsens im Sinne der Schule erreichen. Man redet, doch eigentlich ist klar, was man will, und der Entscheidungsspielraum klein. Die Folge: In der Kommunikation wird der Sachverhalt verschleiert. Lehrpersonen müssen sich vor harscher Kritik und Gegenwehr der Eltern schützen, verhindern, dass diese den Schulunterricht bestimmen oder ihrem Anwalt telefonieren. Um sich zu schützen, haben sie Sprechweisen entwickelt, durch die Botschaften verklausuliert vermittelt werden. In den Ohren naiver Eltern tönen sie harmlos oder positiv, tatsächlich wird jedoch mit spitzen Pfeilen geschossen. Man bedient sich Sprechweisen, die einen Sachverhalt umnebeln statt benennen. Scheinbar kommuniziert man offen und ehrlich, effektiv bedient man sich Codes, um sich abzugrenzen und die eigenen Absichten zu verschleiern. In angelsächsischen Ländern wird dies teachers’ speech genannt. Nachfolgend das Glossar der gängigsten Floskeln.
«Sein Verhalten ist originell»
– Ein Satz, der viel zitiert wird. Mit ihm teilt die Lehrperson mit, dass der Sohn oder die Tochter den Unterricht ziemlich massiv stört. Er wird heute kaum mehr eingesetzt, da die meisten Eltern ihn durchschaut haben.
«Schön, dass Ihr Kind da ist»
– … aber das ist schon alles. Ihr Kind kann sich in der Klasse und gegenüber den Lehrpersonen nicht profilieren. Wir haben es fast nicht bemerkt, und es ist eigentlich ein Langweiler.
«Man merkt, dass er da ist»
– Es gibt ein Problem: Der Sohn macht Radau und bringt Unruhe in die Klasse. Das könnte sich zu einem Problem entwickeln. Als Vater oder Mutter muss man auf der Hut sein.
«Ihre Tochter orientiert sich an einem eigenen Zeitsystem»
– Könnte sie nicht endlich mal pünktlich zum Unterricht erscheinen? Von den Eltern wird erwartet, dass sie aktiv werden.
«Wir haben das im Team schon eingehend besprochen»
– Kommt dieser Satz, dann hat man als Vater oder Mutter keine Chance, sondern streicht am besten die Segel und gibt klein bei. Die Meinungen sind gemacht und Beschlüsse gefasst.
«Ich setze mich intensiv mit ihm/ihr auseinander»
– Dahinter steht oft eine Bankrotterklärung. Man weiss als Lehrperson nicht mehr weiter, ist am Ende seines Lateins. Der Schüler oder die Schülerin ist mit normalen pädagogischen Mitteln nicht erreich- und steuerbar.
«Und was meinst du?»
– Dieser Satz wird verwendet, wenn das Elterngespräch in Anwesenheit des Kindes oder Jugendlichen stattfindet. Scheinbar wird er oder sie eingeladen, offen seine oder ihre Ansicht mitzuteilen, und Lehrpersonen betonen, dass Kritik natürlich auch erwünscht sei. Wie soll sich jedoch ein zehnjähriger Knabe oder ein vierzehnjähriges Mädchen gegenüber einer Gruppe von sprachlich versierten Erwachsenen durchsetzen? Der Anpassungsdruck ist enorm und das sprachliche Kompetenzniveau ausserdem zu verschieden, als dass man sich als Schüler oder Schülerin effektiv einbringen könnte. Solche Fragen dienen oft nur der Gewissensberuhigung der Lehrperson, dass man demokratisch vorgegangen sei.
«Die Lernziele hat Ihre Tochter erreicht»
– Hier handelt es sich auch um einen Leersatz. Da die Lernziele meist individuell festgelegt werden und somit von Schüler zu Schüler anders sind, sagt er nicht viel aus. Vielleicht wurden die Lernziele bewusst ganz tief angesetzt? Wie sehen die Leistungen, verglichen mit dem Klassendurchschnitt, aus?
«Ihr Sohn hat grosse Freude an Auftritten»
<
– Bei Ihrem Sohn handelt es sich um einen Prahlhans. Er geniesst den grossen Auftritt und ist gern im Zentrum der Aufmerksamkeit. Für die Lehrpersonen ziemlich mühsam. Von den Eltern werden zusätzliche erzieherische Anstrengungen erwartet, um ihm das mühsame Verhalten auszutreiben.
«Ihr Sohn verhält sich als Einzelkämpfer»
– Mit anderen Worten: Er ist nicht teamfähig und sozial inkompetent. Möglicherweise handelt es sich gemäss Lehrersicht um einen Macho, dem man dringend das falsche Männerbild abtrainieren muss.
