Bei Hasskommentaren im Netz sollten wir handeln
(Quelle SRF)
Gehässige und diskriminierende Kommentare sind in Onlineforen an der
Tagesordnung. Dagegen muss man etwas tun, forderte Facebook-COO Sheryl
Sandberg unlängst – und propagierte unter anderem die «Counter-Speech»:
Den Kommentatoren Paroli bieten – und sie damit zum Schweigen bringen.
Funktioniert das?
Nicht wegklicken, sondern dagegen anreden: So sollen Facebook-User gegen Hasskommentare kämpfen.
Herr Büchel, mit der «Counter-Speech», der «Gegenrede», soll man den Hasskommentaren mit eigenen Kommentaren entgegentreten. Laut Facebook-COO Sandberg könne man damit den Radikalismus im Netz bekämpfen. Ist das nicht etwas naiv?
Florin Büchel: Nein, es ist sogar ziemlich schlau. Der
Clou dahinter: Mit der Gegenrede wird auf gesellschaftlich verankerte
Normen abgezielt. Anderen Leuten, die mitlesen, wird vermittelt: Hier
hat jemand gegen diese Normen verstossen und wird deshalb intellektuell
sanktioniert – indem den Hasskommentaren rationale Argumente
entgegenstellt werden.
Die Selbstregulierung der Nutzer bringt
zudem viel mehr, als wenn Moderatoren alle Hasskommentare löschen. Das
ist letztlich eine Art Zensur, die immer auch Gegenreaktionen auslösen
kann.
Andererseits macht es sich Facebook auch sehr leicht: Die
User sollen sich wehren – so betreibt Facebook gewissermassen
Outsourcing und muss sich selber nicht um diese Hasskommentare kümmern.
So
ist es für Facebook auf jeden Fall einfacher und günstiger, als
wirklich Hasskommentare zu suchen und zu löschen. Aber die reine Zensur
kann auch problematische Aspekte mit sich bringen. Man löscht zum Teil
auch Inhalte, die eigentlich nicht weg hätten sollen. Gerade Anfang
dieser Woche gab es diesen Fall: Facebook hat eine Suche eingerichtet,
die automatisch Kommentare löscht. Als eine der ersten Seiten wurde dann
eine Seite gesperrt, die Hasskommentare gesammelt und an den Pranger
gestellt hat. Darum: Es hat beides Vor- und Nachteile.
Aber
warum muss ich mich auf eine Auseinandersetzung einlassen, die fruchtlos
ist? Wenn ich mich mit einem Online-Meckerer anlege, der seine Meinung
sowieso bereits gefasst hat, ist das für mich doch aussichtslos.
Nach
einer Theorie aus der Medienwissenschaft gibt es Meinungsführer, die
ihre Standpunkte öfters kundtun. Über diese verbreiten sich die
Meinungen weiter im Freundeskreis usw. So ähnlich wird es auch hier
sein: Nur ein gewisser Typ Mensch wird die Gegenrede auch wirklich
betreiben.
Es geht aber gar nicht sehr darum, diesen einen Hasskommentator zu
überzeugen. Das ist wohl wirklich aussichtslos. Das Ziel ist eher, dass
man die anderen Leute abholt, die den Kommentar lesen. Diese merken: Das
war nur ein Hasskommentar und mit rationalen Argumenten kann man
dagegen ankommen.
Was sollte eine effektvolle Gegenrede beinhalten?
Auf
jeden Fall muss sie konkret auf den Hasskommentar reagieren. Unter
Umständen wird das sonst ebenfalls als Hasskommentar aufgefasst. Ferner
sollte die Gegenrede klar darstellen, was an dem Hasskommentar
menschenverachtend, anprangernd etc. ist. Und man sollte mit rationalen
Argumenten darlegen, warum die Position Blödsinn ist.
Was ist
denn mit der Parole «Don't feed the troll», nach der man den Hass nur
anfeuert, wenn man sich auf die Diskussion einlässt?
Ja, das
ist ein Risiko. Aber wenn man nicht mitdiskutiert, sind am Ende
irgendwann nur noch Trolle da, die sich gegenseitig auf die Schulter
klopfen. Und alle Leute, die deren Kommentare lesen, haben das Gefühl,
das sei die herrschende Meinung. Darum: Wer das einfach stehenlässt, tut
man niemandem einen Gefallen.
KOMMENTAR: Vielfach wird geraten zu schweigen, damit der Kommentar nicht zusätzlich aufgewärmt wird. Wenn aber Hasskommentare auch öffetnlich als solche bezeichnet werden und Klartext geschrieben wird, das sei menschenverachtend, so kann die Wirkung entschärft oder der Schaden eingegrenzt werden.