Dienstag, 6. Oktober 2009

Meinungsfreiheit versus Religionsfreiheit

oder:

Verstösst das neue Antiminarett Plakat gegen die Rassismusbestimmungen

Immer wieder zeigt sich, dass Provokateure profitieren, wenn Plakate verboten werden. Dank des Protestes wird das Plakat erst recht beachtet und zusätzlich auf allen Medienkanälen kostenlos verbreitet. Wenn wir darüber diskutieren, müssen wir hier das Bild ebenfalls publizieren, damit sich die Leser über den Sachverhalt eine Meinung bilden können.

Ich zitiere Tagi :

Minarett-Plakate: Basel verbietet sie, Zürich zaudert

Städte hadern mit Minarett-Plakat

Die Minarett-Gegner dürfen ihre Abstimmungsplakate in Basel nicht auf öffentlichem Grund aufhängen. Auch Zürich und Winterthur tun sich schwer mit dem Plakat.

6. Oktober 2009

Quelle NZZ

Basel-Stadt verbietet Anti-Minarett-Plakate

Blick:

Anti-Minarett-Initiative: Basel verbannt Droh-Burka aus seinen Strassen

Rückschlag für die rechten Anti-Minarett-Kreuzritter: Die Stadt Basel verbietet die «rassistischen» Plakate. Soweit sind Zürich und Luzern noch nicht.

Kommentar: Selbst, wenn alle Kantone das Plakat verbieten, profitieren die Macher des Droh Burka Bildes. Dank des Verbotes in Basel ist das verbotene Plakat bereits in aller Leute Augen (über die online Berichte und die Artikel in den Gratiszeitungen). Die Darstellung beeinflusst die Meinung der Bevölkerung. Bilder wirken unbewusst und suggestiv. Ein PR Profi hätte bestimmt abgeraten, das Plakat mit Verboten so billig aufzuwerten. Falls es nämlich nicht aufgehängt werden darf, werden die Plakate ohnehin illegal plakatiert und in der Bevölkerung regt sich zwangsläufig Widerstand gegen die angebliche Beschneidung der Meinungsfreiheit. Nichts ist schlimmer für Provokateure als das, wenn sich niemand provozieren lässt.

Nachtrag Tagi online:

Umstrittenes Minarett-Plakat: Auch die Medienhäuser tun sich schwer

Nicht nur die Städte, auch die Medienhäuser haben Mühe mit dem Minarett-Plakat: Ringier lehnt die Publikation des umstrittenen Sujets konsequent ab. Andere Verlage prüfen, ob sie das Plakat überhaupt drucken wollen.

20 Min:

Wirbel um Anti-Minarett-Initiative

JSVP schockiert mit Anti-Minarett-Plakat

Auf einem neuen Plakat der JSVP Luzern verdrängt ein Minarett den Wasserturm. Muslime sind schockiert: Das Plakat erinnert sie an die Judenhetze im Dritten Reich. Mehr...

Nachtrag Tagi online:

Stadt St. Gallen lässt Anti-Minarett-Plakat zu

Während andere Grossstädte zögern, das Anti-Minarett-Plakat zuzulassen, hat die Stadt St. Gallen bereits einen Entscheid gefällt. Es hat den Aushang der umstrittene Plakate bewilligt.

Der Wirbel geht weiter:

Ich zitiere Blick:

SVP-Vordenker Christoph Blocher vor einer Wand mit den Anti-Minarett-Plakaten.

Die Wogen gehen hoch wegen des neusten Coups der SVP-Propagandisten: Das Plakat mit einer Frau in einer schwarzen Burka und Minaretten in Form von bedrohlichen Langstreckenraketen geht für viele Menschen unter die Gürtellinie