«Ihr Sohn hat Freude an Tönen und Geräuschen»
– Die Lehrperson versucht den Eltern mitzuteilen, dass ihr Sohn einfach zu laut ist und sich unflätig verhält. Wahrscheinlich denken die Lehrpersonen vor allem an Rülpsen, Schreien und Pfeifen.
«Wir möchten die Konfliktkompetenz Ihres Sohnes fördern»
<
– Ihr Sohn verhält sich aggressiv und uneinsichtig. Er ist für die Lehrpersonen ein grosses Problem. Wir wissen nicht, wie lange er noch in der Schule bleiben kann.
«Ihre Tochter bringt sich sehr dynamisch in die Klasse ein»
– Sie verhält sich als Primadonna. Sie bringt jedoch auch Leben in eine sonst eher fade Klasse.
«Ihre Tochter versteht es, zu vielen Mitschülern und Mitschülerinnen Kontakt zu pflegen»
– Im Klartext: Die Tochter ist eine Intrigantin. Sie mobbt andere Kinder und verhält sich egozentrisch.
<
«Ihre Tochter hat ein ausgeprägtes soziales Kontaktbedürfnis»
– Sie schwatzt während der Stunden und zeigt wenig Interesse am Schulstoff.
«Ihr Sohn hat ein Autoritätsproblem»
– Eigentlich will die Lehrperson den Eltern mitteilen, dass der Sohn die Lehrperson nicht respektiert. Man konnte sich nicht als Lehrperson gegenüber dem Schüler durchsetzen.
«Wichtig ist, dass man am gleichen Strick zieht»
– Ein alter Trick. Man beruft sich auf einen grundsätzlichen Leitsatz, wenn man das Gegenüber mundtot machen will. Effektiv teilt einem die Lehrperson mit, dass man auf keinen Fall Einspruch gegen ihren Unterrichtsstil erheben oder Kritik daran ausüben darf. Eine Diskussion ist nicht erwünscht!
«Ihr Sohn hat grosses Verbesserungspotenzial»
– Damit ist gemeint, dass der Sohn effektiv ein grosses Problem darstellt. Sein Verhalten in der Klasse ist unmöglich. Wahrscheinlich benimmt er sich unflätig, frech und gehorcht nicht.
«Mir ist wichtig, dass wir heute über alle Themen sprechen»
– Dieser Satz wird eingesetzt, um Eltern zu verwirren. Jeder Vater und jede Mutter weiss, dass man nie über alle Themen sprechen kann. Kann man der Lehrerin mitteilen, dass sich die Tochter über die Reiseberichte ihrer Lehrerin ärgert? Dass man das Gefühl hat, sie leide unter einem Burnout? Mit dem Satz teilen die Lehrpersonen den Eltern eigentlich mit, dass sie heikle Themen gefälligst nicht auf den Tisch bringen sollen.
«Es ist erwiesen, dass …»
– Kommt dieser Satz, dann muss man auf Alarmstufe Rot schalten. Wenn eine Lehrperson beginnt, sich auf wissenschaftliche Fakten zu berufen, oder sogar von evidence-based spricht, dann ist der Kampf eröffnet. Die wissenschaftlichen Fakten suggerieren Objektivität und sollen den Eltern verunmöglichen, Gegenargumente einzubringen.
«Meine Kollegen, ich und die Schulleitung sind uns einig»
– Dieser Satz ist richtig gemein! Als Vater oder Mutter kann man nichts mehr einwenden, man ist zum Befehlsempfänger degradiert worden. Der Satz wird gebraucht, wenn man Macht demonstrieren und die Eltern einschüchtern will.
«Es gibt gute Privatschulen, die auf die Bedürfnisse Ihres Sohnes eingehen können»
– In gewissen Schulhäusern herrscht die Praxis, dass man bei Schulschwierigkeiten eines Kindes Privatschulen vorschlägt. Teilt einem eine Lehrperson diesen Satz mit, dann hat sie das Kind aufgegeben und möchte es so rasch wie möglich loswerden. Als Vater oder Mutter sollte man möglichst rasch eine Privatschule suchen! In einigen Gemeinden erfolgt der Hinweis «Es gibt gute Privatschulen» fast routinemässig.
«Ich möchte Ihnen meinen ganz persönlichen Eindruck schildern»
– Die Lehrperson hat einen Kommunikationskurs besucht und weiss, dass Ich-Botschaften sich besser eignen, unangenehme Mitteilungen zu machen. Indem man etwas als persönliche Auffassung deklariert, wird man weniger angreifbar.
