Gerhard Pfister weicht Fragen nicht aus.
von Marcus Knill *
Der CVP Kapitän freut sich, für das Wahljahr
2019 und kündigt an, dass er keinen Untergang für sich sieht, sollte die
CVP unter die 10-Prozent-Marke fallen. Er glaubt an seine Strategie und lässt sich nicht von PR Managern vom Kurs abbringen.
Pfister antwortet überlegt, geschickt auch auch ungeschminkte Fragen.
Ich zitiere aus einem Blick Interview:
Das Interview gab er in Oberägeri am Schiffsteg. Die Sonne über dem Ägerital drückt
den Nebel nach oben in Richtung Morgarten-Sattel und nach unten ins
Zugerland, als Gerhard Pfister kurz nach 15 Uhr eintrifft. Wäre es
nicht Winter, könnte der Kapitän der CVP Schweiz pünktlich mit dem
Nachmittagsschiff ablegen. Doch das Motorboot dümpelt im Winter im
Hafen, und Pfister, der auch die Ägerisee Schifffahrt AG präsidiert,
klettert über die Reling. Locker. Gut
gelaunt. Pfister ist zu Hause und lädt zum Spaziergang dem Ufer entlang.
BLICK, Herr Pfister, wie oft können Sie solche Tage am Ägerisee geniessen?
Gerhard Pfister:
Leider viel zu wenig. An den Wochentagen bin ich in Bern oder sonst
irgendwo in der Schweiz unterwegs, und so ist Oberägeri für meine Frau
Franziska und mich ein Rückzugsort an Wochenenden. Im Sommer lebt es
sich hier wie in den Ferien: Zu unserer Wohnung gehört ein kleines
privates Badeplätzchen, wo ich am liebsten täglich schwimmen ginge.
Sind Sie auch gerne am Ruder? Sie sagen ja nicht nur in der CVP, wo es lang geht, sondern auch in vielen Verwaltungsräten.
Ja,
ich habe gerne Führungsaufgaben. Aber derjenige, der in einem Boot am
Ruder sitzt, ist meist der Passivste. Ich bringe da lieber selber etwas
in Bewegung.
Rudern Sie auch sportlich?
Ja,
aber ich brachte es nie auf Skiff-Reife. Doch die frühere Privatschule
meiner Familie war die erste Besitzerin von Ruderbooten auf dem
Ägerisee. Daraus entstand ein Ruderclub, dem ich einige Jahre als
Mitglied angehörte.
Pfister
führt auf seiner Webseite Sport als Hobby auf. Nach Lesen und Kunst,
aber vor Reisen und Schreiben. Dies nimmt man dem doktorierten
Literaturwissenschaftler nicht so recht ab, wenn er gemächlich dem
Seeufer entlang spaziert. Doch Pfister insistiert: An Neujahr werde er
auf den Langlaufski stehen. Sein Arzt erlaube ihm dies nach einer
Knieoperation wieder.
Fühlen Sie sich fit fürs Wahljahr 2019?
Obwohl die Wahlvorbereitungen längst begonnen haben und schon jetzt fast jeder Abend besetzt ist, geht es mir gut.
Auch
Ihrem Rücken? Auf Ihrer Webseite steht ein Spruch der früheren
britischen Premierministerin Margaret Thatcher: «Das Rückgrat ist bei
vielen Politikern unterentwickelt. Vielleicht weil es so wenig benutzt
wird.»
Auf meiner Seite finden Sie noch andere Sprüche von
schlauen Politikern! Aber Danke für die Nachfrage: Meinem Rücken geht es
bestens.
Ist die eiserne Lady Thatcher ein Vorbild für Sie?
Ja.
Übrigens auch für die neue FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter!
Thatcher ist in meinen Augen ein Beispiel für Mut in der Politik. Sie
hat als wirklich unabhängige Frau und Politikerin oft und gern unbequeme
Positionen vertreten. Das hat mir immer sehr imponiert.
Sind
Sie ein eiserner Lord? Man sagt Ihnen ein teils unbeherrschtes,
ruppiges Verhalten nach. Während der Bundesratswahlen sollen Sie ein
paar mal die Fassung verloren haben.
Man kann sich nicht gegen Klischees wehren. Also lasse ich es.