Doch so weit die Werber mit ihrer Kampagne gegen Minarette auch gehen – gegen das Antirassismus-Gesetz verstossen sie damit offenbar nicht. Diese Wertung kommt von einem Gremium, das sich selten auf die Seite der SVP schlägt, der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR). Sie stützt sich dabei auf frühere Urteile zu kontroversen Inseraten. «Von der heutigen Rechtslage und den bereits von Gerichten ausgesprochenen Urteilen ausgehend muss geschlossen werden, dass diese und ähnliche Plakate strafrechtlich nicht verboten sind», schreibt die EKR in ihrem Bericht. Kommission will SVP-Spielraum einschränken Das ist aber kein genereller Freipass für grenzwertige SVP-Kampagnen. Im Gegenteil: Der Präsident der Kommission machte klar, was er persönlich von dem Minarett-Plakat hält: «In einer Demokratie gibt es keinen Freipass für Hasspredigten und für die Diffamierung von Minderheiten», so der Basler Historiker. Dementsprechend kritisiert die EKR, dass in der Schweiz ein zivilgesetzliches Diskriminierungsverbot fehlt. Das strafrechtliche Antirassismusgesetz reiche nicht aus. Ein explizites Gesetz im Zivilgesetzbuch, analog zur Diskriminierung von Geschlechtern oder Behinderten, würde nach Lesart der Kommission die Latte für eine Verurteilung tiefer setzen – und damit den Spielraum der SVP bei ihren Motiven einschränken. Berner Stapi zögert Noch zu keinem Entscheid durchgerungen hat sich der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät. Er wünscht sich ein koordiniertes Vorgehen der Schweizer Städte in der Frage, ob die Plakate in den Strassen auftauchen sollen oder nicht. Bisher haben einzig die Städte Genf und St. Gallen den Aushang der umstrittenen Plakate erlaubt.

Kommentar: Mit dem Medienwirbel und dem unklaren Entscheid der Eidg. Kommission gegen Rassismus hat die SVP bereits mehr erreicht als die Beanstander wollten. Das umstritten Bild ist bereits in aller Leute Auge. Die Verbote tragen dazu bei, dass die Plakate noch mehr beachtet werden und ihre Wirkung nicht verfehlen. Wenn die SVP ihre fragwürdige Initiative durchbringt, dürfen sie dies auch all jenen Kreisen verdanken, die auf die plumpe Provokation reingefallen sind. Zensur und Verbote sind leider kontraproduktiv. Dem Werber, der das Plakat entworfen hat hat bereits das Ziel erreicht. Die Plakate müssen gar nicht mehr aufgehängt werden. Vielleicht wird das bedrohliche Bild mit den schwarzen Türmen die Gratis- Verbreitung des Schäfchenplakat rankingmässig schlagen. Ich gehe davon aus, dass die unzähligen Abbildungen online und in Artikeln mindestens einen Wert von Hunderttausenden von Werbefranken hat. Einmal mehr hat sich die Kampagne mit einer Provokation ausbezahlt.

NZZ: Beitrag wieder mit einer Abbildung des Plakates (Gratiswerbung!)

7. Oktober 2009,

Rassismuskommission will Plakate nicht verbieten

Weil Regierungsrat Stocker im Kantonsrat die Initiative unterstützt hat und heute gegen die Initiative ist:

Das Plakat zur Anti-Minarett-Initiative

Freuen können sich die Anti-Minarett-Kämpfer. Klagten sie noch vor kurzem über zu wenig Geld, haben sie jetzt die öffentliche Debatte gratis erhalten.

(Blick)

Die Gratiswerbung dank der publizierten Plakate (PRINT MEDIEN und ONLINE MEDIEN) rund um die Diskussion VERBOT JA oder NEIN beträgt ca 1 Million Franken.

Meldungstext - Inland (NEWS)

Minarett-Plakat-Diskussion 1 Mio. wert 8.10.2009 18:04
Der Werbeeffekt durch die Diskussion um die umstrittenen Anti-Minarett-Plakaten beziffern Werber mit einem Gegenwert von über einer Million Franken, wie die "Tagesschau" berichtet. Durch die Ausbreitung auf die redaktionellen Bereiche der Medien werde die Zahl von einer Millionen Franken Werbeeffekt sogar noch ansteigen, erklärt Werbeexperte Thomas Städeli.

Provokationen dieser Art seien gängige Strategie für Werbekampagnen, sagt Kommunikationsberater Marcus Knill. Er nehme an, dass die aktuelle Kontroverse die Schäfchen-Kampagne der SVP an Werbewirksamkeit übertrumpfen werde.

Nachtrag TAGI:

Die Welt spricht über das umstrittene Minarett-Plakat

Die SVP-Poster mit der verhüllten Frau machen rund um den Globus Schlagzeilen – besonders ausführlich berichtet CNN über das Schweizer Politikum. Mehr...