«Es geschieht zum Wohl Ihres Kindes»
– Ein Standardargument, doch eigentlich reine Rhetorik. Welche Schule gibt schon zu, dass eine Massnahme dem Kind schadet? Wenn dieser Satz kommt, dann muss man aufpassen. Die Lehrpersonen planen den Ausschluss des Schülers, eine Repetition oder eine psychiatrische Massnahme.
«Ihr Kind fällt durch Spielfreude auf!»
– Was hat es noch in der Schule zu suchen? Im Schulunterricht selber ist es für wenig zu gebrauchen.
«Ich verstehe Sie ganz gut …»
– Eine weitverbreitete Einleitungsformel, mit der man Einwände von Eltern abblocken will und anschliessend auf der eigenen Ansicht beharrt. In Wirklichkeit versteht die Lehrperson die Eltern nicht.
«Wie halten Sie es mit dem Internet?»
– Die Lehrpersonen hegen den Verdacht, dass der Sohn oder die Tochter internetsüchtig ist, sich Sex- und Gewaltfilme anschaut und die Nacht durchgamet.
«Wissen Sie, bei uns in der Schweiz ist das Kind sein eigener Lernmanager»
– Dieser Satz eignet sich gegenüber ausländischen Eltern. Subtil kann man als Lehrperson darauf hinweisen, dass ihre Ansichten zur Schule nicht mit den unsrigen kompatibel sind. Man entzieht den ausländischen Eltern die Kompetenz mitzureden.
«Uns regt das Verhalten nicht auf, doch wegen den anderen Eltern müssen wir etwas unternehmen»
– Auf die anwesende Mutter oder den anwesenden Vater soll spezieller Druck ausgeübt werden. Der Satz ist raffiniert, weil man als Lehrperson die eigenen Bedenken und Aggressionen hinter den scheinbaren Anliegen anderer Eltern verbergen kann.
«Beim Netzwerkgespräch mit dem Team haben wir alle feststellen müssen … »
– Teams geben einem die Möglichkeit, eine private Meinung zu objektivieren. Wenn im Netzwerkgespräch alle der gleichen Auffassung sind, dann darf man als Vater oder Mutter nichts mehr kritisieren. Effektiv irren sich jedoch Teams genauso wie Einzelpersonen.
«Es gibt da einen ganz guten Fachmann»
– Super! Das eigene Kind wird damit zu einem Fall erklärt. Der eigene Sohn oder die eigene Tochter hat ein bestimmtes Defizit, ist gestört und braucht darum dringend eine Behandlung.
«Und wie geht es eigentlich zu Hause?»
– Diese Frage wird oft zu Beginn eines Gespräches gestellt und deutet auf nichts Gutes hin. Die Lehrpersonen vermuten, dass das Verhalten in der Schule mit familiären Problemen zusammenhängt: Alkoholismus, Scheidung, Gewalt. Wahrscheinlich wurde an Sitzungen und Supervisionen schon eifrig darüber diskutiert, und nun wird versucht, Hypothesen zu verifizieren.
«Mich stört es nicht, doch in unserem Schulhaus herrscht Zero Tolerance!»
– Mit solchen Sätzen wird ausgedrückt, dass das Verhalten des Sohnes oder der Tochter inakzeptabel ist. Er oder sie benimmt sich gemäss Lehrperson schlimm, aggressiv und ist in der Klasse nicht tragbar. Dank einem gemeinsamen Wert kann man jedoch den Eltern vorgaukeln, dass man persönlich anders denkt.
«In der Projektwoche haben wir abgemacht, dass wir ein gewaltfreies Schulhaus sind»
– Eine interessante Argumentation. Man beschliesst im Rahmen einer Friedenswoche, dass Gewalt nicht toleriert wird, damit man bei Konflikten kompromissloser auftreten kann und auf einen Schüler oder eine Schülerin eingehen muss. Der Schüler wird dem Image der Schule geopfert.
«Wir hatten ja grosse Geduld mit Ihrem Sohn»
– Eigentlich will die Lehrperson sagen, dass sie keine Geduld, genug vom Kind hat und es am liebsten von der Schule relegieren würde.
«Ich möchte mit Ihnen ganz ehrlich und offen sein»
– Wenn dieser Satz ertönt, gilt es, auf der Lauer zu sein. Entweder kommt eine ganz schlimme Nachricht, oder aber die Lehrperson will effektiv etwas verbergen.
