Samstag, 8. Januar 2011

Parteien, Politiker und Medien

Aus der Praxis für die Praxis


Neujahrs-Apéro 2011 


Am Sonntag, 9.1.2011 um 11 Uhr lädt die FDP Reiat-Thayngen zum traditionellen FDP Neujahrsapéro im Restaurant Hüttenleben ein. Zu diesem beliebten und ungezwungenen Anlass ist jedermann herzlich eingeladen. Diesjähriger Gast ist der bekannte Medienexperte Marcus Knill (www.knill.com) aus Uhwiesen. Er versteht es jeweils meisterlich, grössere Medienereignisse oder besondere Vorkommnisse treffend zu analysieren und zu beurteilen. Unter dem Titel "Aus der Praxis für die Praxis - Parteien & Medien" wird der versierte Medienrhetorik-Fachmann folgende Stichworte beleuchtet: Mediokratie – Arenaisierung, muss ein Politiker ARENAtauglich sein?; die Schlacht um Medienpräsenz; Kampagnen: Grenzen der Vereinfachung, die 20 Sekunden Botschaft, die Kraft des Bildes; der Umgang mit Medien muss gelernt werden, wie das Lesen und Schreiben und mit Beispielen Erkenntnisse aus der der Praxis. Mit einem rund 30minütigen Input wird der Referent den Boden legen für eine anschliessende, Diskussion und für Fragen. Es lohnt sich zur Einstimmung im virtuellen Buch für Führungskräfte (www.rhetorik.ch) zu blättern. Ziel des Anlasses ist es, gemütlich miteinander anstossen im neuen Jahr und eine spannende Diskussion mit einem interessanten Referenten zu Beginn des nationalen Wahljahres 2011 zu führen. Alle Gäste, alle FDPler des ganzen Kantons sind herzlich zum traditionellen Neujahrs-Apéro im Thaynger Hüttenleben eingeladen. Bleiben Sie anschliessend zum individuellen Mittagslunch, das Hüttenleben-Team verwöhnt Sie gerne mit den feinen Spezialitäten. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
FDP Reiat-Thayngen







Parteien, Politiker und Medien



von Marcus Knill



Zum Einstieg: Ein konkretes aktuelles Beispiel



Der rote Faden der Ausführungen:


 Medialisierung - Mediokratie - Arenaisierung




Die Medien sind heute in der Medienlandschaft nicht mehr wegzudenken. Parteien, die das Gefühl haben, von den Medien ausgeklammert zu werden, protestieren sofort.

Der Glaube an die Macht der Medien ist bei Politikern und Parteien fest verankert.

Kurt Felix: Früher wollte man in den Himmel heute in die Medien.

Ich zitiere auch noch Simone Meier:

"Je mehr Bilder von einem Menschen erscheinen, desto grösser wird seine Oberfläche, desto mehr Raum nimmt er ein, desto grösser ist seine Bedeutung."

Das heisst: Heute machen nicht Kleider, sondern die Medien Leute.


Politiker mussten sich früher in der Partei hocharbeiten. Die neue Generation von Politikerinnen hat erkannt, dass man sich vor allem in den Medien einen Namen schaffen muss. 
Ursula Wyss, Evi Allemann, Chantal Gallaté oder Pascal Bruderer agierten alle sofort mit einem Wahlkampfteam, das ihnen den Weg innerhalb der Partei frei schaufelte und den Wahlkampf und die Medienarbeit organisierte.
die junge Generation kann sofort alles auf die Karten Politik und Medien setzen.

- Sie haben keine Familiären Verpflichtungen- kaum Kinder

- Sie arbeiten  oft nur mit 50 Stellenprozenten

- Viele haben studiert oder studieren noch (Bastian Girot) oder sind Berufsspolitiker

- Einige arbeiten noch nebenbei in einem Verband

Was man vom neuen politischen Nachwuchs lernen kann:
Die junge Generation weiss, dass man nur über die Medien - dank der Mediatisierung der Politik - weiterkommen kann.
Die Parteipresse können wir heute vergessen. Die Medienlandschaft hat sich gewaltig verändert mit den Privatradios, dem Lokalfernsehen, dem Internet den Videofilmchen.
Die Mittedreissiger nutzen  alle Massenmedien konsequent und geschickt.
Sie haben gelernt kurz, einfach (mediengerecht) zu formulieren.
Arenaauftritte sind für sie kein Problem. Es ist für sie selbstverständlich, dass die Medien personalisieren und ereignisorientiert arbeiten.
Ein Tabubruch wird in Kauf genommen. Die Massenmedien sind für sie kein Feinbild mehr.
Anderseits ist sich der jungen Generation zu wenig bewusst, dass Facebook, Homestorys zum Bumerang werden können. Da agieren junge Politikerinnen oft zu fahrlässig. Sie lassen sich auch als "Kleiderständer" ablichten (Modeschau der Nationalrätinnen).




Müssen Politiker unbedingt Arena-tauglich sein?