Nachlese Blick:

Die Anti-Minarett-Kampagne ist auch im Ausland in aller Munde. Von Radio Vatikan über die österreichische, deutsche bis zur englischen und amerikanischen Presse: Überall wird über das Plakat mit der verschleierten Frau und den raketenähnlichen Minaretten berichtet. Die Zürcher Stadtpräsidentin höchstpersönlich gab «CNN» ein Statement ab: «Wir haben uns entschieden, die Plakate in Zürich auf den Grundlagen der politischen Redefreiheit in Bezug auf die Abstimmungen im November zu zeigen», sagte Corine Mauch. Und ergänzte gegenüber dem Nachrichtensender: «Obwohl wir das Poster ablehnen, haben wir nach rechtlichen Erwägungen gehandelt.» «Schämt euch, Schweizer!» Auf solche Aussagen folgen die Kommentare sofort: «Schämt euch, Schweizer!», schreibt ein «CNN»-Leser. Oder ein Leser in der österreichischen Presse: «Und gleichzeitig muss man ohne jede Begeisterung zur Kenntnis nehmen, dass es diese Art Vollhämmer eben auch in der Schweiz gibt. Rassismus und bodenlose Dummheit kennen eben keine Grenze.» Ganz anders sieht es das Eidgenössische Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA): «Im Ausland gibt es ein gewisses Interesse an der Initiative und dem Plakat», sagt EDA-Sprecher Adrian Sollberger gegenüber Blick.ch. Das Thema werfe im Ausland keine hohen Wellen, das Interesse sei «beschränkt». Es werde «kurz und sachlich» darüber berichtet. Geheimniskrämerei um Arbeitsgruppe Beschränktes Interesse? Merkwürdig. «Hört mit der Zusammenarbeit mit der Schweiz auf, fliegt nicht mehr über die Schweiz», heisst es auf einer arabischen Blogseite. Oder: «Wenn die Schweiz in der EU wäre, würde man sie für diese Absicht jagen.» Und die klare Forderung: «Überweist kein Geld mehr auf Schweizer Banken!» Immerhin gibt es seit Juli eine Arbeitsgruppe, welche die Kommunikation zur Initiative gegenüber dem Ausland regelt. «Das ist Courant normal bei Abstimmungen mit aussenpolitischer Relevanz», betont Adrian Sollberger. Ziel dieser Gruppe ist es, auf Anfragen aus dem Ausland reagieren zu können. Von Medien, aber auch politischen, religiösen oder anderen Gruppierungen. «Unsere Vertretungen müssen in der Lage sein, rasch und kompetent zu informieren, falls beim ausländischen Publikum Informationsbedarf besteht oder es Missverständnisse gibt.» Wie diese Aufklärung konkret aussieht, dazu will der EDA-Sprecher keine Stellung nehmen. Die Arbeitsgruppe setzt sich laut Sollberger aus «etwa 6 bis 10 Personen» zusammen und besteht aus Vertretern des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), des EDA sowie der Bundeskanzlei. Federführend ist das EJPD. Dieses verweist ans EDA. Bei der Bundeskanzlei weiss man gar nichts von einer solchen Arbeitsgruppe. Sie treffen sich «nach Bedarf» «Die departementsübergreifende Arbeitsgruppe trifft sich nach Bedarf», sagt Sollberger. Ausser Übersetzungkosten von ein paar hundert Franken seien bisher keine Kosten angefallen. Solche Arbeitsgruppen kämen immer wieder zum Einsatz, so der EDA-Sprecher. So beispielsweise bei der Personenfreizügigkeits-Abstimmung oder der Ausschaffungs-Initiative. Eine Arbeitsgruppe, die also mit Reaktionen aus dem Ausland auf umstrittene Kampagnen schon Erfahrung hat. Eine Arbeitsgruppe, die angesichts der sich bereits abzeichnenden Reaktionen aus dem Ausland schon längst in die Gänge hätte kommen sollen. Denn das umstrittene Plakat ist noch nicht mal ausgehängt.

Das umstrittene Plakat zur Anti-Minarett-Initiative. (ZVG)

Nachlese 20 Min:

Anti-Minarett-Plakat

Strafanzeige gegen mehrere Städte

Die Minarett-Gegner schiessen zurück: Das Initiativkomitee der Anti-Minarett-Initiative will Strafanzeige gegen alle Städte einreichen, die das Aufhängen des Abstimmungsplakats verbieten.