«Ich habe ja grosses Verständnis für das spontane Mitteilungsbedürfnis Ihrer Tochter»
– Die Lehrperson will sagen, dass das Mädchen eine rechte Nervensäge ist, konstant durch Dreinreden den Unterricht stört, unter unkontrollierbarem Redefluss leidet.
«Ich muss noch zwanzig andere Kinder unterrichten!»
– Damit will die Lehrperson sagen, dass man ihr wenig Verständnis entgegenbringt. Fragen, Bemerkungen oder Forderungen sollen gefälligst unterbleiben.
«Es freut mich, dass wir einen Termin gefunden haben»
– Wird gerne bei Beginn eines Gespräches eingesetzt. Der Satz weist auf nichts Gutes hin. Die Lehrperson erhofft sich vom Gespräch die Lösung eines Problems in der Schule. Ziemlich sicher wird man mit Forderungen der Lehrpersonen konfrontiert, die man nicht erfüllen kann.
«Ihrer Tochter stehen immer noch viele Wege offen!»
– Wenn eine schulische Möglichkeit entfällt, dem eigenen Kind weniger schulische Optionen offenstehen werden, dann wird natürlich das Gegenteil behauptet.
«Intellektuell ist Ihr Sohn herausgefordert»
– Früher sprach man einfach von Dummheit.
«Haben Sie eine Haftpflichtversicherung?»
– Eine Haftpflichtversicherung schliesst man vor allem bei Söhnen mit Vorteil bei Schuleintritt ab, damit man für diese Frage gewappnet ist.
«Wir haben Ihren Sohn ja sehr gern und schätzen seine Art»
– … aber er passt nicht in die Schule. Sein Persönlichkeitsprofil entspricht nicht dem Standard, an dem wir uns orientieren. Er hat entweder eine zu grosse Eigensteuerung, mangelndes Interesse am Unterricht oder erbringt seine Leistungen nicht.
«Ihr Sohn hat eine eindrucksvolle Veränderungsresistenz»
– Mit anderen Worten: Der Junge ist äusserst mühsam, unerträglich, und man möchte ihn am liebsten in ein Erziehungsheim stecken.
«Wir stellen an Ihrem Kind Verbesserungspotenzial fest»
– Damit wird ausgedrückt, dass man den Sohn oder die Tochter nicht ganz aufgegeben hat. Die Situation ist zwar schlimm, doch noch nicht ganz verloren.
«Ihre Tochter hat ein aussergewöhnliches Kommunikationsverhalten»
– Sie spricht und redet überall, unterhält sich permanent mit der Banknachbarin und streut Gerüchte
.
«Die Chancen sind durchaus intakt»
– . . .sind sie ziemlich sicher nicht. Die Eltern sollen sich auf eine schulische Katastrophe vorbereiten.
«Wir rechnen voll mit Ihrer Unterstützung»
– Bei diesem Satz handelt es sich um eine versteckte Erpressung. Man fordert von vornherein von den Eltern bedingungslose Akzeptanz.
«Ihr Sohn kann seine Emotionen gut ausdrücken»
– Wahrscheinlich ist er aufbrausend und hat seine Affekte nicht unter Kontrolle. Er droht zu einem Problemfall zu werden.
«Wir arbeiten an seiner Lebenskompetenz»
– Wenn die Lehrpersonen die Lebenskompetenz ins Spiel bringen, dann sieht die schulische Situation nicht gut aus. Die Gesamtpersönlichkeit des Kindes wird als gestört empfunden, die Lehrpersonen müssen sich anstrengen, damit seine Präsenz im schulischen Rahmen überhaupt noch ertragbar ist.
«Seine Sozialkompetenz ist entwicklungsfähig»
– Sozialkompetenz ist heute der magische Begriff, der es den Lehrpersonen erlaubt, jede Eigenschaft und Verhaltensweise eines Schülers oder einer Schülerin zu kritisieren. Dreinreden, Provokationen, keine Gefühle zeigen, die Berichtsprache, unanständige Witze, männliche Begrüssungsformen, Rennen in den Gängen, Schadenfreude: Solche und andere verbreitete und normale Verhaltensweisen werden in der Schule als soziale Inkompetenz bezeichnet.
«Ihr Sohn ist sehr eigenständig»
– Der Verdacht besteht, dass die Lehrpersonen damit ausdrücken wollen, dass er nicht teamfähig ist.
K+K hilft den Lehrkräften im Alltag klar, unmissverständlich - ohne zu verletzen - so zu sprechen, dass die Aussage eindeutig ist und von den Eltern verstanden wird.
