Sonntag, 3. September 2017
Arbeiten ohne Chefs?
Swisscom schafft Chefs ab
Unter dieser Schlagzeile werden die Vorteile des hierarchielosen Arbeitens gepriesen.
Mitarbeiter am Scrum Board werden gezeigt. An "neudeutschen" Fremdwörtern mangelt es nicht, wie:
Modell Scrum
Squard als Projektteam
Die agile Organisationsform wird empfohlen
Wir lesen von:
Soziokratie
Holokratie.
Ich zitiere den Text eines Agile Coachs:
(Name)........ Agile Coach und Scrum Master.
Gerade auf agiler Projektbasis bei Scrum-, Kanban- oder Lean-Projekten
führt oftmals ein dogmatisches Vorgehen zum Scheitern der Projekte.
Wenn Sie auf der Suche nach einem Agile Coach/Scrum Master sind, freue ich mich von Ihnen zu hören.
Skills:
CSM (Certified Scrum Master der Scrum Alliance)
CSP (Certified Scrum Professional der Scrum Alliance)
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Es würde
mich wundern, wenn Sie als Leser all diese Begriffe - ohne zu googeln - richtig
umschreiben könnten. Tests in Weiterbildungsveranstaltungen waren jedenfalls
ernüchternd.
80 % der Befragten verstanden "Bahnhof".
Weshalb stotzen trotzdem Ausschreibungen von Beratern mit solchen Fremdwörtern?
Sie klingen gut und signalisieren Kompetenz. Die Schreibenden gehen davon aus, dass ihre Arbeit
dank der unverständlichen Begriffe etwas Besonderes, etwas Neues ist.
Aus meiner Sicht als Kommunikationsberater ist aber die Verständlichkeit stets wichtiger, als unverständliches "Denglisch".
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Erstaunlich!
Chefs sollen heute keine Chefs mehr sein.
Sie sind nur noch Koordinatoren.
Die Fallstricke des hierarchielosen Arbeitens wird aber in den jüngsten Beiträgen nur am Rande erwähnt.
- Denn es muss in "Squards" meist länger gearbeitet werden. Das
ist man dem Team verpflichtet
- Weil man täglich im Teams präsent sein muss, wird das
Teilzeitarbeiten erschwert (laufend gibt es Meetings)
- Wie steht es mit den Karrieremöglichkeiten?
- Wer beurteilt künftig wen?
- Entscheider das Team über die Höhe der Salaire?
"Firma ohne Chef" klingt spannend und gut.
Vor allem wenn das Modell mit so "kompetent" klingenden Fremdwörtern geschmückt wird.
Versuche, den Druck von oben abzubauen, sind nicht neu:
Nachdem in Schulen die Lehrer nur noch Lernbegleiter sein sollten, wenn Professoren die Studierenden nur noch als Coach betreuen dürfen, wenn in Spitäleren Aerze nur noch in Teams über Eingriffe befinden würden, müssen wir uns fragen, ob die Balance zwischen Aufwand und Ertrag noch stimmt. Das cheflose Arbeiten ist nicht überall umsetzbar.
In zahlreichen Weiterbildungsveranstaltungen über Teamkommunikation wurde von den Teilnehmenden erkannt, dass letztlich alle Teams auch geführt werden müssen.
Gespräche ohne Leitung ohne Moderation verkommen zu Palaverstunden.
Ich zitiere aus 20 Min:
Innerhalb der Firma sind es bereits 1500 der 18'000 Angestellten. Und bis in zehn Jahren soll gar die Hälfte der Mitarbeiter in «offeneren» Strukturen arbeiten, in denen sie sich selbstständiger organisieren können, wobei die Swisscom betont, es gebe auch da weiterhin Personen mit Chef-Rollen, die etwa «Strategien festlegen oder Budgets sprechen und steuern».
«Chefs müssen lernen, sich nicht einzumischen»
Auch bei der SBB, die ihre Informatikabteilung ohne klassischen Chef nach «agiler Methode» führt, zieht man ein positives Fazit: «Mitarbeitende können ihre Kompetenzen direkt und wirkungsvoll einbringen. Dafür braucht es keine Anweisung durch einen Chef.» Die Zusammenarbeit in kleinen, selbstorganisierten Teams strebe man längerfristig konzernweit an.
