Freitag, 31. August 2018

Krisenkommunikation im Vatikan

Kommunikation ist Chefsache -
auch im Vatikan





In heiklen Situationen können Führungskräfte nicht einfach abtauchen. Dies gilt auch für den Papst.
Auch der Pontifex unterliegt  den Kommunikationsgrundsätzen im Umgang mit der Oeffentlichkeit.
In schwierigen Zeiten fällt es allen Chefs schwer, sich bei  Negativem  angemessen zu äussern.
In Krisensituationen dürfen sie Probleme nicht aussitzen in der Hoffnung, die Medien hätten  neuere wichtigere Themen zum beackern.
Es ist  offensichtlich, dass der beliebte Papst mit dem Image der Volksverbundenheit und Bescheidenheit als Oberhaupt der katholischen Kirche bei den Missbrauchsfällen  zu spät gehandelt und Fehler gemacht hat.
Er gibt  diese Fehler auch im Brief an „das Volk Gottes“ zu. Er und mit ihm die Kirche habe bei den Missbrauchsskandalen „nicht rechtzeitig gehandelt“.
KOMMENTAR:
Dieses Schuldeingeständnis, verbunden mit einer Bitte um Verzeihung, ist noch kein Befreiungsschlag, zumal es wie  zu spät und erst auf Druck erfolgt.
Schweigen, beschwichtigen, Probleme unter den Teppich kehren ist immer kontraproduktiv. Nur Lügen wären als Verteidigungsstrategie noch schlimmer.
Wenn Kommunikation Chefsache ist, darf dieser in heiklen Situationen nicht schweigen oder keine Stellung beziehen, gar seinen Mediensprecher für sich sprechen lassen.
Nach den jüngsten Vorwürfen des ehemaligen päpstlichen Nuntius von Washington, Carlo Maria Viganò, der Papst Franziskus schwer belastet, stehen dem Papst turbulente Zeiten bevor.

Illustration aus Blick:

Bildergebnis für Papst im Gegenwind




HAT DER PAPST VON DEN UNTATEN DES EX-KARD. THEODORE McCARRICK SCHON 2013 GEWUSST OHNE IHN ZU SANKTIONIEREN?
Genau das behauptet der hochrangige, ehemalige Vatikanbotschafter in seinem schockierenden Memorandum. 
Tatsächlich kursierten seit  2000 Gerüchte oder Hinweise, wonach der amerikanische Geistliche sich an Seminaristen vergangen haben soll. Erst 2018 kam eine Untersuchungskommission der New Yorker Erzdiözese zum Schluss, dass McCarrick auch einen Minderjährigen missbraucht hat. In der Folge wurden in den Medien zahlreiche weiter Fälle aufgerollt. Franziskus entzog dem 88 jährigen darauf hin im Juni die Kardinalswürde und zwang ihn, in Klausur zu gehen. Es war eine präzendenzlose Strafe, die nach Viganò bereits Papst em. Benedikt XVI. verhängt hatte, die aber praktisch nicht umgesetzt wurde.
Mitte August folgte dann der gravierende Pennsylvania Grand Jury Bericht, der offen legte, dass während 70 Jahren 300 Priester über 1000 Kinder und Jugendliche missbraucht hatten. 
Bei seinem Chile-Besuch verteidigte Papst Franziskus den umstrittenen Bischof Barròs, den er  gegen den Einspruch der chilenischen Bischöfe ernannt hatte und sprach von Verleumdung. Barròs wurde eine Mitwisserschaft im grössten Missbrauchsskandal des Landes (Fernando Karadima) vorgeworfen. Nach einer Empörungswelle von Missbrauchsopfern und einer Intervention von Kard. O´Malley, Vorsitzender der vatikanischen Missbrauchskommission, musste der Papst einlenken. Er leitete eine Untersuchung durch den päpstlichen Sondergesandten Erzbischof Charles Scicluna ein. Es zeigte sich, dass Papst Franziskus mit seiner eigenen Einschätzung im Unrecht war.
Jason Berry, ein Investigativ-Journalist hat mehrere Bücher über den Vatikan geschrieben. Er ist der Meinung, dass dies das erste Mal sei, dass ein Papst von innen, aus der Hierarchie der Kirche, beschuldigt wird einen Sexualstraftäter wie den aus dem Kardinalskollegium entlassenen Erzbischof McCarrick gedeckt zu haben. Deshalb ist das elfseitige, detaillierte Memorandum von Viganò  so eine grosse Sache.
Und zu dieser grossen Sache will jedoch Papst Franziskus  nichts sagen!
Auf dem Rückflug von Irland antwortete er auf die Frage einer Journalistin zu von Viganò vorgebrachten Anschuldigungen: „Ich werde dazu kein einziges Wort sagen“. Er vertraue auf die journalistische Kompetenz, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen: „Lesen Sie es aufmerksam durch und bilden Sie sich selbst ein Urteil!“
Vollständiges Zitat:


"Ich habe die Erklärung heute Morgen gelesen, und ich muss Ihnen aufrichtig sagen, dass ich Ihnen und all denen, die daran interessiert sind, dies sagen muss: Lesen Sie die Erklärung sorgfältig durch und treffen Sie Ihr eigenes Urteil", antwortete er. "Ich werde kein einziges Wort dazu sagen." (Ende Zitat)

Analyse:
Da der Papst die Anschuldigungen Viganòs nicht explizit dementiert, bleiben sie im Raum stehen. Andere müssen das Geschäft erledigen, sie zu verifizieren, während er sie aufgrund seines eigenen Wissens als erster beurteilen könnte. 