Von Lehrpersonen wird erwartet, dass sie im klärenden Gespräch einen Konsens im Sinne der Schule erreichen. Man redet, doch eigentlich ist klar, was man will, und der Entscheidungsspielraum klein. Die Folge: In der Kommunikation wird der Sachverhalt verschleiert. Lehrpersonen müssen sich vor harscher Kritik und Gegenwehr der Eltern schützen, verhindern, dass diese den Schulunterricht bestimmen oder ihrem Anwalt telefonieren. Um sich zu schützen, haben sie Sprechweisen entwickelt, durch die Botschaften verklausuliert vermittelt werden. In den Ohren naiver Eltern tönen sie harmlos oder positiv, tatsächlich wird jedoch mit spitzen Pfeilen geschossen. Man bedient sich Sprechweisen, die einen Sachverhalt umnebeln statt benennen. Scheinbar kommuniziert man offen und ehrlich, effektiv bedient man sich Codes, um sich abzugrenzen und die eigenen Absichten zu verschleiern. In angelsächsischen Ländern wird dies teachers’ speech genannt. Nachfolgend das Glossar der gängigsten Floskeln.
«Sein Verhalten ist originell»
– Ein Satz, der viel zitiert wird. Mit ihm teilt die Lehrperson mit, dass der Sohn oder die Tochter den Unterricht ziemlich massiv stört. Er wird heute kaum mehr eingesetzt, da die meisten Eltern ihn durchschaut haben.
«Schön, dass Ihr Kind da ist»
– … aber das ist schon alles. Ihr Kind kann sich in der Klasse und gegenüber den Lehrpersonen nicht profilieren. Wir haben es fast nicht bemerkt, und es ist eigentlich ein Langweiler.
«Man merkt, dass er da ist»
– Es gibt ein Problem: Der Sohn macht Radau und bringt Unruhe in die Klasse. Das könnte sich zu einem Problem entwickeln. Als Vater oder Mutter muss man auf der Hut sein.
«Ihre Tochter orientiert sich an einem eigenen Zeitsystem»
– Könnte sie nicht endlich mal pünktlich zum Unterricht erscheinen? Von den Eltern wird erwartet, dass sie aktiv werden.
«Wir haben das im Team schon eingehend besprochen»
– Kommt dieser Satz, dann hat man als Vater oder Mutter keine Chance, sondern streicht am besten die Segel und gibt klein bei. Die Meinungen sind gemacht und Beschlüsse gefasst.
«Ich setze mich intensiv mit ihm/ihr auseinander»
– Dahinter steht oft eine Bankrotterklärung. Man weiss als Lehrperson nicht mehr weiter, ist am Ende seines Lateins. Der Schüler oder die Schülerin ist mit normalen pädagogischen Mitteln nicht erreich- und steuerbar.
«Und was meinst du?»
– Dieser Satz wird verwendet, wenn das Elterngespräch in Anwesenheit des Kindes oder Jugendlichen stattfindet. Scheinbar wird er oder sie eingeladen, offen seine oder ihre Ansicht mitzuteilen, und Lehrpersonen betonen, dass Kritik natürlich auch erwünscht sei. Wie soll sich jedoch ein zehnjähriger Knabe oder ein vierzehnjähriges Mädchen gegenüber einer Gruppe von sprachlich versierten Erwachsenen durchsetzen? Der Anpassungsdruck ist enorm und das sprachliche Kompetenzniveau ausserdem zu verschieden, als dass man sich als Schüler oder Schülerin effektiv einbringen könnte. Solche Fragen dienen oft nur der Gewissensberuhigung der Lehrperson, dass man demokratisch vorgegangen sei.
«Die Lernziele hat Ihre Tochter erreicht»
– Hier handelt es sich auch um einen Leersatz. Da die Lernziele meist individuell festgelegt werden und somit von Schüler zu Schüler anders sind, sagt er nicht viel aus. Vielleicht wurden die Lernziele bewusst ganz tief angesetzt? Wie sehen die Leistungen, verglichen mit dem Klassendurchschnitt, aus?
«Ihr Sohn hat grosse Freude an Auftritten»
<
– Bei Ihrem Sohn handelt es sich um einen Prahlhans. Er geniesst den grossen Auftritt und ist gern im Zentrum der Aufmerksamkeit. Für die Lehrpersonen ziemlich mühsam. Von den Eltern werden zusätzliche erzieherische Anstrengungen erwartet, um ihm das mühsame Verhalten auszutreiben.
