Samstag, 17. September 2011

Wie Jutta Ditfurth Dialoge sprengen konnte


Die Grünen-Mitbegründerin Jutta Ditfurth hält nicht mehr viel von ihrer ehemaligen Partei: "Die Grünen sind heute nichts anderes als eine FDP mit Fahrrad."





Am 16. September wurde an den 8. Schaffhauser Wirtschaftsimpulsen die Thematik "Wachstum- Fluch oder Segen?" von unterschiedlichsten Seiten beleuchtet. 





Nachdem  Jutta Ditfurth  bei ihrem Impulsreferat mit ihrer pointierten Gegenposition beim Publikum  punkten konnte,  erntete sie dann in der Diskussionsrunde mit der Starbesetzung Wellershoff, Wallraff, Pauli und Deiss unter der Leitung des Medienprofis Brennwald nur noch Minuspunkte.


Die Veranstalter wünschten bewusst eine konkradiktorische Auseinandersetzung mit der vorgegebenen Thematik und das Publikum erlebte dann auch  die Kontrapunkte im Podiumsgespräch und zwar  ungeschminkt und hautnah. Jutta Ditfurth gelang es, sich über alle Regeln der Gesprächskultur hinweg zu setzen. 
Es war erstaunlich, wie es es verstand, jeglichen Konsens zu sabotieren und echte Dialoge zu sprengen.
So wie ein pubertierendes Kind, das antiautoriär "erzogen" wurde und sich an keine Regel halten will, spielte sie auf der Klaviatur der Provokation. Sie brachte es sogar fertig, einen Joseph Deiss aus der Reserve zu locken, Wellershoff zu destabilisieren und mit primitivsten Techniken, den Moderator auszuklammern.
Ein paar Beispiele:

Ein Moderator hat bekanntlich in seiner Rolle das Recht und die Pflicht, Fragen zu stellen. Die Teilnehmer müssen sich den Spielregeln  unterordnen. Doch Jutta Ditfurth war nicht bereit, sich befragen zu lassen. Nachdem sich   Reto Brennwald erlaubte, seine Frage zu wiederholen, die Ditfurth als gewiefte Debattiererin nicht beantwortet hatte, griff sie den Moderator mit einer Unterstellung frontal an:
"Sie wollen, dass ich das sage, was Sie wollen. Ich sage, was ICH denke!"
(analog einem pubertierenden Kind, das trotzt und sagt: Ich mache was ICH will!)
Nachdem Ditfurth - sie ist die heutige Vorsitzende der bunten Fraktion -  das Wort ständig an sich gerissen hatte und vom Moderator gestoppt werden musste (was auch seine Pflicht ist) konterte sie: "Ich rede nicht in Schlagzeilen!" (Ein pubertierendes Kind würde sagen: Ich rede solange ich will!)

Wurde Sie hingegen von anderen Gesprächsteilnehmern, die von Ditfurth ständig unterbrochen wurden, freundlich gebeten,  den Satz doch zu Ende sprechen zu dürfen, entgegnete die Provokateurin:
"Wir haben hier einen Dialog!"
Erstaunlich, dass es dieser Frau im Podiums gelang, Deiss mit der ständigen Unterbrechungstaktik so zu destabilisieren, bis er entnervt, dieses provokative Unterbrechen als pathologisch bezeichnete.
Ditfurth gelang es zudem, selbst Wellershoff  zu irritieren, indem sie ihn seine Person nicht neutral und parteiisch bezeichnete.
(So wie ein rebellierendes Kind, das mit Vorwürfen und Unterstellungen Eltern zu manipulieren versteht. Der Trick: Man spielt auf die Person)
Erstaunlich, dass es diese spät pubertierende Politikerin auch fertig brachte, einen Moderator einfach zu ignorieren und auszuklammern. (auch mit Körperhaltung und Blickkontakt). Nachdem Reto Brennwald auf die Spielregeln verwies,  drohte Ditfurth: "Wenn ich nicht sagen kann, was ich will,  verlasse ich das Podium."
(Analog dem Verhalten eines antiautoritär "erzogenen" Kindes, das den Eltern droht, es werde ausziehen, wenn es kein neues Handy bekommt)
Ich beschäftige mich seit Jahren mit Dialogik. Ich habe selten erlebt, wie es jemand so plump fertig bringt, sich über alle  Regeln der Gesprächkultur eigenmächtig hinwegzusetzen. Aeusserlich setzte die Provokantin auch noch einen knallroten Fächer ein, den sie dominant einsetzte. Gockel wollen auch mit dem roten Kamm die eigene Position stärken.

Der Gipfel der Ich-Bezogenheit verriet Ditfurth, indem sie forderte: "Wenn ich schon Gelegenheit habe, vor den Medien meine Sicht darzulegen, so will ich dies hier in Schaffhausen auch tun" (Erinnerte erneut an ein  pubertierendes Kind:  Ich will... ich muss - aber subito!).
Das Schaffhauser Publikum erlebte an dieser spannenden Podiumsveranstaltung live einen Lehrfilm, der  für Kommunikationsseminare verwendet werden könnte. Nicht alle ertrugen zwar diese penetrante ICH-bezogene Provokateurin. Viele verliessen  - offensichtlich genervt - vorzeitig den Saal.

Fazit:
Ein Musterbeispiel, wie sich eine hochintelligente, eloquente Rhetorikerin selbst demontierte, weil sie den Unterschied zwischen Rhetorik und Dialogik nicht kennt.
Das Verhalten Jutta Ditfurth veranschaulicht uns, dass Dialog  Austausch sein muss. Zuhören, sich an Spielregeln halten, das Gegenüber wertschätzen (auch wenn man nicht einverstanden ist mit ihm) gehört zum ABC jeder Kommunikationskultur. Wer diese Voraussetzungen nicht mitbringt, dürfte eigentlich nicht eingeladen werden.
Der Veranstalter brachte es am Schluss erfreulicherweise fertig, das  Streitgespräch - in einer kurzen Zusammenfassung - gekonnt auf einen Nenner zu bringen:

1. Beim Thema "Wachstum- Fluch oder Segen?" scheiden sich die Geister.

2. Eine "Entweder - Oder Haltung" bringt uns nicht weiter.

3. Wachstum kann sowohl Segen sein, als auch  Gefahren in sich bergen.


4.  Wir müssen uns der Grenzen des Wachstum stets bewusst bleiben.


Es gab Feedbacks von Teilnehmern, die das Sprengen des Dialoges nicht bei der Bombenlegerin suchten, sondern bei den Opfern.


So habe ich gehört:


Wellershoff hätte mit seiner wachstumsfreundlichen These die deutsche Referentin gereizt. Er sei im Grunde genommen schuld


Oder: Reto Brennwald hätte sich besser vorbereiten müssen. Er habe nicht recherchiert, mit wem er es zu tun habe.


Zu den Podiumsteilnehmern, die zu Statisten degradiert worden waren, wurde gesagt: Sie hätten die Dominanz der "Spielverderberin" selbst verschuldet. Sie hätten sofort hart kontern müssen.



Nachtrag (Analyse aus dem Blog LUPE)


Lupe, der Satire-Blog: Wirtschaftsimpulse'11 (Kommentar) 





die referentenliste war vielversprechend: 
- klaus w. wellershoff, ökonom und lanjähriger ubs-kadermann,
- günter wallraff, enthüllungsjournalist, autor
- peter pauli, ceo eines solar-technologie-unternehmens
- jutta ditfurth, soziologin, publizistin und gründungsmitglied der grünen deutschlands
- joseph deiss, präsident uno-generalversammlung und alt-bundesrat

In einer ersten runde erläuterten die 5 referenten in einem 20-minütigen kurzreferat ihren standpunkt zum thema. im zweiten teil wurde auf dem podium ziemlich hart und kompromisslos diskutiert.
die eintretensreferate waren grundverschieden aber sehr unterhaltend und zum nachdenken anregend, das podium von unüberbrückbaren ansichten geprägt. reto brennwald, erfahrener schweizer arena- und rundschau-moderator geriet bisweilen durch die impulsive art der teilnehmer an die grenzen seiner möglichkeiten.

ich verzichte auf inhaltliche replik. beschränke mich auf eine kurze einschätzung der leistungen der einzelnen exponenten:

  • wellershoff: trat in gewohnt unterhaltender manier auf, referierte frei und hatte die lacher auf seiner seite. glänzen konnte er mit seinem referat wie auch seinem podiumsauftritt nicht. er schien sich diesmal sichtlich die sache etwas zu leicht gemacht zu haben, war zu wenig auf die gegnerschaft vorbereitet.  auf die attacken von jutta ditfurth reagierte er naiv mit gegenangriffen und fixierte sich fortan nur noch auf ditfurth-konter.
  • wallraff: starkes referat, gut vorbereitet, guter auftritt, gute konter, zeigte wellershoff klar die schwächen seines einstiegsreferates auf. etwas zu negativ-orientiert. im gelang gegen ende immerhin, ditfurth zu überzeugen, vom verlassen des podiums abzusehen. 
  • pauli: etwas farblos, wollte anhand einer firmenpräsentation aufzeigen, warum wachstum notwendig sein muss. immerhin, der erfolg seiner solarunternehmens gibt ihm recht.
  • ditfurth: starkes referat, gute konter und zwischenrufe. erntete zu beginn oft szenenapplaus, auch von wirtschaftsleuten. verspielte aber daraufhin durch ihr arrogantes, überhebliches ich-bezogenes auftreten ohne jeglichen anstand gegenüber moderator und teilnehmern, jegliche sympathien. wurde sie in die enge getrieben, weil sie z.b. schlicht keine lösungen für eine null-wachstumsversion hatte, reagierte sie fast pöbelnd anschuldigend. dass sie gegen ende gar zweimal drohte, das podium zu verlassen, liessen ihre sympathiewerte auch bei linken frappant weiter sinken. 
  • deiss: schwaches referat, verpasste die steilvorlage von wellershoff, begnügte sich, eine aufzählung von erfolgen seiner uno-amtszeit in überlänge darzubieten. deiss verfügt aber über eine gesunde portion trockenen humors, mit dem er angespannte situationen entschärfen konnte. in der diskussion konnte er dann seine stärken zeigen. 
  • moderator brennwald: zu beginn des podiums stark, leitete klar, hielt dann aber dem druck der deutschen diskussions(un)kultur bald einmal nicht mehr stand und gab die leitung im zweiten teil des podiums entnervt aus der hand. deiss sah sich genötigt, brennwald humorvoll zu fragen, ob er ihn unterstützen könne. kontraproduktiv auch, wenn der podiumsleiter den teilnehmern in der schlussrunde gleich mehrere fragen in einem guss stellt.  

2. Nachtrag:
Ditfurths Kommunikationsverständnis verriet sie schon 2008 bei Anne Will. Ich zitiere die Welt:

Wie Jutta Ditfurth bei Anne Will die Nerven verliert

Über explodierende Energiepreise wollte Anne Will in ihrer Sendung reden, doch hoch gegangen ist gestern Abend nur eine: Die Ex-Grünen-Politikerin Jutta Ditfurth. Sie redete sich um Kopf und Kragen und forderte nebenbei eine Revolution – und weniger "Propagandagesülze" der Energiekonzerne.
Kopfschütteln, schweres Atmen: Knapp eine halbe Stunde begnügte sich Jutta Ditfurth, die Mitbegründerin der Grünen, die 1991 aus der Partei ausgestiegen war, damit, schweigend gelegentlich ihren Fächer hektisch hin- und herzuschütteln, als müsse sie selbst den Strom der Sendung mit Windenergie produzieren.


Dann platze es aus ihr heraus: „Ich kann so viel Propagandagesülze geballt auf einem Haufen mit meinem Temperament nur schwer ertragen“, stöhnte sie. Ein Dorn im Auge waren ihr dabei besonders der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), der sich für eine längere Laufzeit der Atomkraftwerke in Deutschland aussprach und Rolf Martin Schmitz, Vorstandsvorsitzender der RheinEnergie AG. Für den „schlechten Ruf“ der Energiekonzerne in der Öffentlichkeit sei sie „herzlich dankbar“, gab sie Schmitz mit auf den Weg, immerhin bestünden diese zurecht. „Sie reden einfach Blödsinn!“, unterbrach sie Wulff unwirsch an anderer Stelle.

Mit einer sachlichen Diskussion hatte das zwar nicht mehr viel zu tun, sorgte aber wenigstens für einen gewissen Unterhaltungswert im üblichen Parteiphraseneinerlei mit festgeschrieben Positionen.