Daniel Leupi, Sie waren am Polizeieinsatz vom Sonntag zwar
nicht operativ beteiligt, tragen aber die politische Verantwortung.
Warum haben Sie bis jetzt geschwiegen?
Daniel Leupi: Weil ich mir zuerst ein genaues Bild davon
machen musste, was am Sonntag gelaufen ist. Ich bin kein Freund von
Schnellschüssen.
Schwere Krawalle in Zürich
Der Einsatz wird von Bürgerlichen als zu lasch kritisiert, von den
Linken als richtig und vom Polizeisprecher gar als vorbildlich
beurteilt. Ihr Urteil?
Grundsätzlich hat die Polizei richtig und verhältnismässig reagiert.
Wären wir härter vorgegangen, hätte es geheissen, die Polizei sei
brutal.
Warum wurde die Demo nicht früher gestoppt?
Die Demo verlief lange ruhig und die Gesundheit der grösstenteils
friedlichen Teilnehmer ist höher zu gewichten als allfällige
Sachschäden.
Das ist ein schwacher Trost für jene, die zerschlagene Fenster zu beklagen haben.
Das kann ich gut nachvollziehen, aber ein gewisses Risiko gehört zu
einer freien Gesellschaft. Leider gibt es Leute, die jede Gelegenheit
für Randale nutzen. Die Polizei kann diese Gruppen zwar lenken, aber
nicht alles verhindern.
Kommentar: Niemand kann garantieren, dass man alles verhindern kann. Das ist sicherlich allen klar. Ein Polizist bringt es in einem Feedback auf den Punkt:
Es ist
schlimm jedesmal nur zuzuschauen, wie diese Krawallbrüder fremdes
Eigentum zerstören. Die Polizeiführung verbietet uns aber, einzugreifen.
Alle haben Angst die Verantwortung zu übernehmen, wenn es von den
Medien heisst, die Polizei sei zu hart vorgegangen. Dabei erwartet das
Volk doch von uns, dass wir ihr Eigentum schützen. Aber eben, wir dürfen
nicht. Thomas V,
Es wird langsam mühsam: Nach all den jahrelangen Erfahrungen der Polizeivorstände: "Eingreifen - nicht eingreifen" ( 1. Mai Demos) müssten eigentlich neue Politiker nicht wieder bei Adam und Eva anfangen. Bei allen kriminellen Handlungen gilt das Prinzip der Verhältnismässigkeit. Dies ist selbstverständlich. Die Gesundheit des Kriminellen ist höher zu gewichten als der Schutz des Privateigentums - Diese Devise darf nicht oberste Priorität haben. Mit diesem Credo liefert Leupi der SVP einen Steilpass, um gegen ihn politisch weitere Tore zu schiessen.
Nachtrag BLICK:
Brisanter Vorwurf von SVP-
Nationalrat Christoph Mörgeli:
Wie er gegenüber «TeleZüri» erklärte, soll
der grüne Zürcher
Polizeivorstand Daniel Leupi während der unbewilligten Demonstration
gegen die Ausschaffungsinitiative am Sonntagabend gesagt haben, dass er
lieber auf der Seite der Demonstranten stehen würde.
Mehrere
Polizisten im Einsatz haben gemäss Mörgeli die Aussage von Leupi gehört.
Das sei «untragbar», findet Mörgeli – der auch den Polizeieinsatz für
völlig unzureichend hält. Im «Tages-Anzeiger» von heute hatte sich Leupi
nicht zu seinem Aufenthaltsort während den schweren Ausschreitungen
äussern wollen.
Leupi widerspricht: Er habe keinerlei Verständnis
für Krawallmacher. Er habe lediglich Sympathien gezeigt für Menschen,
die keine Freude am Abstimmungsergebnis gehabt hätten – dies sei ja eine
klare Mehrheit der Bevölkerung der Stadt Zürich.
Kommentar: Hier handelt sich um Aussage gegen Aussage. Die erste Aussage Leupis hingegen, dass ihm der der Schutz der Gesundheit der Demonstranten wichtiger ist als der Schutz des Privateigentums - diese Aussage ist unbestritten. Leupi muss sich deshalb nicht wundern, wenn ihm die Oeffentlichkeit nicht abnimmt, er hätte nicht gesagt, dass er eher auf der Seite der Demonstranten gestanden habe.
Nachlese Tagi:
Leupi soll während der unbewilligten Demonstration gesagt haben, dass
er lieber auf der Seite der Demonstranten stehen würde. Dies soll Leupi
während des Umzugs gegenüber Polizisten geäussert haben, sagte Mörgeli
auf TeleZüri.