Unter Arena-tauglich verstehe ich, dass man fähig sein muss, komplexe Zusammenhänge verständlich, kurz und einfach darzulegen. Dass ein Politiker einen Gedanken frei- ohne abzulesen - vortragen kann.
So gesehen ist Arena-tauglichkeit ein Muss, sogar im politischen Alltag, an Meetings, am Telefon, bei der Behörde- oder Parteitätigkeit ist es hilfreich, wenn das Gegenüber Gedanken auf den Punkt bringen kann.




Die Schlacht um Medienpräsenz




Es ist verständlich, wenn Parteien alles tun, nur um zu einer Medienpräsenz zu kommen.
An konkreten Beispielen mangelt es nicht.
Es wird bewusst provoziert (Blocher)
Als Politikerin tritt man in den Medien als Sängerin auf.
Bei grosser Medienpräsenz können Politiker  vom Virus Mediengeilheit infisziert werden (Calmy-Rey).


Medien sind eine Macht.

Medien  sind anderseits immer auch ein Chance.
Es gilt die gesunde Balance zu finden zwischen zu viel und  zu wenig Medienpräsenz!
Der angemessen Umgang mit den Medien ist anzustreben.

Die Grenzen der Vereinfachung

Ich unterscheide zwischen Vereinfachen und simplifizieren.

Vereinfachungen dürfen Sachverhalte nicht verfälschen.

Wir müssen stets die Frage stellen: "Ist es noch richtig oder schon falsch?"



Politiker, Parteien und das Kreuz mit der Botschaft oder dem Leitbild



Warum kennen viele Parteien  die magische Zahl 1 bei der Kernbotschaft nicht?
Beispiele: SP, FDP, SVP
Wenn wir eine Botschaft auf den Punkt bringen wollen, gibt es ein bewährtes Prinzip: Das Prinzip der Veranschaulichung EINER Aussage.

- Sommaruga und ihre Kernbotschaft


Medien wollen Geschichten und Bilder
aber leider auch das Aussergewöhnliche, das Negative, Emotionen, Personen (gewisse Medien: Blut, Sperma, Tränen).

Zur Kraft des Bildes
Parteien und Politiker müssten eigentlich EinBILDER werden.
Wer undeutliche, vage, unklare, allgemeine Bilder vermittelt, muss sich nicht wundern, wenn er missverstanden wird.
Bsp.: Neujahrskarte Calmy-Rey.
Auch das Image (Ruf) einer Partei oder einer Politikerin hängt mit dem Wort BILD zusammen.

--> Geschichte Papagei:


Jemand wollte ein einer Zoohandlung einen Papagei kaufen.
"Dieser schöne bunte Vogel kostet 300.-- Fr.", sagte die Verkäuferin.
"Und der kleinere dort?"
"Der kostet 600.--!"
"Weshalb ist er so viel teurer?", wollte der Käufer wissen.
"Er kann schon Worte nachsprechen."
"Was kostet dann der farblose, Papagei dort hinten, dem einige Federn fehlen?"
"Der kostet 5000.-- Fr!"
"Weshalb?"
"Alle sagen ihm CHEF."

FAZIT: Der Ruf (die Marke) ist auch bei Politikern ausschlaggebend.


Worte, die keine Bilder auslösen, bewirken nichts!
Bei jedem Medienauftritt haben wir die Chance, unser Leitbild zu "verkaufen".



Werkzeuge im Umgang mit Medien, die wir kennen aber auch verinnerlichen müssen.
Der Umgang mit Medien gilt es jedoch zu lernen, wie das Lesen und Schreiben


 Erkenntnisse aus der Praxis:

- Die Arbeit im Simulator

- Parteien und Politiker, die glauben, medientaugliches Verhalten sei eine Begabung, wissen nicht, dass....

- Auch der Pilot kann fliegen und geht dennoch in den Simulator
Stichworte:

EINSTELLUNG

HOFNARR

PHAENOMEN STIMME

DER START IST DIE HALBE MIETE


Aus den ABC der Medienrhetorik:

AAA

BBB

TTT / TTT


MMMM

Parteivorstände, angehende und bewährte Politiker können im Alltag die Wahrnehmung auch beobachtend schulen und  von den Fehlern der Konkurrenten lernen.
Dazu benötigen wir jedoch  unsere Sinne.



FAZIT:


Welches Lernbild nehmen Sie mit fürs 2011 mit?




Viel Erfolg!

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FRAGEN???????????????????



Nachtrag zur Vertiefung:


PARTEIEN UND MEDIEN
Der folgende Text beschäftigt sich mit der Rolle der Medien im Zusammenwirken mit den Parteien. Oft werden die Medien als "vierte Gewalt" im Staat (neben Exekutive, Legislative und Judikative), moderne Demokratien als "Mediendemokratien" bezeichnet. Was steckt hinter diesen Schlagworten? Welche Macht haben Medien tatsächlich? Wie lassen sich ihre Funktionen im Zusammenspiel mit den anderen Teilen des intermediären Systems, insbesondere natürlich mit den Parteien, beschreiben?
Politik in modernen Staaten und Massengesellschaften ist ohne die Massenmedien nicht mehr möglich. Anders als im antiken Athen können sich die Bürger nicht mehr auf der agora versammeln, um die anstehenden Entscheidungen zu diskutieren.Politik wird massenmedial vermittelt. Was wir über die Politik unseres Landes wissen, haben wir im wesentlichen durch Fernsehen, Radio und Zeitung erfahren. Insofern kommt den Medien im intermediären System eine zentrale Rolle zu.
Verbände und Parteien betreiben Öffentlichkeitsarbeit, das heißt, sie versuchen gezielt, die Medien zu nutzen. Hier zeigt sich einmal mehr, wie eng verflochten und aufeinander angewiesen die Teile des intermediären Systems sind.