«Ihr Sohn verhält sich als Einzelkämpfer»
– Mit anderen Worten: Er ist nicht teamfähig und sozial inkompetent. Möglicherweise handelt es sich gemäss Lehrersicht um einen Macho, dem man dringend das falsche Männerbild abtrainieren muss.
«Ihr Sohn hat Freude an Tönen und Geräuschen»
– Die Lehrperson versucht den Eltern mitzuteilen, dass ihr Sohn einfach zu laut ist und sich unflätig verhält. Wahrscheinlich denken die Lehrpersonen vor allem an Rülpsen, Schreien und Pfeifen.
«Wir möchten die Konfliktkompetenz Ihres Sohnes fördern»
<
– Ihr Sohn verhält sich aggressiv und uneinsichtig. Er ist für die Lehrpersonen ein grosses Problem. Wir wissen nicht, wie lange er noch in der Schule bleiben kann.
«Ihre Tochter bringt sich sehr dynamisch in die Klasse ein»
– Sie verhält sich als Primadonna. Sie bringt jedoch auch Leben in eine sonst eher fade Klasse.
«Ihre Tochter versteht es, zu vielen Mitschülern und Mitschülerinnen Kontakt zu pflegen»
– Im Klartext: Die Tochter ist eine Intrigantin. Sie mobbt andere Kinder und verhält sich egozentrisch.
<
«Ihre Tochter hat ein ausgeprägtes soziales Kontaktbedürfnis»
– Sie schwatzt während der Stunden und zeigt wenig Interesse am Schulstoff.
«Ihr Sohn hat ein Autoritätsproblem»
– Eigentlich will die Lehrperson den Eltern mitteilen, dass der Sohn die Lehrperson nicht respektiert. Man konnte sich nicht als Lehrperson gegenüber dem Schüler durchsetzen.
«Wichtig ist, dass man am gleichen Strick zieht»
– Ein alter Trick. Man beruft sich auf einen grundsätzlichen Leitsatz, wenn man das Gegenüber mundtot machen will. Effektiv teilt einem die Lehrperson mit, dass man auf keinen Fall Einspruch gegen ihren Unterrichtsstil erheben oder Kritik daran ausüben darf. Eine Diskussion ist nicht erwünscht!
«Ihr Sohn hat grosses Verbesserungspotenzial»
– Damit ist gemeint, dass der Sohn effektiv ein grosses Problem darstellt. Sein Verhalten in der Klasse ist unmöglich. Wahrscheinlich benimmt er sich unflätig, frech und gehorcht nicht.
«Mir ist wichtig, dass wir heute über alle Themen sprechen»
– Dieser Satz wird eingesetzt, um Eltern zu verwirren. Jeder Vater und jede Mutter weiss, dass man nie über alle Themen sprechen kann. Kann man der Lehrerin mitteilen, dass sich die Tochter über die Reiseberichte ihrer Lehrerin ärgert? Dass man das Gefühl hat, sie leide unter einem Burnout? Mit dem Satz teilen die Lehrpersonen den Eltern eigentlich mit, dass sie heikle Themen gefälligst nicht auf den Tisch bringen sollen.
«Es ist erwiesen, dass …»
– Kommt dieser Satz, dann muss man auf Alarmstufe Rot schalten. Wenn eine Lehrperson beginnt, sich auf wissenschaftliche Fakten zu berufen, oder sogar von evidence-based spricht, dann ist der Kampf eröffnet. Die wissenschaftlichen Fakten suggerieren Objektivität und sollen den Eltern verunmöglichen, Gegenargumente einzubringen.
«Meine Kollegen, ich und die Schulleitung sind uns einig»
– Dieser Satz ist richtig gemein! Als Vater oder Mutter kann man nichts mehr einwenden, man ist zum Befehlsempfänger degradiert worden. Der Satz wird gebraucht, wenn man Macht demonstrieren und die Eltern einschüchtern will.
«Es gibt gute Privatschulen, die auf die Bedürfnisse Ihres Sohnes eingehen können»
– In gewissen Schulhäusern herrscht die Praxis, dass man bei Schulschwierigkeiten eines Kindes Privatschulen vorschlägt. Teilt einem eine Lehrperson diesen Satz mit, dann hat sie das Kind aufgegeben und möchte es so rasch wie möglich loswerden. Als Vater oder Mutter sollte man möglichst rasch eine Privatschule suchen! In einigen Gemeinden erfolgt der Hinweis «Es gibt gute Privatschulen» fast routinemässig.
