Mit einer Entschuldigung kann der Bundespräsident seine Druckversuche auf der Combox nicht löschen
Gesagt ist gesagt!
Für den deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff
wird es immer ungemütlicher: In der Affäre um einen Hauskredit soll er
persönlich bei der grössten deutschen Zeitung interveniert haben.
Neue Enthüllungen: Der deutsche Bundespräsident Christian Wulff wütet am Telefon. (Video: Reuters)
Video: Keystone
Gerät immer mehr unter Druck: Christian Wulff. (Bild: Keystone )
Kritik des Journalistenverbands
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) hat die versuchte
Einflussnahme von Bundespräsident Christian Wulff auf die
Berichterstattung der «Bild»-Zeitung kritisiert. «Wenn sich die Vorwürfe
als richtig erweisen, ist das nicht akzeptabel», sagte DJV-Sprecher
Hendrik Zörner der Nachrichtenagentur dapd in Berlin.
Der Bundespräsident müsse sich «als Staatsoberhaupt wie kein anderer
Politiker um die Freiheit der Presse bemühen». Die versuchte
Einflussnahme habe deshalb eine «besondere Dimension». (dapd)
Bundespräsident
Christian Wulff schweigt
zu dem angeblichen Drohanruf bei der «Bild»-Zeitung. «Die Presse- und
Rundfunkfreiheit ist für den Bundespräsidenten ein hohes Gut», hiess es
am Montag aus dem Bundespräsidialamt in Berlin. Wulff habe deshalb zu
den Krediten für sein Eigenheim und zu Urlaubsaufenthalten «Transparenz
hergestellt, Erklärungen abgegeben» und mehrere Hundert Medienanfragen
beantwortet. «Über Vieraugengespräche und Telefonate gibt der
Bundespräsident aber grundsätzlich keine Auskunft.»
Nach den
Diskussionen über seinen Hauskauf-Kredit ist der deutsche
Bundespräsident Christian Wulff nun auch wegen möglicher Einflussnahme
auf recherchierende Journalisten unter Druck geraten. Nach
übereinstimmenden Berichten versuchte Wulff die Veröffentlichung über
seinen Privatkredit zu stoppen.
Wulff habe persönlich bei der
«Bild»-Zeitung interveniert, um die erste Veröffentlichung von
Recherchen zur Finanzierung seines Privathauses zu verhindern,
berichtete zunächst die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung».
Die
«Süddeutsche Zeitung» (SZ) schrieb zudem, Wulff habe am 12. Dezember
dem «Bild»-Chefredaktor Kai Diekmann den «endgültigen Bruch» mit dem
Springer-Verlag angedroht – für den Fall, dass diese «unglaubliche»
Geschichte tatsächlich erscheine.
«Krieg führen»
Dies
war einen Tag bevor «Bild» den ersten Bericht zur umstrittenen
Hauskauf-Finanzierung durch das befreundete Unternehmer-Ehepaar Geerkens
veröffentlichte.
Nach SZ-Informationen rief der Bundespräsident
Diekmann aus Kuwait an, erreichte den Chefredaktor aber nicht, weil
dieser in New York weilte. Er habe um ein Gespräch mit Diekmann gebeten.
Dabei sei auch die Formulierung «Krieg führen» gefallen.
Drohungen auf der Combox
Die «Bild»-Chefredaktion hat nach Bekanntwerden der Vorgänge heute Montag eine
Erklärung in eigener Sache auf der Website des Blattes
publiziert. Richtig sei, dass der Bundespräsident vor der ersten
Veröffentlichung eine Stellungnahme habe zukommen lassen, diese jedoch
kurz vor Redaktionsschluss zurückgezogen habe.
Darauf habe Wulff
«Bild»-Chefredaktor Kai Diekmann telefonisch zu erreichen versucht. Da
dies nicht möglich gewesen sei,
habe Wulff eine Nachricht auf Diekmanns
Combox hinterlassen. Darin habe er sich empört gezeigt über die
Recherchen sowie mit strafrechtlichen Konsequenzen für den zuständigen
Redakteur gedroht.
Verleger kontaktiert
Auch auf
höchster Ebene soll Wulff versucht haben, Einfluss auf das Blatt zu
nehmen. Auch bei der Leitung des Springer-Verlags, der die
«Bild»-Zeitung herausgibt, habe sich der Bundespräsident persönlich um
einen Stopp der Berichterstattung über seinen Privatkredit bemüht. Wulff
habe auch beim Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer AG, Mathias
Döpfner, interveniert, sagte ein Sprecher des Konzerns heute Montag der
Nachrichtenagentur dapd.
Er bestätigte damit einen Bericht von
«Spiegel Online». Wulff bat Döpfner demnach, bei Diekmann Einfluss zu
nehmen, damit ein Artikel über den Kredit nicht erscheine. Doch der
Konzernchef, in dessen Haus die «Bild» erscheint, habe ihm in knapper
Form beschieden, sich nicht in die Belange der Redaktion einmischen zu
wollen.
Zwei Tage nach der Veröffentlichung habe der
Bundespräsident den Chefredaktor erneut angerufen und persönlich um
«Entschuldigung für Ton und Inhalt» seiner Äusserungen gebeten. Deshalb
habe «Bild» die Angelegenheit ruhen lassen – im Gegensatz zu den
Recherchen im Fall des Hauskredites.
«Bild» liess sich von der
Veröffentlichung der Recherchen nicht abbringen, wonach Wullf als
niedersächsischer Ministerpräsident 500'000 Euro bei den Geerkens'
geliehen hatte.
Wie die «Süddeutsche» weiter schreibt, wusste
Wulff, dass Medien Hinweisen auf die Finanzierung des Einfamilienhauses
in Burgwedel bei Hannover nachgingen. Es habe einen Rechtsstreit durch
alle Instanzen zur Einsicht für Journalisten ins entsprechende Blatt des
Grundbuchamts gegeben.
Langfristiges Darlehen erst im Dezember
Wulff
kommt wegen der Finanzierung seines Eigenheims nicht aus den
Schlagzeilen heraus. Zuletzt ging es unter anderem um Unklarheiten über
die Abläufe der Kreditvergabe der BW-Bank, die den Geerkens-Kredit
ablöste.
Nach Angaben des Finanzinstituts wandelte Wulff seinen
Kredit erst kurz vor Weihnachten vertraglich in ein langfristiges
Darlehen um. Zu diesem Zeitpunkt sorgten seine angeblich günstigen
Kreditkonditionen bei der BW-Bank bereits für Wirbel.
Die Bank
gehört zur Landesbank Baden-Württemberg, die in Staatsbesitz ist. Nach
«Spiegel»-Recherchen hatte die Bank Wulff einen Kredit gewährt, bei dem
die Zinsen zunächst nur bei 0,9 bis 2,1 Prozent lagen - also um die
Hälfte günstiger als normalerweise.
(ami/kpn/sda/dapd/)
Das Vorgehen des Bundespräsidenten bei der "Bild"-Zeitung war kein
Einzelfall. Auch bei der "Welt am Sonntag" hat Christian Wulff
angerufen, um einen Artikel zu verhindern. Die "WamS" schilderte SPIEGEL
ONLINE das "eisige und sehr heftige" Gespräch. mehr... [ Forum ]