Dienstag, 5. Juni 2012

 













AUSREDEN



Ausreden sind im Grunde genommen Schutzbehauptungen. Die unwahre Ausrede dient dazu, sich aus der Schuld zu reden, sich zu rechtfertigen. Wir entziehen uns einer Schuld. Es geht  darum, etwas zu verschweigen, sich herAUS zu reden,  einen unangenehmen Sachverhalt ins besser Licht zu rücken. Der Gesichtsverlust soll vermieden werden, weil der wirkliche Grund unangenehme Folgen haben könnte. Mit der Ausrede erhoffen wir uns den Schutz vor negativen Folgen.





Weshalb benutzen wir  Ausreden?




Ich gehe davon aus, dass jeder Mensch im Leben gelegentlich Ausreden benutzt hat. Das Schamgefühl kann ihn dazu getrieben haben. Man will Rücksicht nehmen auf die Gefühle anderer oder möchte kein Geschirr zerschlagen. Wir möchten anderen nicht weh tun. Mitunter erfolgen Ausreden aus Höflichkeit. Man will dem Gegenüber eine Enttäuschung ersparen. Deshalb werden unangenehme Sachverhalten bewusst verschleiert.


Vielleicht möchten wir unser Leben auch selbst bestimmen.
Wir ängstigen uns vielleicht vor den Folgen der Wahrheit, vor einer Strafe oder einem Imageschaden (Ruf).

Die Ausrede bringt uns weitere Vorteile:

Wir können uns nicht nur schützen und das Gesicht wahren.
Uns wird möglicherweise sogar eine Strafe erlassen. Wir können allfällige Imageschäden verhindern und müssen uns weniger ärgern.  Langwierige Diskussionen über den tatsächlichen Sachverhalt können vermieden werden.
Wir riskieren keine gravierende Folgen unseres Tuns.
Dennoch müssen wir uns stets bewusst sein, dass wir mit einer Ausrede meist erkennen lassen, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte.



Erfahrungen aus der Praxis als Coach und Berater:



Mit der Offenheit und dem Zugeständnis (Mea culpa) lassen sich oft Situationen schneller entspannen, als mit billigen Ausreden. Der Polizeikommandant im Kanton Aargau, der bei einer Geschwindigkeitskontrolle ertappt wurde, kam nach dem Eingeständnis bei der Bevölkerung recht gut weg.

Ich hatte einmal als Präsident der Volkshochschule einen wichtigen Termin bei der Regierung verpasst. Ich verzichtete auf eine Ausrede und habe mich für den Fehler angemessen entschuldigt. Die Subventionen wurden  uns trotz des Patzers gewährt.

Es gibt auch zulässige Ausreden: Ich denke an Aerzte, die einen todkranken Menschen informieren müssen. Vielleicht will der Patient die Wahrheit gar nicht wissen. Es könnte je nach Situation so sein, dass die ungeschminkte Information in gewissen Fällen psychosomatische Schäden verstärken.

Mein Ziehvater im Psychologiestudium  vertrat sogar die Meinung, eine gute Ausrede sei besser, als eine Ehe zu zerstören.
Für ihn galten folgende Kriterien:

Der Schaden der Ausrede muss kleiner sein, als der Schaden der Wahrheit.

Die Absicht der Ausrede war für den Dozenten massgebend:
Geht es um eine Ausrede für einen guten Zweck? Man möchte eine Person nicht vor den Kopf stossen? Für ihn war folgende Frage zentral wichtig.


Ist mit der Ausrede eine böse Absicht verbunden?

Uebrigens: Ausreden und Lügen sind verwandt.

Standards von Ausreden, die nicht bewiesen werden können:

Dazu gehören Schmerzen. wie Kopfschmerzen, Migräne, Unwohlsein.

Ich habe von einem Chefarzt erfahren, dass man Schmerzen sehr schlecht nachweisen kann.

Einem Arzt oder Vorgesetzten ist es kaum möglich, die Ausrede
"Ich hatte starke Schmerzen" widerlegen kann.