Mehr...

Nachtrag 20 Min:

Israel-Werke für Minarett-Verbot

Uneinigkeit bei den Schweizer Israel-Freunden. Während der Israelitische Gemeindebund kein Verbot von Minaretten will, hat die Arbeitsgemeinschaft Israel-Werke Schweiz (IWS) die Ja-Parole für die Anti-Minarett-Initiative beschlossen.

Mehr

Blick 10.10-

Staatsrechtler: Plakatverbot ist rechtswidrig

Die Zensoren verschiedener Städte müssen wohl zurückkrebsen. Der ­offene Diskurs muss möglich sein.

Durch die Verbote (Zensur?) profitierten die Initianten von der Gratispopogande in den Medien (Ueberall wurde das Plakat ständig abgedruckt. Dies schreckte die Gegner der Initiative auf: Tagi:

Jetzt machen die Gegner der Minarett-Initiative mobil

Die Kontroverse um die Plakate für die Anti-Minarett-Initiative führt bei FDP, SP sowie bei den Muslimen zu einem Strategiewechsel: Jetzt wollen sie doch Geld für eine eigene Kampagne sammeln.

Die Gegner machen mobil: Plakate der Anti-Minarett-Initiative.

Die Gegner machen mobil: Plakate der Anti-Minarett-Initiative. Bild: Keystone

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Jositsch vs. Stocker Eklat im Studio!

Blick| 08.10.2009

ZÜRICH – Da brennt die Luft! Die beiden Kandidaten für den Zürcher Regierungsrats-Sitz geben sich im Radiostudio verbal auf den Deckel. Bis es eskaliert: Stocker rauscht empört davon.

Erst am 29. November sind im Kanton Zürich die Ersatzwahlen für den Sitz der scheidenden Regierungsrätin Rita Fuhrer. Das hindert die beiden Kandidaten Ernst Stocker (SVP) und Daniel Jositsch (SP) aber nicht daran, schon jetzt tüchtig auf die Pauke zu hauen. Gestern Abend zeichnen die beiden Kandidaten ein Gespräch für Radio DRS auf. Thema: die schiefe Finanzlage des Kantons Zürich und die Minarett-Initiative. Doch Stocker hat keine Lust, das Thema Minarett-Initiative – wie zuvor im Regionaljournal – nochmals durchzukauen. Der Moderator beschwichtigt ihn, man habe sowieso kaum Zeit, um über die Minarette zu reden. Denn Stocker lehnt die Minarett-Initiative nämlich ab – unterstützte vor ein paar Jahren jedoch ein Verbot auf kantonaler Ebene. Und dies wirft Jositsch dem SVP-Mann vor – trotz der Themenabsprache vor der Sendung.

Er sei vom «Saulus zum Paulus geworden», sagt Jositsch. Zuviel für Stocker. Nachdem er sich erst wehrt und Jositsch vorwirft, er betreibe keinen fairen Wahlkampf, nimmt er schliesslich den Notausgang: Er verlässt die laufende Sendung. (num)

Kommentar: Obwohl man im Vorgespräch vereinbarte, die Minarettfrage nicht mehr anzusprechen und die Spielregeln nicht eingehalten wurden, hätte Stocker die Nerven nicht verlieren dürfen. Professionelle wäre es gewesen, das Nichteinhalten der Abmachungen anzusprechen und RUhe zu bewahren. Wer die Nerven verliert hat immer das Zwei auf dem Rücken!

Ich zitiere TAGI:

«Stocker hat die Nerven verloren»

Interview: Claudia Imfeld; Aktualisiert am 08.10.2009 42 Kommentare

Regierungsratskandidat Ernst Stocker läuft aus einer Radiosendung und lässt seinen Gegner Daniel Jositsch und den Moderator stehen.

Das hätte er besser nicht getan, sagt Kommunikationsexperte Marcus Knill.

Herr Stocker sagt, er habe Rückgrat bewiesen, als er aus der Sendung lief. Der Moderator habe sich nicht an die Abmachungen gehalten. Wie schätzen Sie sein Verhalten ein?

Knill: Davonlaufen ist grundsätzlich falsch. Denn die Zuhörer kennen den Hintergrund der Geschichte nicht. Sie wissen nicht, dass es anscheinend eine Abmachung gab, die nicht eingehalten wurde. Sie bekommen nur mit, dass da einer aufbraust und entnervt geht.

