Micheline Calmy-Reys unglückliche Hand als Politikerin
30. Januar 11: Die Vorwürfe an die Führungsriege des jungen Staates Kosovo sind happig. Nicht nur der Marty-Bericht zum Organhandel-Skandal, auch die jüngst publik gewordenen Nato-Papiere
stellen das Regime in Pristina an den Pranger. Trotzdem sieht
Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey keinen Anlass, die bilateralen
Beziehungen zum Kosovo infrage zu stellen, wie sie in einem Interview
der «Zentralschweiz am Sonntag» darlegte. Im Gegenteil. Die
Sozialdemokratin will gar einen Ausbau der Mittel prüfen. (Quelle 20 Min)
Blick 1.2.11
KRITIK AN MCR:
Die Aussenpolitische Kommission des Nationaltrats (APK) liess sich
gestern gegen Abend von FDP-Ständerat und Europaratsermittler
Dick Marty
über den Untersuchungsbericht zum Organhandel im Kosovo infomieren.
Laut Informationen von blick.ch hinterliess Marty in der APK wie zuletzt
schon im
Europarat
einen überzeugenden Eindruck. Kein einziges Mitglied habe seine
Erkenntnisse und Schlussfolgerungen in Frage gestellt, hiess es.
Die Kommission hat eine Motion verabschiedet, in der der
Bundesrat
aufgefordert wird, alles in seiner Macht stehende zu unternehmen, um
die vom Europarat angestrebte juristische Klärung der Vorwürfe zu
ermöglichen. Im Vordergrund steht, dass Eulex, die
EU-Rechtsstaatlichkeitskommission für den Kosovo, eine Untersuchung
einleitet. Marty erhob in seinem Schock-Bericht schwere Vorwürfe an
Kosovos Regierungschef Hashim Thaci und weitere ehemalige Kommandanten
der Befreiungsarmee UCK. Sie seien nach dem Kosovo-Krieg Ende der 90er
Jahre unter anderem in illegalen Organhandel und die Ermordung von
Gefangenen zwecks Organentnahme verwickelt gewesen. Marty bezeichnete
Thaci und Konsorten als Köpfe einer mafiosen Vereinigung, die auch im
Drogen- und Waffenhandel sowie der Prostitiution und weiteren Verbrechen
tätig gewesen beziehungsweise noch immer tätig sei.
Scharfe Kritik an Calmy-Rey
So
sehr Marty unterstützt wird, so sehr kritisieren Kommissionsmitglieder,
dass sie 2008, als es die Schweiz den Kosovo anerkannte, nicht vom
Bundesrat beziehungsweise Aussenministerin
Micheline Calmy-Rey über die Vorwürfe gegen Hashim Thaci und weitere Top-Politiker Kosovos informiert wurden.
Denn
mittlerweile ist klar, dass westliche Regierungen und Geheimdienste
seit mindestens einem halben Dutzend Jahre über die ungeheuerlichen
Vorwürfe im Bild waren. «Ich fühle mich hintergangen», sagt etwa
FDP-Aussenpolitiker Walter Müller (SG). Der Bericht von Dick Marty sei
für ihn «sehr plausibel», sagt Müller. Die Reaktions Thacis, der Marty
mit Nazi-Verbrecher Josef Goebbels verglichen habe, spreche für sich:
«Sie illustriert den geistigen Hintergrund solcher Leute. Wer sich so
äussert, hat wohl kaum eine weisse Weste.»
Erneute KRITIK: Calmy Rey macht was sie will.
Jedes Jahr aspirieren Hunderte von Nachwuchstalenten in den
diplomatischen Dienst, ein halbes Dutzend schafft jeweils die letzte
Hürde, die Empfehlung der Zulassungskommission des Aussendepartements
(EDA). Doch seit
Micheline Calmy-Rey Aussenministerin
ist, bedeutet das Ja der Zulassungskommission nicht mehr aller Tage
Abend:
Calmy-Rey hat nun zum zweiten Mal innert weniger Jahre im
Schnellverfahren und kraft ihres Amts den Entscheid der Kommission
umgangen.