Polizisten, Zöllner, Lehrkräfte könnten Bücher füllen, mit Ausreden, die im Alltag aufgetischt werden.


BEISPIELE aus der Praxis:





POLITIK:

Ein gutes Beispiel ist der Blackout von Helmut Kohl bei den Angaben zu den geforderten Zahlen der Kredite:
"Ich erinnere mich nicht mehr!" lautete seine Ausrede.

Putin fehlte an der wichtigen G8 Konferenz mit der Ausrede:
Er müsse noch das neue Kabinett zusammenstellen.

ZOLL

Im Gepäck werden Drogen entdeckt.
Häufige Ausrede: Das muss mir jemand heimlich ins Gepäck deponiert haben.

LEHRMEISTER

Verbreitet ist die Ausrede in der Praxis.

"Ich habe gemeint,..."





IN DER SCHULE

Ich habe es nicht verstanden (versteckter Vorwurf: Es wurde schlecht erklärt)




Im Grunde genommen benötigen Politiker kaum Ausreden, weil sie sich in den Antworten selten konkret festlegen. Sie pflegen die Quassel-, Politiker- oder Airbagrhetorik.








 Voraussetzung "glaubwürdiger" AUSREDEN:

Aehnlich wie beim Lügen haben Menschen mit ihren Ausreden mehr Erfolg, wenn Sie:

- Ein gutes Gedächtnis haben

- Die Ausrede, die sie sagen glauben, d.h. verinnerlicht haben (Einstellung ist massgebend)

- Gerne Theater spielen

- Wenn die Situation stimmen könnte. Die Ausrede "Ich war im Stau" fällt wie ein Kartenhaus zusammen, wenn man die Person an einem anderen Ort gesehen hat.

So wie das Lügen, so kommt jemand ungeschorener davon, der die Konfrontation mit dem Befrager trainiert. (Ich verweise auf Clinton, der glaubwürdig lügen gelernt hat in der Affaire mit MONIKA)

Es ist aufwändiger, überzeugend lügen zu lernen, als die Wahrheit zu sagen.



Zur Einstimmung in die Thematik "faule Ausreden", nachfolgend ein konstruierter Dialog:


Polizist: Blasen Sie in das Röhrchen!


Autofahrer: Geht nicht. Ich habe Asthma.


P: Kommen Sie mit zur Blutprobe!


A: Geht nicht, bin Bluter.


P: Dann gehen Sie auf dieser Linie!


A: Geht nicht, bin betrunken.

Hier noch ein Text aus einem BLOG:


Lauter faule Ausreden

Oh ja, ich weiss, heutzutage ist man verständnisvoll und tolerant. Dagegen habe ich ja grundsätzlich nichts einzuwenden, und doch habe ich es zuweilen gründlich satt, stets alles mit verständnisvollem Blick abzunicken. “Aber natürlich verstehe ich, dass Ihre Tochter kein Vollkornbrot essen kann, wo sie doch als Kleinkind einmal ein traumatisches Erlebnis mit einem Kernenbrötchen hatte.”  Selbstverständlich ist es okay, dass du nicht zu dieser Sitzung kommst, wo du doch nachweislich allergisch bist auf das Material, aus dem die Stühle sind, auf denen wir jeweils sitzen.” “Ist doch klar, dass du keine schweren Einkaufstaschen mehr schleppen magst. Du hast dich ja jetzt dazu entschieden, schwanger zu werden und da kann man nicht früh genug anfangen, sich zu schonen.” “Nein, ich nehme es Ihnen bestimmt nicht übel, dass Sie unsere Autotüre eingedrückt haben. Wenn ich ein schwer kranken Meerschweinchen hätte, könnte ich mich auch nicht mehr auf den Strassenverkehr konzentrieren.” “Aber natürlich war es richtig, deinen Mann vor die Tür zu setzen. Jemand, der so grässlich schmatzt, hat nichts Besseres verdient.”
Meine Beispiele sind natürlich vollkommen aus der Luft gegriffen und haben nicht im Entferntesten mit meinem Erleben im Alltag zu tun. Ich bin ja nicht so blöd, an dieser Stelle jemandem aus meinem Umfeld auf die Zehen zu treten und dann bei der nächsten Gelegenheit zu hören: “Weisst du, dein Blogeintrag hat mich so sehr verletzt, dass ich eine panische Angst vor dem Internet entwickelt habe. Darum kann ich jetzt auch keine Mails mehr beantworten. Das verstehst du doch, nicht wahr?”
Das Schlimmste sind nicht mal die erbärmlichen Begründungen, die da für jede Unpässlichkeit, Unlust und Unmoral aufgetischt werden. Nein, das Schlimmste ist, dass ich tatsächlich jedes Mal nett und verständnisvoll nicke, anstatt klipp und klar zu sagen, wie sehr es mich nervt, wenn die Leute bei jeder Gelegenheit eine Allergie, ein Trauma, eine Krise oder weiss ich was aus dem Hut zaubern, um sich aus der Verantwortung stehlen. Dann doch lieber so, wie mal ein ehemaliges Au Pair zu mir sagte: “Weisst du, ich habe absolut keinen Bock auf Arbeit morgen. Kannst du mir nicht frei geben?” Da konnte ich wenigsten rundheraus zur Antwort geben: “Mädchen, mit dieser Einstellung findest du nie einen anständig bezahlten Job, also reiss dich gefälligst zusammen. Du hast übermorgen noch genügend Zeit zum Shoppen.”
Es gibt berechtigte Ausreden und fragwürdige Ausreden. Die besten faulen Ausreden werden im Internet gesammelt. Hier ein paar Beispiele:



Quelle: Faule-ausreden.de


Faule Ausreden

Einleitung

Die Liste Fauler Ausreden sortiert nach Sachgebieten wird ständig erweitert. Jedenfalls dann, wenn ich Zeit dafür habe :-)
Die Namensnennung bezeichnet den jeweiligen Einsender. Sie besagt nicht unbedingt, dass der Einsender der durch die Faule Ausrede bezeichneten Meinung ist oder die Ausrede erfunden hat.
Mein Dank gilt allen bisherigen Ausredenspendern.

Arbeitsplatz


  • Leider bin ich etwas zu spät, ich komme gerade von einer Sitzung. (hmg)
  • Ich kann jetzt nicht am PC arbeiten, ich brenne gerade eine CD. (re)
  • Ich muss jetzt leider gehen, weil ich noch zu einer Tagung gehen muß. (hmg)
  • Leider kann ich heute nicht zur Arbeit erscheinen, da meine Frau in wenigen Stunden ihren Eisprung erwartet.
  • Ich hab hier noch meine Lieblingsausrede fürs Zuspätkommen in der Berufsschule: Entschuldigung, ich hab mein Bett noch machen müssen! (dj)
  • Bei mir zu Hause war gestern 8h Stromausfall, deswegen habe ich das Protokoll nicht mehr geschafft. (ns)


Kommunikation


  • Ich hätte ja geschrieben, wenn ich eine Briefmarke gehabt hätte. (ns)
  • Ich konnte auf die eMail nicht antworten, weil Kaffee in meiner Tastatur war. (ns)
  • Ich konnte die E-Mail-Antwort nicht abschicken, weil ich totmüde vom Stuhl gefallen bin. (hmg)
  • Die wichtigen E-Mails konnte ich nicht lesen, weil mein Windows abgestürzt ist. (as)

Haushalt


  • Meine Fenster putze ich nicht, die werden sowieso wieder dreckig. (hmg)
  • Warum sollte ich Strom sparen? Die Energie wird sowieso im Endeffekt in Wärme umgesetzt und spart so Heizkosten. (hmg)
  • Den Abwasch erledigen die Tiere, die hier rumkriechen.
  • Abwasch? Ich warte aus Umweltschutzgründen immer, bis genug zusammenkommt. (hmg)



