Die Gegner der No-Billag-Initiative haben ihr Anliegen noch längst nicht in trockene Tücher gebracht. Laut der letzten
Tamedia-Abstimmungsumfrage Ende Dezember würde eine knappe Mehrheit von 51 Prozent ein Ja in die Urne legen.
Den Gegnern fehlte bislang ein starkes, charismatisches Aushängeschild.
Nun aber drängt die 37-jährige Bündnerin Ladina Heimgartner in den
Vordergrund. «Mit ihrer unbestechlich ehrlichen Art, die Dinge beim
Namen zu nennen, hat Ladina Heimgartner das Potenzial, zum Schreck der
No-Billag-Initianten zu werden», schreibt die «SonntagsZeitung». Vier
Gründe, warum Heimgartner den No-Billag-Freunden gefährlich werden
könnte.
Von der Germanistik-Studentin zur SRG-Vize-Generaldirektorin
Ladina Heimgartner (37) hat in Freiburg Germanistik und
Rätoromanisch studiert. Sie arbeitete bei den «Freiburger Nachrichten»
und dem «Bünder Tagblatt» bevor sie zur SRG stiess. 2014 wurde
Heimgartner zur neuen Direktorin von RTR Radiotelevisun Svizra
Rumantscha gewählt. Seit Oktober 2017 ist sie stellvertretende
SRG-Generaldirektorin. Ausserdem ist sie Präsidentin der Glückskette und
Mitglied der Eidgenössischen Medienkommission. Im letzten Jahr wurde
die Bündnerin zu den Top 100 erfolgreichsten Frauen der Schweiz gekürt.
1. Sie ist selbstkritisch
«Ja,
wir haben Fehler gemacht», sagte Ladina Heimgartner kürzlich an einer
Podiumsdiskussion. Es sei der SRG nicht gelungen, aufzuzeigen, welchen
Nutzen die Menschen in der Schweiz von einem öffentlichen Medienhaus
haben, sagte sie zur
Wochezeitung WOZ.
Ausserdem sei die Schweiz ein KMU-Land, ein Büezerland. «Und wir sind
gross und komplex.» Grösse sei in der Schweiz nichts Sympathisches.
Zudem wirke die SRG vielleicht zu selbstsicher. «Wenn wir als arrogant
empfunden werden, ist das unser Problem, nicht jenes der Leute, die uns
so wahrnehmen. Ein öffentliches Medienhaus hat nicht arrogant zu sein –
Punkt.»
Im Interview mit der «Südostschweiz am
Wochenende» verschonte Heimgartner auch ihre SRG-Kollegen nicht mit
Kritik, die teils mit emotionalen Tweets zur Initiative an die
Öffentlichkeit getreten waren. «Eine gewisse Gelassenheit und
Zurückhaltung, gerade in den sozialen Medien, täten uns schon gut»,
sagte Heimgartner, die sich auf Twitter bescheiden als «medienschaffende
Rätoromanin» bezeichnet.
Laut Kommunikationsexperte
Marcus Knill punktet Heimgartner mit Eigenschaften, durch die sich
andere SRG-Führungskräfte nicht gerade auszeichnen: «Ladina Heimgartner
kann Fehler eingestehen und ist einsichtig. Ihre Aussagen wirken ehrlich
und nicht berechnend.» Insbesondere der ehemalige SRG-Generaldirektor
Roger de Weck habe bei Publikumswünschen überheblich gewirkt und mit
seiner Art viele Menschen vor den Kopf gestossen. «Da sitzt der Frust
tief. Viele wollen der arroganten SRG einen Denkzettel verpassen.» Ob
Heimgartners Selbstkritik das Publikum noch rechtzeitig zu besänftigen
vermöge, bleibe abzuwarten.
2. Sie hat ein gewinnendes Auftreten
«Sie
spricht alle vier Landessprachen, ist telegen und formuliert griffig»,
schrieb die «NZZ am Sonntag». Knill lobt Heimgartners Charisma: «Sie
wirkt anständig, erfrischend und freundlich. Und zwar von innen heraus.
Da ist nichts gekünstelt. Man glaubt ihr, was sie sagt.» Die Frau wirke
authentisch und versprühe Optimismus. Man spüre ihre Leidenschaft für
die SRG. Und diese könne ansteckend wirken. «Das ist eine unglaubliche
Stärke, die ich bei SRG-Generaldirektor Gilles Marchand oder
SRG-Präsident Jean-Michel Cina – beide sind eher blasse Figuren –
vermisse», sagt Knill. Trete Marchand ans Rednerpult, habe man das
Gefühl, dass er verzweifelt versuche, die Gefahr abzuwenden. Da wirke
Heimgartner mit Abstand am glaubwürdigsten. Und das sei genau das, was
die SRG jetzt brauche.