PAPST ZIEHT SEINE AUSSAGE ZUR HOMOSEXUALITAET ZURUECK

Mit seinem  Hinweis auf die Möglichkeit psychiatrischer Mittel bei der Begleitung von homosexuellen Kindern, kam Franziskus zusätzlich unter Druck. Der Papst hatte auf dem Rückflug von Irland nach Rom vor Journalisten gesagt, wenn sich Homosexualität schon in der Kindheit zeige, gebe „es viel, das mit Psychiatrie gemacht werden kann, um zu sehen, wie die Dinge liegen“
Nach der heftigen Kritik vor allem von Seiten der Homosexuellenverbände hat der Vatikan  die päpstliche Stellungnahme zensiert und den  Hinweis auf die Psychiatrie  gestrichen, obwohl das Interview im Internet jederzeit heruntergeladen werden kann. 
KOMMENTAR:
Dazu ist  anzumerken. Bei Interviews gilt das gesprochene Wort! Einmal ausgedrückt, bringt man die Paste nicht mehr in die Tube zurück!

PAPST: GEGEN SKANDALE UND SPALTUNG HELFEN SCHWEIGEN UND GEBET
Laut CSI-schweiz.ch begegnet man aus Sicht von Papst Franziskus Skandalen und Spaltungsversuchen am besten mit Schweigen und Gebet. "Mit Menschen, die keinenguten Willen haben, mit Menschen die nur Skandal suchen, die nur Spaltung suchen, die  nur Zerstörung suchen, auch in Familien, da braucht es Stille und Schweigen. Und es braucht auch das Gebet", sagte das Krichenoberhaupt am Montag, den 3. September im Morgengebet im vatikanischen Gästehaus Santa Marta.

KOMMENTAR: 
Schweigen kann tatsächlich in seltenen Fällen richtig sein. Wenn Ruhe eingekehrt ist, dürfen wir  Skandale nicht unnötig aufwärmen, indem wir  von uns aus auf sie zurückkommen. Aber  bei einer Skandalierung dürfen wir nicht schweigen. Wer ungerechtfertige Vorwürfe nicht stoppt oder zurückweist, nimmt in Kauf, dass er sie mit schweigen akzeptiert.

 
FAZIT:

Kommunikationskompetenz muss vom Chef ausgehen. Alles andere ist unglaubwürdig.
Auch der Papst sollte folgende  Punkte beachten:

1. Der Chef muss schnell sein und durch klare Stellungnahmen Gerüchten und ihrer Verbreitung vorbeugen oder sie stoppen.
Noch besser ist eine zeitnahe umfassende Kommunikation, die  nicht mehr korrigiert werden muss, sodass sich die Oeffentlichkeit selbst ein Bild machen  und weitere oder falsche Presseberichte richtig einordnen kann. Der Wissensvorsprung ist im medial ausgefochtenen Powerplay das grosse As, das sticht.

2. Das Kommunikationsmittel muss sorgfältig ausgewählt werden

Am glaubwürdigsten und wirksamsten ist die persönliche mündliche Stellungnahme. Schweigen ist selten richtig. Wenn man schweigt, muss mindestens begründet werden, warum man dies tut. Sonst ist Schweigen kontraproduktiv und ein Zeichen von Schwäche.



3. Lügen sind ein No-Go
Auch Halbwahrheiten, Vermutungen, Hypothesen, Spekulationen sind nicht hilfreich: „Vermutlich werden wir…“.

Nur Fakten zählen. Man kann sagen, dass man sie noch nicht alle kenne. Auch können weitere Informationen angekündigt werden, und wann sie zu erwarten sind. 
Was wir aus den Fehlern der Vatikankommunikation lernen können:
Späte Einsicht kommt schlecht an, wo man sie voraussetzen dürfte! Es muss zeitnah gehandelt und faktenbasiert informiert werden. Bei unsnicherer Faktenlage  kann auf laufende Untersuchungen hingewiesen und spätere, sicherere Informationen in Aussicht gestellt werden. Es darf gesagt werden, dass "wegenaufender Ermittlungen vorläufig nichts gesagt werden kann. In schwerwiegenden Situationen ist Kommunikation Chefsache, sein Schweigen kommt allgemein schlecht an. Nachträgliche Klitterungen der eigenen Stellungnahmen mindern die Glaubwürdigkeit und Autorität.