Computer


  • Die Software ist ja so teuer und außerdem schlecht, deshalb benutzen viele ja nur Raubkopien. (as)
  • Mein Rechner kommt bei meiner Tippgeschwindigkeit einfach nicht mit ;-) (Bastian Völker über seinen Tippfehler in de.soc.recht.misc <3F92BCEE.7A7007CC@gmx.net>)
  • Das gibt es unter Linux nicht. (hmg)
  • Raubkopieren? Das macht ja jeder, das muss dann ja wohl ok sein. (hmg)
  • kann gerade nicht großschreiben weil ich ein ohrenstäbchen in der hand halte (re, Kai Seiffert in der Newsgrpup de.talk.bizarre)
  • Jeder hat seine Pause verdient, darum läuft mein Rechner nur 23 Stunden am Tag und die Pause ist jetzt.

Verkehr


  • Die Ampel war noch fast gelb. (hmg)
  • Wenn ich schneller über die Kreuzung fahre, ist die Zeit kürzer, in der was passieren kann. (hmg)
  • (Beim falsch parken:) Ich bin ja gleich weg! (hmg)
  • Ich mußte den Behindertenparkplatz benutzen, alle anderen waren belegt. (hmg)
  • Mein Beifahrer konnte nicht fahren, denn er hatte 0,1 Promille mehr.
  • Leider konnte ich nicht zum verabredeten Treffpunkt kommen, da ich ihn auf dem Stadtplan so gross markiert hatte, dass die Umgebung nicht mehr zu erkennen war.
  • Bei einem beliebigen Fehlverhalten: Die anderen machen das auch so! (hmg)

Sport


  • Wir können nicht Fußball spielen, der Rasen ist zu hoch. (re)
  • Ich kann nicht beim Sport mitmachen, weil ich meine Fußballschuhe vergessen habe. (re)
  • Ich kann aus Glaubens- und Gewissensgründen nicht am Dienst am Sportgerät teilnehmen.
  • Ich kann jetzt nicht trainieren, weil ich vorhin zu viel gegessen habe. (ns)
  • Ich habe keine Kraft, weil ich heute fast gar nichts gegessen habe. (ns)
  • Ich kann jetzt keinen Sport machen, ich bin erkältet. (hmg)
  • Zum Trainieren müsste ich ja raus gehen, und da ist es eiskalt und regnet. (hmg)
  • Zum Fitnesscenter müsste ich mit dem Auto fahren, das schadet der Umwelt. (hmg)

Verschiedenes


  • Ich hatte kein Benzin mehr und 'n platten Reifen. Ich hatte nicht genug Geld für'n Taxi. Mein Smoking kam nicht aus der Reinigung. Ein alter Freund von auswärts kam zu Besuch. Jemand hat mein Auto geklaut. Da war ein Erdbeben. Eine schreckliche Flutwelle. Es war nicht meine Schuld, ich schwöre dir!! (hmg, Blues Brothers: Jake zu Carrie auf ihren Vorwurf, er hätte sie betrogen)
  • Tut mir leid, ich habe von dir geträumt und wohl die Zeit vergessen. (df)
  • Das war schon immer so. Da könnt' ja jeder kommen. Das haben wir noch nie gemacht. Wo kommen wir denn da hin? (hmg)
  • Ich kann nicht mitkommen, ich bin auf einem Kindergeburtstag. (re)
  • (Nach der Ermordung großer Teile der nepalesischen Königsfamilie durch Schüsse aus einer automatischen Waffe:) Es war ein Unfall. (hmg)
  • Ich kann nicht zum 10-jährigen Abi-Treffen kommen, weil ich dann in Seattle (setze jede beliebige weit entfernte Stadt ein) bin. (re)
  • Ich kann nicht zum 10-jährigen Abi-Treffen kommen, weil mir DM 25 zuviel sind. (re)
  • Ich kann nicht zum 10-jährigen Abi-Treffen kommen, weil ich zum Quartalsende keinen Urlaub bekomme und außerdem nicht auf Geschäftskosten von London rüberfliegen kann. (re)
  • Ich konnte gestern nicht mehr vorbeikommen, weil meine neue Flamme zu Besuch kam. (ns)
  • Jeder ist für die Anwendung der faulen Ausreden selbst verantwortlich, mein Anwalt ist gerade zu beschäftigt, sich darum zu kümmern. (re











Zum Schluss ein paar Fragen als  Denkanstösse:


Wie wäre ein Leben ohne Ausrede?


