Sonntag, 2. November 2014

Die Vergangenheit hat ihn eingeholt

Günter Grass als Jungnazi

Der spätere Schriftsteller als Soldat

Aus NZZ:




Für Erregungen war dieser Autor schon immer gut. Als ihn 1959 sein Roman «Die Blechtrommel» auf einen Schlag berühmt machte, teilte sich die Leserschaft in Bewunderer und Angeekelte. War das nun Weltliteratur oder einfach ein Elaborat aus groben Schnitten, Pornografie und Nihilismus? Unter schweren Beschuss geriet Günter Grass selbst noch als alter Mann: 2006, ein Jahr vor seinem achtzigsten Geburtstag, verriet er in der Autobiografie «Beim Häuten der Zwiebel» seine jugendliche Mitgliedschaft in der Waffen-SS. Lange hatte der zum Nobelpreisträger und zur moralischen Instanz Aufgestiegene darüber geschwiegen, umso grösser war nun die allgemeine Empörung. Und 2012, nach der Publikation seines israelkritischen Gedichts «Was gesagt werden muss», stand er plötzlich als halber Antisemit im öffentlichen Raum.

 2012 brach der Leiter Jörg-Philipp Thomsa, ein Germanist und Historiker, mit dem alten Konzept. Nach all den Debatten um Grass liess sich der zeitgeschichtliche Kontext des Schaffens nicht mehr aussparen. Fünf Stationen gliedern seitdem den Hauptraum der Ausstellung nach Grassschen «Lebensthemen», als da wären: Nationalsozialismus, Geschlechterverhältnisse, politisches Engagement, Literatur und Kunst, Skandale. Jedes Modul besteht aus Einleitungstexten und Grafiken an der Wand sowie Multimedia-Tischen mit Schubladen und Touchscreens, an denen sich digital aufbereitete Materialien erschliessen lassen. Stoff ist übergenug vorhanden, denn das Archiv des Museums besitzt alle Manuskripte von Grass seit 1996 (ältere lagern in Berlins Akademie der Künste) sowie mehr als 1200 bildkünstlerische Arbeiten.

Eine Apologie liegt den Kuratoren indessen fern, ihr wissenschaftliches Bemühen um Objektivität ist unverkennbar. Mehr als siebzig digitale Folien bietet die neue Multimedia-Station auf, und man sieht nicht nur Fotos von Grass als Hitlerjunge und Soldat, sieht Altersgenossen in Uniform oder findet Erläuterungen zum Einfluss der Kriegserfahrung auf das Gesamtwerk. Auch die Medienschlacht um seine SS-Entblössung ist dokumentiert, ohne dass die Invektiven der Kritiker zu kurz kommen. In Erinnerung wird freilich auch gerufen, dass Grass bereits 1963 Klaus Wagenbach bei einem Interview im Tessin verriet, in der Waffen-SS gewesen zu sein. Die damals geplante Biografie über Grass erschien nie, die handschriftlichen Notizen Wagenbachs sind in der Ausstellung nun im Original zu sehen. Lapidar ist dort vermerkt: «Marschbefehl zur Kompanie, zuerst Schlesien, dann Berlin, Gruppe Steiner (SS).»
Warum aber das spätere lange Schweigen? Grass sagt: Aus Scham. Das mag man ihm glauben, klar ist indes auch, dass es ab den späten Sechzigern für seine Rolle als grosser Mahner politisch nicht opportun gewesen wäre, seine Zugehörigkeit zur SS aufzudecken.  Mit zehn Jahren war Grass Pimpf, mit vierzehn Hitlerjunge, mit fünfzehn endete für ihn die Schule, und er wurde Luftwaffenhelfer, mit sechzehn Soldat, mit siebzehn Kriegsgefangener. Daraus kann ihm niemand einen Strick drehen. Aus seinem Schweigen über die SS aber schon. Was er auch einräumt.

Eine Urschrift fast ohne Eingriffe

Grass schreibt mit der Hand. Seine Aufrisse von Romanen und grösseren Erzählungen kombinieren tabellarische Gliederungen mit organischen Zeichnungen; so birgt denn der Werkplan zu der Autobiografie von 2006 auch eine Zwiebel, in deren Schalen sich die Themen einlagern. Es ist das erste Mal, dass das Grass-Haus Werkpläne zeigt. Das interessanteste Schaustück ist eine rot gebundene Kladde mit der Urschrift von «Das Häuten der Zwiebel». Den Text der aufgeschlagenen Doppelseite leitet die Skizze eines Soldatenprofils mit Stahlhelm ein; dass es ein Selbstporträt ist, verrät der Unterbiss, den Grass später mit seinem Schnurrbart kaschierte.
Erstaunlicherweise wirkt die Urschrift wie eine Reinschrift, die Eingriffe sind minimal – was nicht die Regel ist, die Manuskripte anderer Romane sind voller Korrekturen. Auch gibt es, wie Museumsleiter Thomsa sagt, «im Manuskript keine Überraschungen, keine inhaltlichen Abweichungen von der Druckfassung». Was daraus zu schliessen ist, dass Günter Grass die «Zwiebel» offenkundig in einem Rutsch herunterschrieb, bleibt eine offene Frage.