Wie verhält man sich richtig in solch einer Situation?

Knill: Ruhe bewahren ist die oberste Maxime. Stocker hätte Jositsch darauf hinweisen können, dass er dieses Thema zum x-ten Mal anschneidet und dann den Sachverhalt aus seiner Sicht erklären sollen. Vielleicht hätte er sogar humoristisch kontern können. Dann hätte er souverän gewirkt und gepunktet. Warum hat er nicht sachlich transparent gemacht, dass die Spielregeln nicht eingehalten wurden? Etwa mit: «Obwohl Sie sich nicht an die vereinbarten Spielregeln halten, schlage ich vor, dass wir zum eigentlichen Thema zurückkommen.»

Stocker warf Jositsch vor, einen unfairen Wahlkampf zu führen.

Knill: Der Jurist Jositsch ist sehr gewieft vorgegangen: Er hat eine Schwachstelle gefunden und stocherte wahrscheinlich bewusst drin herum. Ich verstehe Stockers Ärger, denn anscheinend hat er das Bauverbot für Minarette damals im Kantonsrat ja nur seiner Partei wegen unterstützt und war persönlich nie dafür. Jetzt stellt ihn Jositsch als Lavierer dar, als einen der sich durchschlängelt. Da ist Stocker wohl der Kragen geplatzt. Leider hat er die Nerven verloren.

Politiker laufen immer wieder mal aus Sendungen. Wann bringt diese Vorgehensweise etwas?

Knill: Peter Bodenmann lief einmal bei einer «Arena»-Sendung davon, begleitet von der Kamera. Er schaffte es so, seine Botschaft dreimal ungestört zu platzieren: beim Weggehen, bei einem Interview über das Weggehen und dann bei der nächsten «Arena».

Und was war Ihrer Ansicht nach Stockers Botschaft?

Knill: Ernst Stocker brachte nur eine Botschaft rüber: «Ich habe die Nerven verloren». Das schadet sicher seiner Reputation. (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)

Erstellt: 08.10.2009

Kommentar: Im Nachhinein beschäftigte mich Stockers Aussage, bei der er sagte, er würde nochmals so handeln und hinaus laufen. Er gab nachträglich zu , keine Medientrainings besucht zu haben. Schade! In professionellen Trainings hätte er nämlich gelernt, immer gut zuzuhören, zu erkennen, dass man bei Ueberraschungen zuerst innehalten , Ruhe bewahren und die Situation analysieren muss, bevor man sich von den Emotionen leiten lässt und einem die Nerven durchbrennen. Bei Medien gilt: Gesagt ist gesagt! Ich habe verschiedenen Szenen analysiert, bei denen Akteure bei Medienrunden Gespräche verlassen haben (Leuenberger, Bodernmann, Maurer usw) Nicht in allen Fällen hat dies den Politikern geschadet.

Stocker findet, er brauche kein Medientraining

Ich zitiere 20 Min:

Im heutigen «Tages-Anzeiger» sagte Stocker auf die Frage, ob er ein Medientraining absolviert habe: «Wir vom Land sind locker, ich brauche das nicht.» Gestern war von dieser Lockerheit dann plötzlich nichts mehr zu merken. Darauf angesprochen sagt Stocker, er müsse sich noch einmal überlegen, ob er nicht doch ein Medientraining absolvieren sollte.

Bemerkung: Leider eine Einsicht, die zu spät kommt.

Nachlese:

Alt Bundesrat Blocher bewertete (in Tele Blocher) Stockers Hinauslaufen als Stärke und Mut. Er bewundere seinen Parteikollegen. Ich bin da ganz anderer Meinung. Stocker hat das Hinauslaufen nicht mit Verstand, als gezielte Aktion, bewusst und ruhig zelebriert. Er stand bei seiner Flucht nicht über der Sache. Stocker verlor eindeutig die Nerven. Ich verweise auf einen spannenden Hintergrundbericht im Tagi online:

Zur Psychologie des Hinauslaufens

Der frühzeitige Abgang eignet sich fürs Showbusiness besser als für die politische Arena.

«Nie wieder Davos»: Der türkische Premierminister tritt im Januar 2009 erbost von einem WEF-Podium ab.