Sollen Ausreden härter bestraft werden?


Glauben Sie den Psychologen, die behaupten, dass eine Institution weniger Ausreden (weniger Kranke) hat, bei denen das Arbeitsklima und die Wertschätzung der Mitarbeitenden stimmt?


Wir alle sind zwar der Wahrheit verpflichtet. Gibt es nicht dennoch gewisse Ausreden, die angewendet werden dürfen?



FAZIT:


Sozialwissenschafter Peter Stiegritz schreibt:

"Wenn alle immer die Wahrheit sagen würden, bräche das soziale Gefüge zusammen."

Persönlich finde ich, dass es kein ENTWEDER ODER gibt bei dieser Thematik.
Für mich geht es um eine BALANCE zwischen Wahrheit und Ausrede im Interesse des Gegenübers. Ich bleibe bei meinem Credo:

Alles was Du sagst, muss wahr sein. Aber Du musst nicht alles sagen, was wahr ist!

Zum Schluss noch ein Gedankenanstoss von David Nyberg - Professor State Universität New York:
"Die körperliche und seelische Unversehrtheit unserer Mitmenschen, ihr Wohlergehen und ihre Würde sind höherer Werte als die Wahrheit."

***********

PS: Ich war am Montag 4. Juni als Kommunikationsberater im Studio Zürich DRS 1 (0900 bis 1100 Uhr) und begleitete die Sendung "Treffpunkt" zur Thematik AUSREDE. Hier der Link zum Hören dieser Sendung :


 

 

Ausreden zum Rausreden

Was hilft gegen Prüfungsstress?


Stress blockiert bekanntlich das Denken.Es gibt eine Palette von brauchbaren Tools, um die die Prüfungsangst zu bewältigen.

Wie man Prüfungsversagen in den Griff bekommt

(Ich zitiere Tagi) 
Viele bringen unter Druck weniger Leistung, als sie eigentlich könnten. Hirnforscher ermittelten Strategien gegen die Blockade. Die Massnahmen sind simpel – und wirksam.
 
Wenn der Test zum Horrorerlebnis wird: Bei Prüfungsangst blockiert der empfundene Druck offenbar Teile des Arbeitsgedächtnisses.

Wenn der Test zum Horrorerlebnis wird: Bei Prüfungsangst blockiert der empfundene Druck offenbar Teile des Arbeitsgedächtnisses.
Bild: Keystone

Wir alle kennen sie, die Situationen, wenn es um alles geht oder zumindest sehr viel: bei Prüfungen in der Schule, der Universität oder der beruflichen Ausbildung. Im Sport. Bei einem Vorstellungsgespräch. Bei einer Präsentation vor Publikum. Beim entscheidenden Date. In derlei Drucksituationen kann das kommen, was man als Prüfungs- oder Versagensangst, bisweilen auch als Lampenfieber bezeichnet.


 Die Amerikaner nennen es schlicht «Choking» – das «Verkrampfen» und «Ersticken» des eigenen Könnens. Das Phänomen resultiert in einer Leistung, die nicht den eigentlichen Fähigkeiten entspricht. «Dies tritt dann auf, wenn Sie unter Druck stehen, alles richtig zu machen», sagt Sian Beilock von der University of Chicago. «Das kann den Besten passieren.» Die Psychologin ist eine der wenigen Wissenschaftler, die das Choking seit Jahren systematisch beleuchten und ihre Probanden in Studien immer wieder stressen. Ihre These: Vielfach lässt sich das Verkrampfen mit simplen Massnahmen bekämpfen, beispielsweise, indem man über die eigenen Ängste schreibt.


