Samstag, 7. März 2015
Heidenreich durfte trotz des falschen Zitat bleiben - Zweifel der recht hatte, musste gehen
Ist Heidenreich noch tragbar?
Doch!
Das falsche Heidegger-Zitat im «Literaturclub» ist schon legendär. Der deutsche Schriftsteller Marcel Beyer macht jetzt Literatur daraus.
- Hatte Konsequenzen: Heidenreich versus Zweifel. (Videoausschnitt SRF 1/Youtube). Weitere Nachrichten für Heidenreich versus Zweifel. (Videoausschnitt SRF 1/Youtube)
(Aus Tagi)
Hatte Konsequenzen: Heidenreich versus Zweifel. (Videoausschnitt SRF 1/Youtube)
Es war ein Knaller. Denn mit einem Knall schlug Elke Heidenreich Martin Heideggers «Schwarze Hefte» auf den Tisch, nachdem sie sich mit Moderator Stefan Zweifel einen wüsten Streit geliefert hatte, ob der Satz «... indem wir die Juden endlich beseitigen aus Deutschland» drin stehe oder nicht. «Nein», meinte Zweifel, «doch», konterte Heidenreich, immer wieder und immer lauter. Die Sache führte bekanntlich zum Eklat, Zweifel, der recht hatte, musste gehen, Heidenreich blieb.
Die Szene ist auf Youtube verewigt und jetzt auch selbst ein literarischer Text geworden. Marcel Beyer, Dichter («Graphit») und Romanautor («Kaltenburg»), rankt seine zweiteiligen «Lichtenberg-Poetikvorlesungen» (gehalten am 12. und 13. 11. 2014 in Göttingen, erschienen jetzt als Broschüre bei Wallstein) um diesen Fernsehauftritt – und eine Episode im Flugzeug, als «die fernsehbekannte Literaturkritikerin» und ihr Lebensgefährte in der Reihe vor Beyer sassen und der Lebensgefährte nach der Landung Beyers Tasche versehentlich aus dem Gepäckfach zog und fast zu Boden warf.
Es ist ein komplexer, hochreflektierter Text über das Schreiben, über «Löcher in der Wirklichkeit», über die französischen Schriftsteller Georges Perec und Cécile Wajsbrot, über die Schauspielerin Veronica Ferres und die Durchdringung von Fiktion und Realität. Es geht um eine Literatur, die gerade nicht «zu Herzen geht» (auch eine Anspielung auf Heidenreich, deren Name übrigens nie genannt wird), sondern Abstand herstellt. Immer wieder dazwischen geschnitten sind Szenen einer Reise von Dresden nach Saarbrücken, eben inkognito in der Gesellschaft der «mächtigsten, einflussreichsten Literaturkritikerin» und ihres Lebensgefährten. Und die ominöse Szene aus jenem «Literaturclub».
Beyer entwirft in diesem Text ein Bild einer machtbewussten Person, die «störrisch und herrisch und der gesamten restlichen Welt den Mund verbietend», ihre Wahrheit durchzusetzen gewillt ist. Er vergisst auch nicht, zu erwähnen, dass der «kluge, wache, kurzgefasst: sprachbegeisterte Moderator» (Zweifel) abgesetzt wurde, seine Kontrahentin aber weiter Gelegenheit erhält, «ihren Jähzorn zu zelebrieren». Am Schluss überblendet Beyer die «Nein/doch»-Szene mit Carrolls «Alice im Wunderland», wo die böse Königin, puterrot vor Zorn, «Kopf ab» fordert. Das ist, gegen eine grosse und grobe Polemikerin, gerade so viel Polemik, wie es das feine Instrumentarium des Dichters gestattet. (Tagesanzeiger.ch/Newsnet)
KOMMENTAR: Verkehrte Welt: Heidenreich hätte damals eigentlich gehen müssen.
Notiert von marcus knill um 09:28
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