Für die bisherigen Chefs sei die Umwälzung jedoch nicht ganz einfach gewesen, wie SBB-Sprecher Oli Dischoe sagt: «Sich nur noch um das Was zu kümmern und nicht um das Wie, fällt vielen Vorgesetzten nicht leicht.» Sie müssten lernen, Verantwortung zu delegieren, ohne sich bei der Umsetzung einzumischen.
Noch weiter geht das Modell der Holokratie, das bei der Swisscom in der Personalabteilung bereits umgesetzt ist: Abteilungen werden dabei in sogenannten Kreisen organisiert. Innerhalb des Kreises können sich die Angestellten gleichberechtigt entscheiden. Zwar gibt es in diesem Modell keinen direkten Chef mehr. Ohne Hierarchie funktioniert es aber auch hier nicht: Jeder Kreis muss über seine Arbeit dem ihm übergeordneten Kreis Rechenschaft ablegen.
Auch die Webagentur LIIP hat dieses Modell bereits umgesetzt. «Entscheidungswege sind viel kürzer, weil Autorität verteilt und nicht nach oben kumuliert wird», erklärt die Firma. Dies sei gerade im Umfeld der schnelllebigen Internet- und Mobile-Softwareentwicklung von kapitalem Vorteil.
Ziel der Swisscom sei «extrem ambitioniert»
Personal-Experte Matthias Mölleney begrüsst es, dass mit Swisscom ein gewichtiger Arbeitgeber auf neue Arbeitsformen setzt. Dies zeige, dass sich Firmen zunehmend Gedanken machten, wie sie in der digitalisierten Arbeitswelt bestehen und Talente anlocken könnten. Bis in fünf bis zehn Jahren jedoch die Hälfte der Mitarbeiter entweder in eine Holokratie oder eine «agile Struktur» überzusiedeln, hält Mölleney für «extrem ambitioniert».
Mölleney vergleicht das holokratische Modell mit einer Wohngemeinschaft: «Auch dort gibt es keinen direkten Vorgesetzten, und trotzdem wird der Putzplan eingehalten.» Die Vorteile des holokratischen Organisationsmodells sieht er darin, dass die Angestellten mehr mitbestimmen können, wodurch die Motivation steige.
Arbeiten ohne Chefs passt nicht für alle Angestellten
Im Gegenzug fordere das Modell von den Angestellten eine grosse Eigenständigkeit, viel Disziplin und Verantwortungsbewusstsein. Deshalb entspreche diese Organisationsform auch nicht jedem Angestellten. «Jemand, der acht Stunden im Büro sitzt und Ende Monat seinen Lohn auf dem Konto haben will, tut sich sehr schwer mit der Holokratie.»
Dass künftig ein Grossteil der Schweizer Arbeitnehmenden in Strukturen ohne Chefs arbeiten werde, glaubt Mölleney nicht. «Das holokratische Modell kann in kreativen Branchen wie Werbeagenturen oder Software-Entwicklern oder bei jungen, innovativen Firmen wie Freitag gut funktionieren», so der Personal-Experte. Solche Firmen würden jedoch auch in Zukunft die Minderheit stellen. «Auf dem Bau oder im Detailhandel, also bei Tätigkeiten mit starren Abläufen, wird es weiterhin traditionelle Hierarchien brauchen», sagt Mölleney.
FAZIT:
Veränderungen sind nur dann lohnend, wenn sie zu Verbesserungen führen. Experimentieren ist selbsverständich o.k. Wenn sich jedoch zeigt, dass Veränderungen weniger effizient sind als bisherige Modelle, müssen wir den Mut haben, Bewährtes zu bewahren und auf Verschlechterungen zu verzichten. Ich bin überzeugt, dass viele cheflose Firmen bald wieder zurückburchstabieren werden.
LINKS:
Meetings als Zeitverschwendung. von Marcus Knill. Der bösartige Spruch hängt
bereits in vielen Sitzungszimmern: Sind Sie einsam? Arbeiten Sie allein?
www.rhetorik.ch/Meetings/Zeitverschwendung.html
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Notiert von marcus knill um 02:09