Das lästige Phänomen hat viele Formen, milde und schwere: Die einen müssen sich kurz vor dem eigentlichen Akt übergeben. Andere schlafen tagelang schlecht, werden panisch oder depressiv, magern ab. Wieder andere bleiben etwa auch während einer Prüfung cool, bis sie plötzlich einen entscheidenden Aussetzer haben. Oberflächlich betrachtet verlieren die Leute nur die Nerven. Bei genauem Hinsehen verbergen sich hinter dem Choking psychologische und neuronale Mechanismen, die zunehmend bekannt werden. Bei der «klassischen» Prüfungsangst beispielsweise blockiert der empfundene Druck nach Auffassung von Forschern Teile des Arbeitsgedächtnisses, das dann die eigene Leistung sabotiert.


Intelligente stärker betroffen


Beilock umschreibt das Arbeitsgedächtnis als die mentalen Pferdestärken des Gehirns. Dieses neuronale Netzwerk stellt sicher, dass wir uns vor allem auf die Dinge konzentrieren, die für die Lösung einer aktuellen Aufgabe oder eines Problems nötig sind. Ob das nun eine Rechenaufgabe ist oder das Verkaufsgespräch mit einem Kunden. Intelligente Menschen verfügen im Arbeitsgedächtnis über grössere Kapazitäten als weniger begnadete Zeitgenossen. Unter Druck zeigen sie allerdings ähnlich hohe Stresswerte wie andere Menschen. Erstaunlicherweise leide die Performance der intelligenteren aber am meisten, wenn in den Experimenten der Druck erhöht werde, sagt Beilock. Der Grund: Sie sind an komplexes Denken gewöhnt und weichen unter Druck oft nicht auf einfache Denkstrategien aus, die das Arbeitsgedächtnis entlasten.


In einer ihrer neuesten Studien hat Beilocks Team eine Schar Probanden Matheaufgaben lösen lassen und zunehmend unter Druck gesetzt. Mussten die Teilnehmer schwere Aufgaben lösen, fiel ihre Leistung mit steigendem Druck durchschnittlich um zehn Prozent. Bei den Experimenten lagen die Probanden in einem Hirnscanner, der die Aktivität in ihren Denkorganen verfolgte. Die Forscher fanden ein regelrechtes Netzwerk von Hirnarealen, deren Aktivität mit mehr oder weniger Choking verbunden ist – und konnten anhand der Aktivität voraussagen, welche Probanden höchstwahrscheinlich verkrampfen würden und welche nicht. Die Versagensängste besetzen offenbar einen Teil des Arbeitsgedächtnisses, wodurch für die anstehenden Aufgaben nur noch begrenzte kognitive Pferdestärken bereitstehen. Der Zwischenspeicher ist buchstäblich überlastet.


Einschlägige Signale


Wenn die Versagensängste kommen, reagiert der Körper mit einschlägigen Signalen: Man schwitzt, der Puls beschleunigt sich, Stresshormone wie Kortisol werden ausgeschüttet. In einer anderen Studie zeigte sich:


 Es ist entscheidend, «wie wir diese körperlichen Reaktionen interpretieren», erklärt Sian Beilock. Deutet sie beispielsweise ein Schüler als Zeichen seiner Angst, steigt das individuelle Risiko, Versagensangst zu entwickeln. Vor allem, wenn die Menschen schon von vornherein etwa vor Mathematik Respekt haben – wie viele Mädchen und Frauen. Andere hingegen deuten die körperlichen Reaktionen als Motivationsschub. Sie sehen sie positiv und sagen sich: «Ich bin bereit!» Die Perspektive beeinflusst erheblich Erfolg oder Versagen.


Beilock empfiehlt den Chokern deshalb, bewusst mit sich selbst zu sprechen. Sich daran zu erinnern, dass schwitzende Hände und ein rasendes Herz alle möglichen tollen Erlebnisse begleiten – etwa ein Spiel zu gewinnen, Achterbahn zu fahren, Sex und so weiter. Oder bewusst an Situationen zu denken, die sie erfolgreich bewältigt haben. Eine weitere Methode haben die Forscher aus Chicago sogar jüngst im Wissenschaftsmagazin «Science» vorgestellt. Demnach lassen sich Versagensängste buchstäblich wegschreiben.