«Ich möchte Ihnen meinen ganz persönlichen Eindruck schildern»
– Die Lehrperson hat einen Kommunikationskurs besucht und weiss, dass Ich-Botschaften sich besser eignen, unangenehme Mitteilungen zu machen. Indem man etwas als persönliche Auffassung deklariert, wird man weniger angreifbar.
«Es geschieht zum Wohl Ihres Kindes»
– Ein Standardargument, doch eigentlich reine Rhetorik. Welche Schule gibt schon zu, dass eine Massnahme dem Kind schadet? Wenn dieser Satz kommt, dann muss man aufpassen. Die Lehrpersonen planen den Ausschluss des Schülers, eine Repetition oder eine psychiatrische Massnahme.
«Ihr Kind fällt durch Spielfreude auf!»
– Was hat es noch in der Schule zu suchen? Im Schulunterricht selber ist es für wenig zu gebrauchen.
«Ich verstehe Sie ganz gut …»
– Eine weitverbreitete Einleitungsformel, mit der man Einwände von Eltern abblocken will und anschliessend auf der eigenen Ansicht beharrt. In Wirklichkeit versteht die Lehrperson die Eltern nicht.
«Wie halten Sie es mit dem Internet?»
– Die Lehrpersonen hegen den Verdacht, dass der Sohn oder die Tochter internetsüchtig ist, sich Sex- und Gewaltfilme anschaut und die Nacht durchgamet.
«Wissen Sie, bei uns in der Schweiz ist das Kind sein eigener Lernmanager»
– Dieser Satz eignet sich gegenüber ausländischen Eltern. Subtil kann man als Lehrperson darauf hinweisen, dass ihre Ansichten zur Schule nicht mit den unsrigen kompatibel sind. Man entzieht den ausländischen Eltern die Kompetenz mitzureden.
«Uns regt das Verhalten nicht auf, doch wegen den anderen Eltern müssen wir etwas unternehmen»
– Auf die anwesende Mutter oder den anwesenden Vater soll spezieller Druck ausgeübt werden. Der Satz ist raffiniert, weil man als Lehrperson die eigenen Bedenken und Aggressionen hinter den scheinbaren Anliegen anderer Eltern verbergen kann.
«Beim Netzwerkgespräch mit dem Team haben wir alle feststellen müssen … »
– Teams geben einem die Möglichkeit, eine private Meinung zu objektivieren. Wenn im Netzwerkgespräch alle der gleichen Auffassung sind, dann darf man als Vater oder Mutter nichts mehr kritisieren. Effektiv irren sich jedoch Teams genauso wie Einzelpersonen.
«Es gibt da einen ganz guten Fachmann»
– Super! Das eigene Kind wird damit zu einem Fall erklärt. Der eigene Sohn oder die eigene Tochter hat ein bestimmtes Defizit, ist gestört und braucht darum dringend eine Behandlung.
«Und wie geht es eigentlich zu Hause?»
– Diese Frage wird oft zu Beginn eines Gespräches gestellt und deutet auf nichts Gutes hin. Die Lehrpersonen vermuten, dass das Verhalten in der Schule mit familiären Problemen zusammenhängt: Alkoholismus, Scheidung, Gewalt. Wahrscheinlich wurde an Sitzungen und Supervisionen schon eifrig darüber diskutiert, und nun wird versucht, Hypothesen zu verifizieren.
«Mich stört es nicht, doch in unserem Schulhaus herrscht Zero Tolerance!»
– Mit solchen Sätzen wird ausgedrückt, dass das Verhalten des Sohnes oder der Tochter inakzeptabel ist. Er oder sie benimmt sich gemäss Lehrperson schlimm, aggressiv und ist in der Klasse nicht tragbar. Dank einem gemeinsamen Wert kann man jedoch den Eltern vorgaukeln, dass man persönlich anders denkt.
«In der Projektwoche haben wir abgemacht, dass wir ein gewaltfreies Schulhaus sind»
– Eine interessante Argumentation. Man beschliesst im Rahmen einer Friedenswoche, dass Gewalt nicht toleriert wird, damit man bei Konflikten kompromissloser auftreten kann und auf einen Schüler oder eine Schülerin eingehen muss. Der Schüler wird dem Image der Schule geopfert.
«Wir hatten ja grosse Geduld mit Ihrem Sohn»
– Eigentlich will die Lehrperson sagen, dass sie keine Geduld, genug vom Kind hat und es am liebsten von der Schule relegieren würde.
