«Man kann ein Kind nicht zu einem Genie machen»,
sagt Forscherin Elsbeth Stern.
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| Nach Elisabeth Stern unternehmen die Eltern alles, damit ihr Kind gefördert wird. Vielen Jugendlichen wird die Kindheit gestohlen. Die Freizeit wird genutzt für Förderkurse, Ballett, Frühenglisch, Musikunterricht. Entscheidend wäre jedoch, dass das Kind vor allem LESEN und SCHREIBEN lernt. | | |
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| Um die Intelligenz im Rahmen der genetischen Anlagen optimal zu entwickeln, braucht ein Kind vor allem emotionale Geborgenheit und sprachliche Zuwendung. |
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| Viele Eltern sind sich nicht bewusst, wie wichtig das Geschichten erzählen, vorlesen und das Gespräche führen mit dem Kind ist. |
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ZUM INTERVIEW: |
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Schon früh geraten Kinder in die gigantische Mühle der
Förderpädagogik – Babyschwimmen, Ballett, Frühenglisch und
Musikunterricht. Bringt dies etwas?
Nein, überhaupt nicht. Viele Dinge kann ein Kind später viel leichter
lernen, wenn es einiges an Vorwissen mitbringt. Ein Kind sollte
grundsätzlich in diesem Alter nicht zu sehr fremdbestimmt sein. Zum
Beispiel ist es völlig kontraproduktiv, einem Dreijährigen Geige
beizubringen, wenn er dazu keinerlei Tendenzen zeigt. Um schlau zu
werden, muss ein Kind auch nicht unbedingt ein Musikinstrument spielen,
sondern später vor allem lesen und schreiben können. Das ist
entscheidend.
Lässt sich – allem elterlichen Engagement und
Ehrgeiz zum Trotz – der Bildungserfolg eines Kindes somit nicht mit
etwas mehr Drill und Disziplin in die gewünschten Bahnen lenken?
Kinder sollten das lernen, was im Bereich ihrer Möglichkeiten liegt. Und
Eltern sollten nicht glauben, dass sie bei der geistigen Entwicklung
ihres Kindes alles in der Hand haben und es mit Druck beliebig trimmen
können. Kinder sollten möglichst selbstbestimmt leben und das machen,
was ihnen wirklich wichtig ist und wofür sie auch begabt sind. Um
Intelligenz im Rahmen der genetischen Anlagen optimal zu entwickeln,
braucht ein Kind vor allem emotionale Geborgenheit und sprachliche
Zuwendung.
Viele Eltern haben grosse Angst, dass sie eine
Chance für ihre Sprösslinge verpassen und sich ein «Lernfenster» für
immer schliesst. Gibt es dies also gar nicht?
Doch, aber nur beim natürlichen Spracherwerb. Wenn Eltern die
Möglichkeit haben, ihr Kind zweisprachig zu erziehen, sollten sie diese
unbedingt nutzen. Damit machen sie dem Kind ein grosses Geschenk. Doch
ein bisschen Frühenglisch bringt gar nichts. Viel wichtiger für den
späteren schulischen Erfolg ist es, mit Kindern von Anfang an viel zu
sprechen, ihnen Geschichten vorzulesen, ihnen zuzuhören und ihren
Wortschatz ständig zu erweitern. Sehr früh sind Kinder auch auf eine
korrekte Sprache und Grammatik angewiesen. Damit kann man viel bewirken.
Ein Fernseher kann diese Art der Kommunikation nicht ersetzen.
Was halten Sie davon, dass in der Schweiz nur rund zwanzig Prozent der Kinder aufs Gymnasium gehen können?
Dies finde ich im Gegensatz zu Deutschland richtig, wo die Hälfte der
Schüler aufs Gymnasium geht und die meisten davon nur mittelmässig
begabt sind. Denn dies ergibt sich zwangsläufig aus der Normalverteilung
der Intelligenz.
Dennoch plädieren Sie dafür, auch in der Schweiz noch zusätzlich zur Aufnahmeprüfung IQ-Tests einzuführen.
Ja, aber nicht flächendeckend, sondern nur in Einzelfällen. Denn es
schlummern bei einigen Schülern Potenziale, die nicht entdeckt werden.
Wenn ein Kind zum Beispiel überdurchschnittlich gut in Mathematik ist,
aber aufgrund eines Migrationshintergrunds in Deutsch die erforderlichen
Leistungen für den Übertritt aufs Gymnasium nicht schafft. In solchen
Fällen ist es wichtig, dass diese Kinder bereits rechtzeitig in der
Primarschule erkannt und dann auch gezielt gefördert werden.
Liesse sich die Quote von rund zwanzig Prozent dann überhaupt noch einhalten?
Ja, denn auch in der Schweiz sind auf dem Gymnasium Kinder, die dort
eigentlich nicht hingehören und nur durchschnittlich intelligent sind.
Wir haben IQ-Tests in mehreren Gymnasien gemacht und festgestellt, dass
auch viele der Schüler in der Schweiz unter dem theoretisch errechneten
Mindest-IQ sind, der bei 112,6 liegt. Dieser Wert kommt zustande, wenn
wirklich nur die zwanzig Prozent der Intelligentesten aufs Gymnasium
gehen würden. Leider ist dies auch hierzulande nicht der Fall. Bei
unseren Stichproben lag mehr als ein Drittel unter dem IQ 112,6.
Wie sieht Ihrer Meinung nach guter Unterricht aus?
Die Schüler sollten die Zeit dort intensiv nutzen und nicht verplempern.
Schule ist zum Lernen da und nicht zum Herumhängen. Danach können die
Kinder auch wieder eine Zeit lang machen, was sie wollen. Das ist
genauso wichtig. In Zusammenarbeit mit der Jacobs Foundation haben wir
jetzt in insgesamt 300 Deutschschweizer Primarklassen begonnen,
Naturwissenschaften zu unterrichten. Und gehen mit Experimenten unter
anderem den Fragen nach: Warum schwimmt ein Schiff? Wie breitet sich
Schall aus? Was hält Brücken zusammen? Danach müssen die Schüler den
Versuch beschreiben. Auf diese Weise vermitteln wir Vorkonzepte über
Dichte, Auftrieb, Statik oder Akustik, anstatt die Kinder schwarze
Löcher mit Knete basteln oder Pirat spielen zu lassen. Der Inhalt und
die Vermittlung von Wissen ist das Wesentliche.
Letztes
Wochenende hat ein zwölfjähriger Schweizer in seiner Alterskategorie
die europäische Olympiade im Kopfrechnen gewonnen. Ist dafür eine
besondere mathematische Begabung notwendig?
Nicht unbedingt. Kopfrechnen ist eine sehr spezifische Sache, für die
man Konzentration und viel Übung braucht, aber nicht hochbegabt sein
muss. Man kann zum Beispiel auch Gedächtnisweltmeister für Zahlen
werden und sich auf Zuruf 100 Zahlen merken. Dafür gibt es Tricks mit
Bildern: Die 1 ist ein Stock, die 7 ein Zwerg, die 0 ein Ei. Danach
setzt man sich die Zahlen und Bilder zusammen. Dafür braucht es viel
Zeit und Training. Wer dies macht, ist dadurch aber nicht automatisch
gut auch im Vokabellernen. (Tages-Anzeiger)
KOMMENTAR: Ich habe heute in Schaffhausen wieder die vier Kinderbetreuerinnen gesehen, die jeden Tag Kleinkinder im Vorschulalter in grössen Wagen (bis zu sechs Kleinkinder die - in einem Gefährt einpfercht - dösen vor sich hin) stundenlang durch die Strassen der Stadt ziehen oder stossen. Keine Betreuerin spricht mit den Kindern. Sie fahren einfach mit ihrem "Betreuungsgut" die Betreuungszeit ab. Die Kinder werden sich selbst überlassen. Ab und zu unterhalten sich die jungen Frauen lediglich unter sich. Die Kinder befinden sich - wie eine Ware - im Wagen. Ein trauriges Bild. Wenn sich die Eltern der "abgeschobenen" Kleinkinder bewusst wären, wie wichtig die emotionale Geborgenheit und die sprachliche Zuwendung ist, würden sie sich vermehrt für die geistige Entwicklung ihres Nachwuchses sorgen und ein paar Jahre den eigenen Kindern widmen und auf eine Stufe ihrer Karriereleiter verzichten. Was nämlich in dieser wichtigen, prägenden Phase versäumt wurde, kann später kaum mehr wettgemacht werden.
Das Interview der Wissenschafterin im Tagesanzeiger verdeutlicht, dass die Bezugspersonen im Vorschulalter und in der Schule extrem wichtig sind. Ein Kind lernt nicht durch Vernachlässigung. Kinder müssen das Lernen lernen aber auch die Freizeit geniessen dürfen.
Es gilt die Balance zu finden zwischen fördern (fordern) und Freizeit.
Nach dem Interview Sterns müssen wir uns somit auch fragen, ob die Quotenrregelung an den Mittelschulen richtig ist.