«Nie wieder Davos»: Der türkische Premierminister tritt im Januar 2009 erbost von einem WEF-Podium ab. Bild: Keystone

Artikel zum Thema

Auf den ersten Blick scheint die Sache klar. Wer eine Gesprächsrunde aufgrund einer Aussage eines Teilnehmers verlässt, zeigt Schwäche: Er verliert nicht nur seine Nerven, sondern auch das Gesicht und zieht wie ein geschlagener Hund von dannen – als Verlierer eines Streitgesprächs, das in zivilisierten Gesellschaften die direkte körperliche Auseinandersetzung und Konfrontation ersetzt. Das Publikum, um das es geht, hat wenig Lust, sich mit einem Looser zu identifizieren.

Auf den zweiten Blick ist die Sache komplizierter: Verlässt jemand stolz und gehobenen Hauptes, vielleicht sogar mit Kalkül, eine Talkshow, kann es durchaus sein, dass aus dem Rauslaufen ein Schaulaufen wird: Der Triumphator verlässt die Arena, die ihm zu schmutzig geworden ist. Er hält hehre Werte wie Anstand und Respekt hoch und gibt seiner Überzeugung Ausdruck durch eine überlegene und überlegte Geste. Die Souveränität des Handelns bezaubert das Publikum, das sich hinter der Maske der Medien versteckt und nur darauf wartet, dass sich endlich einmal etwas tut in der medialen Höhle des Löwen. Analog zum bekannten Phänomen des Fremdschämens, das uns die Reality-Soaps tagtäglich lehren, könnte man dieses Verhalten als Fremdreinigung bezeichnen – eine moderne Form von Katharsis.

Abgang der Helden

Diesen heldenhaften Abgang können sich nur wenige leisten: Bedeutende Intellektuelle oder mächtige Konzernchefs, renommierte Schriftsteller oder versierte Branchenkenner, die bereits einen Namen haben, bevor sie in einer solchen Show auftreten oder zu einem solchen Interview erscheinen.

Tritt jedoch eine für die Medienwelt unwichtige Person ab, hat dies keinen nachteiligen Effekt auf den weiteren Verlauf der Sendung. Spielt die Person jedoch eine tragende Rolle im Gespräch, dann wird die Sache auch für die Medien schwierig. Das Publikum, das man nicht sieht und das dennoch den entscheidenden Part bei solchen Inszenierungen spielt, spürt das nervöse Pochen der Schadenfreude – und geht fröhlich mit.

Schaut man sich die Chronik der abtretenden Personen an, stellt man fest, dass Politiker selten vorkommen, und wenn, dann bloss als fast unumschränkt herrschende Persönlichkeiten, die es sich leisten können. Jemand, der für ein neues Amt ins Rennen steigt, findet sich so gut wie nie. Aus verständlichen Gründen: Die Botschaft eines unkontrollierten Abganges verheisst nichts Gutes für die Zukunft: Da zieht ein Hoffnungsträger aufs Schlachtfeld der Argumente, und schon beim ersten Schlagabtausch – der Regelverstoss ist ein beliebtes Mittel politischer Rhetorik – bekommt er weiche Knie. Was wird er bloss machen, wenn er es mit richtigen Feinden zu tun bekommt?

Nur fürs Showbusiness

Verallgemeinert man die bekannten Fälle frühzeitigen Ausstiegs, so ergibt sich ein eindeutiges Bild: So sehr er sich fürs Showbusiness eignet, so problematisch ist er bei sachbezogenen Debatten. Bei Letzteren geht es auch im symbolischen Sinne ums Stehvermögen. Wenn jeder, dem es beispielsweise langweilig wird, den Abgang suchen würde, wären die Polit-Podien schnell einmal leer.

Doch vielleicht steht hinter einem fluchtartigen Abgang auch der Wunsch, abgehen zu dürfen. (Tages-Anzeiger)

Erstellt: 10.10.2009,

Fazit: Stocker ist noch nicht Regierungsrat. Er ist noch kein Promi. Er hätte die Situation mit einer souveränen Bemerkung für sich ausschlachten können: Beispielsweise:

"Herr Jositsch. Es sieht so aus, als könnten sie nur über die Minarettfrage diskutieren. Haben Sie sich auch schon überlegt, wie Sie als Regierungsrat......?" Solche Lenkungstechniken lassen sich in professionellen Coachings simulieren. So dass man auch in überraschenden Situation nicht destabilisiert werden kann.