Parteien und Medien

Die Fabel von der Magd und von der Vierten Gewalt



Es war einmal ein demokratisches Land mit zwei großen Parteien, die beherrschten das Volk über das Parlament. Das Parlament nannten alle die Erste Gewalt. Die Weisen der Parteien legten ihre Weltanschauung in schönen Programmen als Botschaften an das Volk nieder. Und wenn die Zeit gekommen war, dann wählte das Volk das beste Programm aus; und diese Partei hatte die Macht für vier Jahre und regierte so, wie sie es versprochen hatte. Die Regierung hieß die Zweite Gewalt, und damit alles seine Richtigkeit hatte, gab es noch die Rechtsprechung als Dritte Gewalt, die aufpasste, dass niemand einen anderen betrog.
Damit die Bürger in den Städten und Provinzen die Regierungstaten erfahren und die Gegenvorschläge der Opposition im Parlament abwägen konnten, gab es die Presse. Dieses Medium diente den Politikern zur Übermittlung ihrer Nachrichten und Botschaften. Die dienenden Medien waren also eine Art Dienstmädchen, auch Magd der Politik genannt. Sicher, sie tuschelten auch mal gerne ein bisschen in der Küche oder in der Kneipe nach der Kirche über ihre Herrschaft — man nannte das Kommentar. Aber jeder wusste doch immer genau, was Dienst war, nämlich die Nachricht, und was Schnaps war, nämlich die Meinung. Kurzum: Die Medien verstanden sich als die Chronisten und die Herolde, als die demokratischen Wächter und manchmal als die (durchaus angesehenen) Hofnarren in unserem Reich. So nannten sie sich selbst auch stolz die Vierte Gewalt, obwohl das in der Verfassungsurkunde gar nicht so aufgeschrieben stand.
Soweit die schöne Fabel aus der goldenen Zeit der Demokratie, als alles noch so einfach war. Die Regierung regierte, die Opposition war dagegen, die Gerichte tarierten alles aus, und die Presse berichtete »all the news that fit to print« (So lautet das berühmte Motto, das täglich auf der ersten Seite der New York Times steht), damit das Publikum wusste, was Sache war.

Die Wirklichkeit heute? Nein, schon falsch: die Debatte über die Wirklichkeit heute? Parteien in der Krise, Regierungen instrumentalisieren die Medien. Die Medien vermischen Meinung, Meldung und Unterhaltung; sie interessieren sich nur für ihre Renditen und für ihre Einschaltquoten. Es gibt Scheckbuchjournalismus, Politiker haben sogar schon von Schweinejournalismus gesprochen. Die Medien berichten nur noch über Personen, Spektakel und Skandale, über das, was man symbolische Politik nennt, nicht aber über die wirkliche Welt. Sie unterhalten sogar noch einige Nachrichtenredaktionen, aber diese müssen Infotainment bringen. Die Gerichte laufen dem allen hilflos hinterher oder fällen auch noch erratische Urteile. Das Publikum wird manipuliert und über den Löffel balbiert, von allen gemeinsam. Die Zeit ist nicht mehr weit, wo nicht nur »Mr. Chance« wie in dem bekannten Film glaubt, mit einem Zappen der TV-Fernbedienung unangenehme Situationen der wirklichen Welt einfach »wegmachen« zu können.
Was ist die Moral von der Geschichte? Traue den alten Fabeln nicht! Weder dem Märchen von der Presse als der dienenden Magd noch als der mächtigen Vierten Gewalt als lautstarkem Sprachrohr des Bürgers. Beides hat es so idealtypisch nie gegeben (...). Es war immer schon alles viel komplizierter. Misstrauisch sollte man auch sein bei manchen neuen wissenschaftlichen Mythen von der zukünftigen Multimedien-Macht und der fraktalen Politik im Cyberspace von CNN und Berlusconi. Ein Blick in die Mediengeschichte zeigt, dass ein Bismarck sich kaum weniger virtuos in der Medienmanipulation verhielt, und dass ein Machiavelli im Prinzip ebenfalls schon alles wusste (und im »Principe« aufgeschrieben hat).
(...) Symbolische Politik ist absolut nichts Neues (...). Ich möchte das Augenmerk auf die vielen wichtigen kleinen konkreten Veränderungen lenken. Wirkliche Revolutionen sind nämlich seltener, als ihre Protagonisten glauben. Was spielt sich zwischen Parteien, Medien und dem Publikum wirklich ab?
[aus: Ulrich von Alemann, Parteien und Medien, in: O. Gabriel u.a. (Hg.), Parteiendemokratie in Deutschland, Bonn BpB 1997]