Auch fehlt es Heimgartner, die mit
ihrem Kurzhaarschnitt SVP-Nationalrätin Natalie Rickli ähnlich sieht,
nicht an der Eigenschaft, sich selber nicht allzu ernst zu nehmen. Im
Interview mit der WOZ räumte sie lachend ein, sie könne nicht
abstreiten, dass es für ihre Karriere ein Glücksfall ist, dass es das
Rätoromanische gibt. «Frau, etwas jünger, Rätoromanin, Randregion – das
sucht man heute in so einer Firma.»
3. Sie will die Jungen abholen
18-
bis 34-Jährige konsumieren deutlich seltener SRG-Angebote als ältere
Semester, was für die Zukunft der SRG eine grosse Herausforderung
darstellt. Ladina Heimgartner (Jahrgang 1980) ist bestrebt, junge
Generationen abzuholen. Neben SRG-Sendern schaut sie auch Netflix, RTL,
Vox und 3+. «Es ist wichtig für mich, die aktuellen Entwicklungen
mitzuverfolgen», sagte Heimgartner gegenüber dem Bündner Newsportal «GR
Heute». Von privaten Anbietern könne man lernen. Netflix mache «tolle
fiktionale Serien», Vox «spannende Unterhaltungsformate». Ihr sei
bewusst, dass die jungen User nicht mehr um 19.30 Uhr vor der
«Tagesschau» sitzen. «Wenn wir die junge Generation ansprechen wollen,
müssen wir dahin gehen, wo sie ist.»
Kommunikationsberater
Knill glaubt, dass Heimgartner aufgrund ihrer Jugendlichkeit bei der
jungen Zielgruppe mit ihrer Message eine grössere Glaubwürdigkeit
geniesst als etwa Marchand. Die Medienplattform Horizont.net ist denn
auch überzeugt, dass die neue SRG-Führungscrew Heimgartner nicht ohne
Hintergedanken zur stellvertretenden Generaldirektorin befördert hat.
Wolle man die Digital Natives, die an Gratiskultur gewöhnt seien,
überzeugen, sei ein junges Gesicht im Abstimmungskampf von Vorteil.
4. Sie ist offen für Veränderungen
Der Wunsch eines grossen Teils der Bevölkerung, die SRG zu verschlanken,
wurde in der Vergangenheit von der Führungsspitze und der Politik
geflissentlich ignoriert. Umso mehr erstaunt es, dass Heimgartner eine
kleinere Radiotelevisiun Svizra Rumantscha RTR in Betracht zieht.
«Natürlich ginge es auch etwas kleiner», sagte sie gegenüber der WOZ.
«Aber nicht, ohne dass ein Teil des Publikums etwas dabei verliert.»
Wenn das heutige Modell nicht mehr das richtige sei, müsse man es
weiterentwickeln. So sieht Heimgartner die durch die
No-Billag-Initiative angestossene Diskussion denn auch als Chance: «Wir
haben noch nie so viel über uns selber erfahren, so viel Selbstreflexion
betrieben wie jetzt.»
Wohin die Reise gehen könnte,
deutete die Tochter eines Hotelbesitzerehepaars im Interview mit «GR
Heute» an. Der kurzfristige individuelle Nutzen sei heute für viele
wichtiger geworden. Daher müssten sich neue Kernideen des öffentlichen
Medienhauses herausbilden, mit denen sich die Menschen identifizieren
könnten: «Es geht um ein Lebensgefühl, das ein Medienangebot vermitteln
muss. Mit diesem müssen sich die Zielgruppen identifizieren können:
«Wenn man das zukünftig als öffentliche Institution nicht hinbekommt,
wird es langfristig schwierig.»
Nachtrag:
PERSOENLICH.COM beleuchtet die heisse Schlussphase.
Es wird an allen Fronten duelliert mit BILD und WORTEN.
Im
Kampf um «No Billag» haben am Dienstag beide Lager zu Medienkonferenzen
nach Bern geladen. Die Befürworter präsentierten eine neue Version der
künftigen SRG. Die Gegner wiederholten die Untergangszenarien. Ein
Besuch an zwei Fronten.
An der DREIKOENIGSTAGUNG habe ich folgendes Duell miterlebt:
Furioser Schawinski – verletzter Rutz
An der Dreikönigstagung sind in einem Streitgespräch die Klingen gekreuzt worden. Das Video in voller Länge.