2006 hat sie sechs Männer des diplomatischen Nachwuchses
ausgebootet, um geschlechtliche Parität herzustellen; kurz vor
Weihnachten 2010 hat sie drei von der Kommission nicht berücksichtigte
Frauen nach persönlichen Gesprächen für den Einführungskurs zugelassen.
«Das sind Quotenfrauen, die Wahl ist ein Handicap»
Calmy-Rey
brüskiert damit nicht nur die Zulassungskommission, aus der 2006 vier
Mitglieder aus Protest zurückgetreten sind. Sie löst auch bei
Parlamentariern der Aussenpolitischen Kommission (APK) Kopfschütteln
aus. Unverständnis äussert beispielsweise die Genfer FDP-Nationalrätin
Martine Brunschwig Graf. Sie habe Mühe mit solchen willkürlichen,
politischen Personalentscheiden.
Den Frauen erweise Calmy-Rey damit
keinen Dienst, insbesondere nicht den von ihr zusätzlich ausgewählten:
«Die Wahl ist für sie kein Vorteil, sondern in erster Linie ein
Handicap. Sie sind Quotenfrauen.»
Natürlich werde das Vorgehen
Calmy-Reys in der nächsten APK-Sitzung im März ein Thema sein, und
wahrscheinlich auch in der Fragestunde zu Beginn der Frühlingssession.
Doch sie wisse schon heute, wie Calmy-Rey auf die Fragen reagieren
werde, sagt Brunschwig Graf: «Sie beruft sich auf das Gesetz und darauf,
dass der endgültige Entscheid in ihrer Kompetenz liege.»
«Vorher überlegen»
Wenn
schon, fügt Bunschwig Graf hinzu, müsste man mit der Frauenförderung
weiter unten ansetzen und bei der Rekrutierung den Frauenanteil erhöhen.
Doch den Eingriff in den Wettbewerb von höchster Stelle hält sie für
problematisch. «Das ist keine Banalität, das ist gefährlich.»
Nicht
einverstanden ist auch GLP-Nationalrätin Tiana Moser, ebenfalls
Mitglied der Aussenpolitischen Kommission. Frauenförderung sei zwar ein
berechtigtes Anliegen, doch Micheline Calmy-Rey müsse sich «vorher
überlegen», wie sie die Vertretung der Frauen im diplomatischen Dienst
verbessern könne.
«Wenn die Spielregeln feststehen, muss man sich daran
halten.»
«Calmy-Rey macht, was sie will»
Maximilian
Reimann, SVP-Ständerat aus dem Kanton Aargau, kann Calmy-Reys
Personalpolitik nicht nachvollziehen, wie er zu
Tagesanzeiger.ch/Newsnetz sagt:
«Micheline Calmy-Rey stellt Feminismus
über alles. Das geht nicht, vor allem nicht in der Aussenpolitik und bei
so schwierigen Posten wie denjenigen eines Diplomaten.»
Reimann,
der bis vor zwei Jahren Mitglied der Zulassungskommission für den
diplomatischen Dienst war, sieht im Vorgehen der Bundesrätin auch einen
Nachteil für die Bevorzugten selbst. «Sie werden im Dienst überfordert
sein. Zudem müssen sie nach einem Jahr eine Prüfung ablegen, dann werden
wir das Resultat sehen.» Weil Calmy-Rey dannzumal nicht mehr im Amt
sein werde, zerbreche er sich jetzt nicht den Kopf über die
Angelegenheit. «Eine Frage stellen, was nützt das? Calmy-Rey macht, was
sie will. Aber ihr Nachfolger muss diese verfehlte Personalpolitik
korrigieren und entweder die Zulassungskommission aushebeln, oder deren
Entscheide respektieren.»
SP-Nationalrätin
Christine Goll steht voll und ganz hinter ihrer Parteikollegin
Calmy-Rey: «Solche Provokationen sind notwendig, damit sich etwas
bewegt.» Sollte bei der Auswahl des diplomatischen Neumitglieder noch
keine Geschlechterquote bestehen, wäre es höchste Zeit für eine solche,
sagt Goll.
MCR rechtfertigt die guten Beziehungen mit dem Mubarak Clan:
Die Schweiz müsse «mit allen Ländern wenn immer möglich gute Beziehungen» pflegen, sagt Micheline Calmy-Rey. (Bild: Keystone)