Enthalten Klischees nicht immer einen Funken Wahrheit?
Ich
bin fordernd, das ist mir bewusst. Ich bin ungeduldig. Und ich streite
einfach gerne, wobei ich dies auf eine gute Art tun möchte. Streit
gehört meiner Meinung nach zur Politik. Wir Parlamentarier sind für
unsere Überzeugungen nach Bern gewählt und sollten diese mit Profil und
Herzblut vertreten.
KOMMENTAR:
Das unbeherrschte ruppige Verhalten wird in ein neues Licht gerückt. Pfister zeigt sich selbstkritisch. Der unterschwellige Vorwurf, dass er bei den Verwaltungsräten nicht Nein sagen kann, begründet er geschickt: "Ich übernehme gerne Führungsaufgaben. Ich will etwas in Bewegung setzen.
Aber steht nicht gerade Ihre CVP für politisches Wischiwaschi?
Das
zu verhindern, ist meine Aufgabe. Ich will der CVP mehr Ecken und
Kanten geben, mehr Profil. Ich selber mag keine Politiker, von denen man
nicht weiss, wofür sie stehen. Klare Meinungen sind mir viel lieber als
solche, die hinter einer Pseudo-Sachlichkeit versteckt werden.
KOMMENTAR:
Mediengerecht wird das negativ besetzte Wort Wischiwaschi nicht wiederholt. Der CVP Präsident sieht es als seine Aufgabe, der Partei klare Konturen zu geben. Er übernimmt die Verantwortung. Das macht ihn glaubwürdig.
Wie
klar darf es denn sein? Ist es okay, wenn SP-Chef Christian
Levrat FDP-Bundesrat Ignazio Cassis vorwirft, er betreibe Aussenpolitik
wie Viktor Orban, der rechtskonservative Ministerpräsident Ungarns, und verhalte sich wie ein dritter SVP-Bundesrat?
Cassis
wurde innerhalb eines Jahres vom Resetknopf-Drücker zum Euroturbo. Das
ist tatsächlich nicht glaubwürdig. Aber auch ich frage mich, was Cassis
denn wirklich will, und ob er die Position des Gesamtbundesrats
vertritt, oder einfach seine eigene momentane Tagesansicht, die er
wieder ändern kann. Der Orban-Vergleich von Levrat ist allerdings
absurd. So kommen wir auch nicht weiter.
Pfister
blinzelt in die Sonne. Er signalisiert, dass er lieber vorausschauen
möchte. Er rühmt den Blick über den See und die spezielle zugerische
Kombination von Tradition und Fortschritt, eidgenössischer
Geschichtstradition und internationalem Flair. Und den wirtschaftlichen
Erfolg seines Wohnortes, der sich am See ein modernes Hallenbad mit
einem Wellnessbereich geleistet hat.
Im
Ägerital engagiert sich Pfister auch für eine Klinik, eine
Sprachheilschule und die Interessensgemeinschaft Morgarten. Er begründet
dies mit Dankbarkeit gegenüber der Bevölkerung. Diese habe schon seinen
Vater und Grossvater, beide ebenfalls Kantonsräte – zu ihrem
öffentlichen Engagement bewogen.
Sehen Sie schwarz, dass die EU beim Rahmenabkommen der Schweiz noch entgegenkommt?
In
der jetzigen Situation mit dem Brexit und vor den Wahlen in Europa
stehen die Zeichen nicht so, dass sich die EU irgendwelche Konzessionen
gegenüber der Schweiz erlauben könnte.
Aber dann hat der Vertrag innenpolitisch doch keine Chance?
Wir
müssen uns einfach bewusst sein, dass wir einen Preis bezahlen, wenn
wir das Rahmenabkommen nicht unterstützen. Wie hoch er ist, werden wir
sehen. Es kommen sicher keine einfachen Zeiten auf uns zu: Wollen wir
eigenständig bleiben, müssen wir auf die Zähne beissen. Aber das ist
immer noch besser, als wenn wir im Frühjahr voreilig ein Rahmenabkommen
unterzeichnen, das innenpolitisch null Chancen hat.