«Ich möchte mit Ihnen ganz ehrlich und offen sein»
– Wenn dieser Satz ertönt, gilt es, auf der Lauer zu sein. Entweder kommt eine ganz schlimme Nachricht, oder aber die Lehrperson will effektiv etwas verbergen.
«Ich habe ja grosses Verständnis für das spontane Mitteilungsbedürfnis Ihrer Tochter»
– Die Lehrperson will sagen, dass das Mädchen eine rechte Nervensäge ist, konstant durch Dreinreden den Unterricht stört, unter unkontrollierbarem Redefluss leidet.
«Ich muss noch zwanzig andere Kinder unterrichten!»
– Damit will die Lehrperson sagen, dass man ihr wenig Verständnis entgegenbringt. Fragen, Bemerkungen oder Forderungen sollen gefälligst unterbleiben.
«Es freut mich, dass wir einen Termin gefunden haben»
– Wird gerne bei Beginn eines Gespräches eingesetzt. Der Satz weist auf nichts Gutes hin. Die Lehrperson erhofft sich vom Gespräch die Lösung eines Problems in der Schule. Ziemlich sicher wird man mit Forderungen der Lehrpersonen konfrontiert, die man nicht erfüllen kann.
«Ihrer Tochter stehen immer noch viele Wege offen!»
– Wenn eine schulische Möglichkeit entfällt, dem eigenen Kind weniger schulische Optionen offenstehen werden, dann wird natürlich das Gegenteil behauptet.
«Intellektuell ist Ihr Sohn herausgefordert»
– Früher sprach man einfach von Dummheit.
«Haben Sie eine Haftpflichtversicherung?»
– Eine Haftpflichtversicherung schliesst man vor allem bei Söhnen mit Vorteil bei Schuleintritt ab, damit man für diese Frage gewappnet ist.
«Wir haben Ihren Sohn ja sehr gern und schätzen seine Art»
– … aber er passt nicht in die Schule. Sein Persönlichkeitsprofil entspricht nicht dem Standard, an dem wir uns orientieren. Er hat entweder eine zu grosse Eigensteuerung, mangelndes Interesse am Unterricht oder erbringt seine Leistungen nicht.
«Ihr Sohn hat eine eindrucksvolle Veränderungsresistenz»
– Mit anderen Worten: Der Junge ist äusserst mühsam, unerträglich, und man möchte ihn am liebsten in ein Erziehungsheim stecken.
«Wir stellen an Ihrem Kind Verbesserungspotenzial fest»
– Damit wird ausgedrückt, dass man den Sohn oder die Tochter nicht ganz aufgegeben hat. Die Situation ist zwar schlimm, doch noch nicht ganz verloren.
«Ihre Tochter hat ein aussergewöhnliches Kommunikationsverhalten»
– Sie spricht und redet überall, unterhält sich permanent mit der Banknachbarin und streut Gerüchte
.
«Die Chancen sind durchaus intakt»
– . . .sind sie ziemlich sicher nicht. Die Eltern sollen sich auf eine schulische Katastrophe vorbereiten.
«Wir rechnen voll mit Ihrer Unterstützung»
– Bei diesem Satz handelt es sich um eine versteckte Erpressung. Man fordert von vornherein von den Eltern bedingungslose Akzeptanz.
«Ihr Sohn kann seine Emotionen gut ausdrücken»
– Wahrscheinlich ist er aufbrausend und hat seine Affekte nicht unter Kontrolle. Er droht zu einem Problemfall zu werden.
«Wir arbeiten an seiner Lebenskompetenz»
– Wenn die Lehrpersonen die Lebenskompetenz ins Spiel bringen, dann sieht die schulische Situation nicht gut aus. Die Gesamtpersönlichkeit des Kindes wird als gestört empfunden, die Lehrpersonen müssen sich anstrengen, damit seine Präsenz im schulischen Rahmen überhaupt noch ertragbar ist.
«Seine Sozialkompetenz ist entwicklungsfähig»
– Sozialkompetenz ist heute der magische Begriff, der es den Lehrpersonen erlaubt, jede Eigenschaft und Verhaltensweise eines Schülers oder einer Schülerin zu kritisieren. Dreinreden, Provokationen, keine Gefühle zeigen, die Berichtsprache, unanständige Witze, männliche Begrüssungsformen, Rennen in den Gängen, Schadenfreude: Solche und andere verbreitete und normale Verhaltensweisen werden in der Schule als soziale Inkompetenz bezeichnet.
«Ihr Sohn ist sehr eigenständig»
– Der Verdacht besteht, dass die Lehrpersonen damit ausdrücken wollen, dass er nicht teamfähig ist.
FAZIT: