Samstag, 6. September 2008

Rhetorische Frage oder Aussage?

Micheline Calmy-Rey fühlt sich mit der Frage, ob man nicht auch mit dem Terroristenführer einen Dialog führen solle, missverstanden und greift den Journalisten an, der ihre Frage publiziert hatte.

Ich zitiere NZZ- online:

Calmy-Rey straft ausländische Journalisten ab

Michelin Calmy-Rey beschwerte sich bei der Agence France Presse und fordert Konsequenzen.

Wenn die Schweizer Aussenministerin laut denkt

Verwirrung nach Calmy-Reys Eröffnungsrede zur Botschafterkonferenz

Sorgt für Verwirrung: Bundesrätin Micheline Calmy-Rey.
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Sorgt für Verwirrung: Bundesrätin Micheline Calmy-Rey. (Bild: Reuters)

Die Schweiz wolle Usama bin Ladin treffen, heisst es auf einzelnen internationalen Nachrichtenseiten. Und: die Schweiz sei das erste demokratische Land, das sich mit einem Terroristenführer an den Tisch setzen wolle. Selbst eine grössere Schweizer Tageszeitung glaubte, ein Treffen zwischen Calmy-Rey und bin Ladin stehe kurz bevor.

Viel zu reden gibt derzeit nicht die Botschafterkonferenz selbst, sondern eine Passage aus Bundesrätin Calmy-Reys Eröffnungsrede. Eine rhetorische Frage der Aussenministerin suggeriert sowohl im Ausland wie auch hierzulande, die Schweiz sei bereit, sich mit dem Kaida-Führer Usama bin Ladin an einen Tisch zu setzten.

Ein Tabu gebrochen

Laut der französischen Zeitung «Le Monde» soll die Schweizer Aussenministerin bereit sein, sich mit Usama bin Ladin an den Tisch zu setzen. Damit sei ein Tabu gebrochen worden, weil die Schweiz sich als erstes demokratisches Land bereit erklärt habe, mit einem Anführer einer terroristischen Organisation einen Dialog zu führen, schreibt «Le Monde» weiter.

Kommentar: Worte sind immer ernst zu nehmen. Die öffentliche Diplomatie d.h. die Tendenz in der Oeffentlichkeit laut zu denken, wird der von den Medien getragenen Aussenministerin immer mehr zum Stolperstein. Zu oft tappt Sie mit Ihrer angeblichen offen Art ins Fettnäpfchen. Wird sie falsch verstanden, sieht sie den Fehler auf der Gegenseite. Es gibt ein Axiom bei kommunikationsprozessen:

Bei Missverständnissen ist in der Regel der Sender schuld!

(Kopftuchgeschichte, Lybien Geiselbefreiung ...). Neu sorgt eine rhetorische Frage für grossen Aerger. Frage an die Aussenministerin: Wer hat die rhetorische Frage gestellt?

In Krisen gehört der Chef auf Deck

Samuel Schmid scheint diese Regel der Krisenkommunikation nicht zu kennen. In der schlimmsten Situation taucht er ab. Wer dem Verteidigungsminister beigebracht hat im falschen Moment zu schweigen - abzutauchen und im falschen Moment eine Medienkonferenz einzuberufen weiss ich nicht. Jedenfalls ist es mit dem Kommunikationsmanagement im VBS nicht zum Besten bestellt, obschon es dort viele Kommunikationsspezialisten hat.

Blick-online schreibt über das jüngste Abtauchen des angeschossenen Bundesrats:
schmid ab nach china topteaser

Samuel Schmid fliegt weg!

Ausgeflogen: VBS-Chef Schmid – ab nach China! (Keystone/Montage BLICK)

Es brennt nach wie vor lichterloh im Hause Schmid. Daran änderte auch die Medienoffensive von Verteidigungsminister Samuel Schmid am Donnerstag nichts. Offene Fragen bleiben, und die Fraktionen der Bundesversammlung verlangen Aufklärung. Ausgerechnet jetzt sucht der angeschlagene Bundesrat das Weite.

Gestern Abend um 19.30 Uhr flog Schmid laut VBS von Zürich Richtung China ab. Um in Peking an den paralympischen Spielen den Gesamtbundesrat zu vertreten. Am Dienstag wird er wieder in Bern erwartet.

VBS-Kommunikationschef Jean-Blaise Defago sagt: «Es waren nur falsche Entscheide möglich. Wäre Bundesrat Schmid nicht nach Peking gereist, hätte es geheissen, er habe weiche Knie bekommen.»

Aber geplant ist auch ein Treffen mit dem ersten Vize-Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission Chinas, General Guo Boxiong. Und da ist er schon wieder beim leidigen heimischen Thema. Boxiong ist der ranghöchste uniformierte Militär Chinas – sein Schweizer Pendant bis im Sommer war also Roland Nef. Der abgesetzte Armeechef, über den Schmid jetzt stolpern könnte. Danach sieht es im Moment aus. Diese Woche musste er einräumen, dass er ein halbes Jahr früher vom Nötigungsverfahren wusste als bisher zugegeben. Das habe er aber vergessen gehabt. Politiker aller Couleur wollen wissen: Hat Schmid jetzt endlich die ganze Wahrheit gesagt?

Stimmt eine Aussage von Nef in der Sicherheitskommission, geht aber auch die Vergesslichkeitstheorie nicht auf. Nef sagte, als er im Frühling 2007 Schmid über das Verfahren informieren wollte, habe der gesagt, er wisse schon davon. Offene Fragen – und die Parteien misstrauen Schmid zunehmend. FDP und SP fordern, dass die Geschäftsprüfungskommission (GPK) bis im Dezember Klarheit über die Umstände der Nef-Wahl schafft. Das verlangte gestern auch die CVP. Und: «Über das Vorgehen der Wahl und den Informationsstand von Bundesrat Schmid bestehen Unsicherheiten.» Die Grünen fordern längst Schmids Rücktritt, und bei der SVP hat er ohnehin keinen Kredit. Christoph Blocher liess gestern offen, ob er nochmals als Bundesrat kandieren will. Die Frage sei müssig, denn die anderen Parteien würden Schmid sowieso stützen, so Blocher. Er könnte einer der Letzten sein, der das glaubt.

Die GPK kündigte gestern an, dass sie bis Anfang November einen Zwischenbericht zur Affäre vorlegen will. Fällt der für Schmid negativ aus oder kommen bis dahin weitere Gedächtnislücken zum Vorschein, werden ihm die Parteien das Vertrauen entziehen. Und, sollte er noch zur Wahl des Vizepräsidenten des Bundesrats antreten, durchfallen lassen. Das wäre das politische Ende.

Es brennt, der Hausherr ist ausser Landes. Die Feuerwehr ist nicht in Sicht.

Nachtrag aus news.ch:

Grunder bedauert Schmids Kommunikationspannen

Bern - BDP-Nationalrat Hans Grunder distanziert sich vorsichtig von BDP-Bundesrat Samuel Schmid.

PS: Grunder stand bis anhin immer hinter Schmid