Die NZZ hat es auf den Punkt gebracht:
Folgende Zeilen sind lesenswert, nachdem der Fall Markwalder zu grostesken Beurteilungen geführt hat (Quelle NZZ- online):
Die Mär vom Rufmord
Seit die Causa Markwalder aufgeflogen ist, ist viel Druckerschwärze geflossen. Und leider weiss inzwischen kaum mehr jemand, um was es wirklich geht.Freisinnige Frauen lamentieren über einen von Männern angefachten Sturm im Wasserglas. Der rote Wahlkämpfer Christian Levrat grätscht seinem freisinnigen Antipoden Philipp Müller in die Beine. Der Schaffhauser Volkstribun Thomas Minder wittert die Chance, endlich alle Lobbyisten aus dem Bundeshaus zu verbannen. Medienjournalisten qualifizieren das Geschehene als Rufmordkampagne gegen Christa Markwalder. Lobbyisten sprechen von einer Hetzkampagne.
Mit Verlaub, das ist alles Mumpitz. Zwar ist in gewissen Medien bei der Aufarbeitung der Affäre übertrieben worden. Wer aber die These in die Welt posaunt, die journalistische Berichterstattung sei Bestandteil einer orchestrierten Rufmordkampagne, vertauscht Täter und Opfer. Es war Christa Markwalder, die sich fahrlässig instrumentalisieren liess; sie selber erachtet den gegen ihre Person gerichteten Vorwurf der Naivität als berechtigt. Wenn nun zwecks Schadensminderung die Überbringer der schlechten Nachrichten zu Tätern gestempelt werden sollen, so gehört das zwar zum gängigen Repertoire. Aber es bleibt dabei, dass Christa Markwalder einer Lobbyistin auf den Leim gekrochen ist, nicht Medienschaffende. Unabänderlich bleibt zudem, dass die freisinnige Nationalrätin parlamentarische Interna zweifelhaften ausländischen Akteuren zugetragen hat, nicht die Medien.
Daneben zielt auch der Vorwurf, es handle sich um eine Gender-Frage. Wir meinen: Unabhängig davon, ob ein Mann oder eine Frau in der Causa Kasachstan die Hauptrolle spielt, bleibt die Sache relevant. Das öffentliche Interesse bemisst sich auch nicht daran, wie die Boulevardzeitung «Blick» suggerierte, ob Christa Markwalder eine lebensfrohe Partynudel sein dürfe oder nicht. Natürlich soll sie feiern dürfen! Gleichwohl muss sie sich die Frage gefallen lassen, ob ihr unbedarftes Verhalten gegenüber Lobbyisten mit der Funktion einer designierten Nationalratspräsidentin vereinbar ist.
Exakt darum geht es: Von unseren Volksvertretern darf erwartet werden, dass sie sich gegenüber bezahlten Interessenvertretern professionell verhalten. Handkehrum sind die Lobbyisten nur dann glaubwürdig, wenn sie mit offenem Visier kämpfen, wenn sie im Powerplay um Einfluss im politischen Alltag offen und sauber deklarieren, welche Kundeninteressen sie vertreten.
Der Fall Kasachstan ist offenkundig ein Beispiel, wie sich politische Akteure und Lobbyisten im Bundeshaus besser nicht verhalten sollten. Als Kollateralschaden bleibt zurück, dass der Ruf des Parlaments beschädigt worden ist.
Remedur schaffen
Die NZZ hat die unschöne Lobbying-Affäre aufgedeckt im Wissen, dass die Hauptakteurin und deren Partei nicht erfreut sein würden. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Massgebendes Kriterium war aber nicht die Parteifarbe Christa Markwalders. Wenn die FDP und deren Präsident Philipp Müller, der sich in der hängigen Affäre bis anhin als durchaus leidlicher Krisenmanager betätigt, jetzt von der Konkurrenz mit Häme überschüttet werden, so ist das im laufenden eidgenössischen Wahlkampf unvermeidlich. Wichtiger als parteipolitisches Schattenboxen ist die Sache selber: Wir hätten die Erkenntnisse aus den öffentlich einsehbaren Briefwechseln zwischen Bern und Astana auch publiziert, wenn rote, grüne, christlichdemokratische oder (neben Christian Miesch weitere) SVP-Parlamentarier von Lobbyisten eingewickelt worden wären.Weshalb? Weil es relevant ist, ob das unausweichliche Wechselspiel zwischen Parlamentariern und Lobbyisten funktioniert oder nicht. Das Parlament selber wird jetzt beweisen müssen, ob es Remedur schaffen kann. Vor vier Jahren schossen Forderungen nach mehr Transparenz im Bundeshaus wie Pilze aus dem Boden. Nach den Wahlen versandeten die vollmundigen Ansagen allesamt.
KOMMENTAR: Der Beitrag bestätigt meine Analysen, in denen ich mich stets deutlich von all jenen Kommentatoren distanziert hatte, die Christa Markwalder als Medienopfer darstellen wollten und von Rufmordkampagne geschrieben hatten. Mich störte es ebenfalls, dass aus dem Fall versucht worden ist, eine Gender-Frage zu konstruieren.
Nachträglich zeigt sich, dass es lohnt, sich an die Fakten zu halten und recherchierte Sachverhalte genau zu beschreiben, auch wenn sie nicht allen Lesern genehm sind. Die Kontrollfunktion der Medien darf weder aus ideologischen noch aus persönlich gefärbten Gründen beschnitten werden.