Schreiben hilft


Sian Beilock und ihr Kollege Gerardo Ramirez haben die Methode in vier Studien getestet – nicht nur im Labor, sondern auch im «wahren» Leben mit Neuntklässlern vor einer wichtigen Biologieprüfung. Schon sechs Wochen zuvor gaben die Kinder erstmals Auskunft darüber, ob Prüfungsangst aufkommt. Kurz vor der Prüfung erhielten sie die Anweisung, entweder über ihre Gefühle zu schreiben oder über Dinge nachzudenken, die nichts mit Biologie zu tun haben, oder gar nichts zu schreiben. Das Resultat: Wer über seine Bedenken schrieb, «überwand die Prüfungsängste und rief sein ganzes Potenzial ab», fasst die US-Wissenschaftlerin zusammen. Selbst die Ängstlichsten von allen.
Offenbar entladen die Leute mit dieser Strategie das von ihren Ängsten überlastete Arbeitsgedächtnis. Denn wer nicht schriftlich über sich und seine Emotionen reflektierte, bekam im Schnitt schlechtere Noten. In einem weiteren Experiment belegten die beiden Forscher: Nicht das Schreiben an sich, sondern die Reflexion über ihre Gefühle und Gedanken hilft den Probanden.


  Beilock glaubt, dass die Methode in unterschiedlichen Drucksituationen genutzt werden kann – und obendrein einfach anzuwenden ist.
Allerdings nicht in Fällen von Choking vor einem Publikum, etwa bei Vorträgen oder im Sport. Hier kann der Stress dazu führen, dass Leute ihrer Präsentation zu viel Aufmerksamkeit schenken. In Studien mit mehreren Hundert Probanden haben die Chicagoer Forscher ermittelt:


 In derlei Situationen sollte man das Verkrampfen bekämpfen, indem man sich ablenkt, bevor es losgeht, um überhaupt nicht ins Nachdenken zu kommen. Zum Beispiel ein Lied singen oder in Dreierschritten rückwärts zählen. Vor allem gute Sportler, glaubt Beilock, könnten so verhindern, vor Publikum zu verkrampfen.

(Ende Zitat)

Kommentar: Analog der Beantwortung des Stresses und des Lampenfiebers kann mental sehr viele gemacht werden.
Wir müssen die Phänomene der Blockade erkennen und lernen, die negative Spannung in eine positive Kraft um zu wandeln.
LINKS:

Jederman erlebt Stress. Stress ist eine natürliche Reaktion des Körpers auf Druck, Spannung oder Veränderung. Eine gewisse Dosis an Stress kann das Leben ...
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12. Okt. 2010 ... Lampenfieber ist ein Phänomen, das einen Redner, Schauspieler oder Musiker vor einem Auftritt befallen kann. Der Hypothalamus, die ...
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Selbst Profis mit langjähriger Erfahrung kämpfen gegen das Lampenfieber vor Auftritten ... Es gibt bewährte Techniken, die das Lampenfieber reduzieren helfen .
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Vergleichen Sie auch die Artikel Lampenfieber , Stress oder Redeangst . Bei einer Prüfung sind alle nervös. Wenn es ernst gilt, wenn es um wichtige Entscheide ...
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3. Okt. 2003 ... Schreiben Sie schnell und flüssig, so wie es Ihre Hand zulässt. Der Gedankenfluss darf während des Schreibens nicht unterbrochen werden.
www.rhetorik.ch/Gedankenschreiben/Gedankenschreiben.html
16. Aug. 2006 ... Sie müssen sich bewusst werden, dass Eustress zu jeder Verlautbarung gehört; Allein schon das Wissen, dass Lampenfieber normal ist, ...
www.rhetorik.ch/Schwellenangst/Schwellenangst.html