Leupi hatte zuvor in einem TA-Interview keine Aussagen
darüber gemacht, wo er sich während der Demonstration aufgehalten hatte.
Kein Verständnis
Auch
am Rande der gestrigen Gemeinderatssitzung wollte Leupi dazu nicht
Stellung nehmen. Er sagte nur, er habe Verständnis für Leute, die über
das Ja zur SVP-Ausschaffungsinitiative enttäuscht gewesen seien, wie
eine Mehrheit der Zürcher Bevölkerung.
Er habe aber kein
Verständnis für Leute, die Gewalt anwenden würden. Wenn Mörgeli ihm
Sympathien für solche Gewalttäter unterstellen wolle, sei dies schlicht
lächerlich. Der SVP-Nationalrat wolle ihn in die linksextreme Ecke
stellen und eine Polemik entfachen, auf die er sich nicht einlasse.
«Bis spätabends gearbeitet»
Gemäss
Aussage der beiden Gemeinderäte Niklaus Scherr (AL) und Balthasar
Glättli (Grüne) hat Leupi am Sonntag bis spätabends in seinem Büro
gearbeitet. Anschliessend sei er auf dem Nachhauseweg in der
Löwenstrasse auf den Demonstrationsumzug getroffen.
Leupi habe
nicht an der Demo teilgenommen. Mitmarschiert am Umzug «gegen Rassismus
und reaktionäre Hetze» ist Niklaus Scherr, wie er gestern im Gemeinderat
in einer persönlichen Erklärung erzählte. Dabei ging er auch auf die
Sachbeschädigungen ein. Diese seien von der «Hammerfraktion» im Umzug
begangen und so blitzschnell ausgeführt worden, dass auch ein
Grossaufgebot der Polizei chancenlos gewesen wäre.
SVP reicht Interpellation ein
Die
SVP-Fraktion bezeichnete die Taktik der Polizei in einer Erklärung als
verheerend und das Vorgehen als naiv und blauäugig. Eine illegale
Ansammlung von Personen für eine nicht bewilligte Kundgebung sei von
Anfang an und notfalls mit Gewalt aufzulösen. Die Polizei müsse auch das
im Jahr 2004 erlassene Vermummungsverbot durchsetzen.
Die SVP
werde den Verdacht nicht los, dass in der Stadt Zürich für linke Chaoten
ein rechtsfreier Raum geschaffen wurde. Die Partei hat deshalb gestern
eine Interpellation mit zwölf Fragen eingereicht. Sie will vom Stadtrat
unter anderem wissen, warum sich der unbewilligte Demonstrationszug in
Bewegung setzen konnte und warum nur eine Person verhaftet wurde.
NACHLESE:
Leupi musste eingestehen, dass er vor Polizisten Verständnis gezeigt hatte für die Demonstranten.
Dass dies bei Polizeikorps nicht gut ankam, ist nachvollziehbar. Es ist frustrierend, wenn Polizisten, die unter Druck stehen nicht eingreifen dürfen, wenn vor ihnen offensichtlich Sachbeschädigungen ausgeübt werden. Polizeichef Leupi muss über die Bücher gehen mit seiner Aussage, dass ihm die Gesundheit der Demonstranten wichtiger sei als der Schutz des Privateigentums. Am 1. Mai kommt für ihn die Nagelprobe.
Ich bin sicher, dass die Bevölkerung kein Verständnis hat für die bisherige Haltung des Polizeichefs. Ein Polizeichef müsste gelernt haben, seine persönliche Position nicht öffentlich preiszugeben.
Anstatt einzugestehen, dass es unklug war, die Sympathie für die Demonstranten vor einzelnen Polizeibeamten mitzuteilen, schob Leupi nachträglich den Polizisten die Schuld in die Schuhe, weil sie seine Bemerkung weitererzählt hatten. Leupi: "Diese Polizisten haben sich illoyal verhalten und schaden letztlich ihren Kollegen." Loyalität ist bekanntlich keine Einbahnstrasse. Auch ein Polizeivorstand müsste sich dem Korps gegenüber loyal verhalten und dürfte ihnen nicht mit unbedachten Aeusserungen in den Rücken fallen.
Nachlese 5. Dezember:
Wieder sorgt Daniel Leupi wegen einer Aussage für Aufregung:
Nach seiner Idee könnte die Stadt Zürich ein eigenes Bordell betreiben. Das sollte kein "Tabu" sein.