KOMMENTAR:
Pfister nimmt Stellung und weicht nicht aus. Die Haltung von Cassis kann er nicht nachvollziehen und beim Rahmenabkommen ist er gegen eine vorschnelle Unterzeichnung. Jedenfalls nicht um jeden Preis. Er schliesste die Klammer zum ersten Teil des Interviews, wo er Wert darauf legt Rückgrat zu zeigen. Pfister will kein Widfähnchenpolitiker sein.
Das
Wahljahr 2019 bringt Pfister nicht aus der Ruhe. Der Jahreswechsel ist
für ihn kein politischer, sondern ein privater Termin, den er mit seiner
Frau, der Familie seines Bruders und seinem Schwager im Engadin
verbringt.
Bleiben Sie CVP-Kapitän, wenn Ihre Partei unter die Zehn-Prozent-Marke fällt?
Soweit
wird es nicht kommen, auch wenn die Wahlen kein Spaziergang sind. Ich
gehe nicht von einem Wechsel aus. Ich gebe aber gerne zu, dass mich die
Politik weiterhin extrem fasziniert.
Sie streben eine Wiederwahl als Nationalrat an. Würden Sie die ganze Legislatur im Amt bleiben – auch ohne CVP-Präsidium?
Ja,
auch als Präsident. Ich kann mir gut vorstellen, die CVP bis in die
Wahlen 2023 zu führen. Aber man kann es jetzt weder voraussagen noch
ausschliessen. Im Übrigen ist mir in dieser Frage Toni Brunner ein
Vorbild. Obwohl er sein halbes Leben in Bern verbrachte und SVP-Chef
war, liess er sich nie zu sehr vom Politbetrieb beeindrucken. Er blieb
bis zum Schluss sehr glaubwürdig darin, dass er Bern nicht vermissen
wird. Als ich das gesehen habe, habe ich mir gedacht: Das muss ich dann
auch mal hinkriegen.
KOMMENTAR:
Diese Sicht der persönlichen Situation nimmt man dem Parteipräsidenten ab.
Ich habe Gerhard Pfister auch bei anderen Auftritten beobachtet.
So auch an der Dreikönigstagung 2019. Dort hielt er eine vielbeachtete Rede und erntete von allen Seiten grosses Lob. Auch ich gab ihm
Als Beobachter an diesem Anlass gab ich ihm auch eine gute Note. Doch war diese Rede kein Medienauftritt, sondern vielmehr eine Vorlesung. Sehr gut formuliert, schnell gesprochen ohne Pausentechnik. Ohne Blickkontakt zum Publikum.
Die Rede war eigenhändig geschieben, gut durchdacht, doch abgelesen. Es war eine VorLESUNG.
Der Literaturwissenschaftler, der sich auch im Literaturclub zeigen darf, beeindruckte die Anwesenden, die Medienleute, Journalisten und Verleger. Pfister war sich wohl nicht bewusst, dass er zwar mit der hervorragend formulierte Vorlesung die Adressaten beeindruckte, aber dass der Inhalt durch das Ablesen von den zuhörern schlecht "verdaut" werden konnte. Die perfekt formulierten Gedanken folgten zu dicht aufeinander, ohne Pausen. Ich fragte nachher in der Pause eine Handvoll Journalisten, was hängen geblieben ist. Resultat: Sehr wenig bis nichts. Das erinnerte mich an einen Geistlichen, der an einer Abdankung eine wohlklingende perfekt formlierte Rede abgelesen hatte. Alle fanden zwar auch diese Rede brilliant aber niemand konnte nachher den Inhalt wiedergeben. Auf die Frage, was die Kernbotschaft des Geistlichen gewesen sei, wiederholten man mir immer wieder: Aber es war aber eine schöne Abdankung. " Isch doch e schöne Liich gsii". Leider genügt das nicht.
FAZIT:
Eine Rede ist keine Schreibe. Gerhard Pfister hat dann aber an der Dreikönigstagung vom 9. Januar in Zürich im Interview mit Matthias Ackert einmal mehr bewiesen, dass er mediengerecht und dialogisch sprechen kann. Mit Pausen, Blickkontakt und einfacher,"strassengängiger" Sprache.
* Marcus
Knill, Experte für Medienrhetorik (www.knill.com)
analysiert laufend Persönlichkeiten auf der virtuellen Navigationsplattform für
Medien und Kommunikation www.rhetorik.ch
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