LINKS:
16. Aug. 2006 ... Das späte Eingeständnis des deutschen Schriftstellers Günter Grass, im zweiten Weltkrieg Mitglied der Waffen SS gewesen zu sein, erregte die ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/06/08_16.html
3. Apr. 2012 ... Es ist nicht das erste Mal, dass wir das Verhalten von Günter Grass kommentiert haben. Wo bleibt die Selbstkritikfähigkeit eines so intelligenten ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/12/04_03/

Was kann man gegen das Mobber App tun?


Yik Yak – Kanti-Schüler mobben mit neuer App

An der Kantonsschule Wil kursiert eine neue App namens Yik Yak: Schüler schicken anonyme Nachrichten an die ganze Schule, darunter auch wüste Beleidigungen. Was tun? Genügt ein Appell an die Schüler?

storybild
Von mehr oder weniger harmlosen 
Witzen bis zu wüsten Beleidigungen 
findet man alles auf Yik Yak. (Bild: Screenshot Yik Yak App)

«D Herpes vo derä Frau isch wieder am eskaliere» oder «Kerim figgt Müettere» – solche oder ähnliche Nachrichten werden an der Kantonsschule Wil über die neue App Yik Yak verschickt. Laut einer Umfrage wird die App an der Kanti Wil rege genutzt: Mindestens einmal pro Stunde wird etwas gepostet, wie die «Wiler Nachrichten» berichteten.
Die kostenlose App Yik Yak wurde von zwei amerikanischen College-Absolventen erfunden und kam Ende vergangenen Jahres auf den Markt. Yik Yak ermöglicht es jedem, anonyme Nachrichten zu verschicken. Die Nachrichten können von allen App-Benutzern in einem Umkreis von gut zwei Kilometern empfangen werden.
Durch die Anonymität und die enge geografische Zusammengehörigkeit der Nutzer scheint Yik Yak wie geschaffen dafür zu sein, intimste Gedanken, dunkelste Geheimnisse, saftigen Tratsch und beissende Kritik zu verbreiten. Das führt dazu, dass die App, die eigentlich als Kommunikationsplattform für Schulen und Universitäten gedacht war, auch an der Kanti Wil immer mehr zu einer Mobbing-Plattform wird und sich Informationen in Windeseile an der ganzen Schule verbreiten.
App auf dem Schulareal sperren lassen


Wegen immer wieder auftretenden Cybermobbing-Vorfällen haben mehrere Schulen in den USA die App nun auf ihren Arealen gestoppt: Auf Antrag der Schulen haben die Yik-Yak-Verantwortlich den Dienst, der über GPS funktioniert, für bestimmte Gebiete gesperrt.
Die App auf dem Schulareal zu verbieten oder wie in den USA sperren zu lassen stellt aber für die Kanti Wil keine Lösung dar: «Verbote reizen dazu, sie zu übertreten und scheinen mir in diesem Zusammenhang nicht sehr zielführend», so Rektorin Doris Dietler.
Auch Christoph Mattle, Leiter des Bildungsdepartements des Kantons St.Gallen, ist nicht sicher, ob eine solche App-Sperre an Schweizer Schulen umsetzbar wäre. Zudem wisse er nicht, ob die Massnahme etwas bringen würde. Mattle: «Wenn wir diese App an unseren Schulen sperren, kommt nach wenigen Monaten bestimmt eine neue App, die diese Sperre umgehen kann.»

KOMMENTAR:
Als Ombundsmann einer Kantonsschule kenne ich die Problematik des Mobbings und Cybermobbings unter Schülerinnen und Schülern. Aus meiner Sicht bringt es am meisten, wenn solche Vorkommnisse nicht unter den Teppich gekehrt werden. Es gilt, den Jugendlichen die Folgen solcher Attacken sofort (RASCH!) aufzuzeigen und sie zu unterstützen im Aufbau von moralischen Massstäben. Man muss ihnen auch beibringen, mit den neuen Plattformen vernünftig umzugehen.
In der Kantonsschule Schaffhausen werden beispielsweise für solche Belange bestimmte Projekttage durchgeführt an denen auch Mobbing und Cybermobbing zur Sprache kommt.