Mittwoch, 19. November 2008

Kommunikations-Experte Marcus Knill über Christoph Blocher
«Er macht den Eindruck eines verletzten Tieres»
BLICK:

«Ich habe das Gefühl, ich muss das jetzt machen»: Christoph Blocher am Montag zu seiner Kandidatur. Der Kommunikationsexperte Marcus Knill analysiert Blochers Gebaren.

Nicht mehr der Alte Christoph Blocher am Treffen des Zürcher SVP-Vorstands am Montagabend. (Keystone)
Sprache

Der früher so eloquente Redner hatte mehrfach Sprachfindungsstörungen, Formulierungsprobleme, regelrechte Aussetzer. Das kannte man früher von Christoph Blocher nicht. Aber seit seiner Abwahl treten die Aussetzer öfter auf. Für alle sichtbar auch in der Arena-Diskussion mit Evelyne Widmer-Schlumpf. Irgendetwas stimmt nicht mehr mit Christoph Blocher.

Gestik

Sein Gesicht wirkte verhärtet. Sein Ausdruck strahlte Sturheit, Verbissenheit und Ich-Bezogenheit aus. Er scheint in sich selbst gefangen. Auf mich machte Blocher den Eindruck eines verletzten Tieres. Die Wunde seiner Abwahl schmerzt unvermindert weiter. Obwohl er vor der Bundesversammlung keinerlei Chance hat, stiert er seine Kandidatur durch. Lieber opfert er sich selbst – und seine Partei –, als sich in sein Schicksal zu fügen. Auf die Frage, was aus der SVP im Falle einer erneuten Nicht-Wahl würde, antwortete Blocher mit einem Anflug von Schadenfreude im Gesicht: ‹Dann bleiben wir in der Opposition.› Was wohl heissen soll: Wenn ich nicht kommen kann, dann ist die beste Lösung ausgeschaltet.

Botschaft

Trotz allem besitzt Blocher nach wie vor grosse Sugges-ti­onskraft. Er kann Menschen beeinflussen, fast wie ein Sektenprediger. Interessant die Momente, in denen er voll Sendungsbewusstsein über seinen neuen Auftrag sprach: ‹Meine Partei hat in dieser schwierigen Situation gesagt, du bist der Kandidat, der jetzt antreten sollte.› Blochers Augen leuchteten regelrecht. Man hat unweigerlich das Gefühl: Dieser Mann glaubt wirklich, was er da sagt. Sein Auftrag ist für ihn wie Religion. Das Wort Religion kommt ja vom Lateinischen re-ligio – Zurückbindung. Blocher fühlt sich fest an diesen Auftrag gebunden. Nämlich die Schweiz zu bewahren vor allem Bösen. Blochers Botschaft hat messianische Züge. Deshalb ist er auch felsenfest davon überzeugt, dass er allein diesen Auftrag erfüllen kann.

NZZ-online

«Weil ich der Fähigste bin»

Warum Christoph Blocher mit dem Kopf durch die Wand will

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Was treibt diesen Mann an? Christoph Blocher besteht darauf, dass die SVP allein entscheidet, wer die Nachfolge Samuel Schmids antreten soll. Von seiner Partei, in die er soviel Kraft und Geld investiert hat, fordert der Baumeister des Erfolgs nochmals Gefolgschaft ein.

«Niemand in der SVP bestreitet, dass ich der Fähigste bin.» Diesen Satz sprach Christoph Blocher in zahllose Mikrofone, nachdem ihn seine Zürcher Kantonalpartei als alleinigen Bundesratskandidaten lanciert hatte. «Ich muss das machen in dieser schwierigen Zeit.»

Die öffentlichen Auftritte von Christoph Blocher irritieren. Der 68-jährige Polit-Haudegen wirkt fahrig, angespannt, erschöpft. Er argumentiert nebulöser als früher. Man erinnert sich auch nicht daran, dass er sich schon einmal derart ostentativ als ungekröntes Oberhaupt der SVP tituliert hat. Ist sein Versuch, den am 12. Dezember 2007 verlustig gegangenen Bundesratssitz zurückzuerobern, die Zwängerei eines Gekränkten?

Ausserhalb der SVP versteht jetzt niemand, weshalb Altbundesrat Blocher glaubt, er allein sei dazu befähigt, die Armee zu disziplinieren, die Wirtschaft anzukurbeln, die Schweiz zu retten.

Die politische Karriere von Christoph Blocher
Periode Politische Tätigkeit
1964 - 1971 Mithilfe bei der Gründung der bürgerlichen Studentengruppe Studentenring an der Universität Zürich. Präsident der juristischen Fachschaft, Mitglied des Grossen Studentenrates
1974 - 1978 Mitglied des Gemeinderates Meilen
1975 - 1980 Zürcher Kantonsrat
1977 - 2003 Präsident der SVP Kanton Zürich
1979 - 2003 Nationalrat
1986 - 2003 Präsident der Auns (Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz)
2003 - 2007 Bundesrat, Vorsteher des EJPD (Justizminister). Abwahl am 12. Dezember 2007 durch das Parlament
ab 2008 Vizepräsident der SVP Schweiz

Christoph Blocher hat, obschon er selber nie die SVP Schweiz präsidierte, seinen Nimbus als unantastbare Galionsfigur der Volkspartei konsequent kultiviert. Das Zürcher Albisgütli avancierte zum Wallfahrtsort für seine Fangemeinde. Er hat Millionenbeträge in politische Kampagnen investiert. Er hat Standortbestimmungen («Zehn Jahre nach dem Nein zum EWR-Vertrag», Dezember 2002), Entgegnungen («Lappi tue d'Augen uf», Februar 2003) und Wahlzeitungen («Blocher stärken! SVP wählen!», Herbst 2007) millionenfach unters Volk gebracht. Die Rechnung ging für die SVP auf.

Ebenso konsequent hat Christoph Blocher SVP-intern seine politische Linie durchgesetzt. Wer sich ihm in den Weg stellte, musste früher oder später mit Sanktionen rechnen. Die Grabenkämpfe zwischen Bernern und Zürchern wurden zwar mit offenem demokratischem Visier ausgetragen, aber auch mit Haken und Ösen. Sachpolitisch hatte sich Blochers Zürcher Linie spätestens 2003 durchgesetzt. Vorher und nachher blieben parteiintern auf der Strecke: Die Bundesräte Adolf Ogi, Samuel Schmid, Eveline Widmer-Schlumpf, die Bündner SVP in corpore und all jene Enttäuschten, die sich jetzt in der neuen BDP zusammenraufen.

Loyale Entourage – treue Basis

Die heutige Basis der SVP akzeptiert Blochers parteiinterne Vormachtstellung fast uneingeschränkt. Das gilt erst recht für seine engste Entourage: Der nationale Parteipräsident Toni Brunner, dessen Vorgänger Ueli Maurer und Fraktionschef Caspar Baader tragen die Kandidatur Blochers vorbehaltlos mit. Nationalrat Christoph Mörgeli schlüpfte zeitgleich mit Samuel Schmids Rücktrittserklärung in seine jahrelang erprobte Rolle als erster Sekundant Blochers. Nationalrat Hans Fehr, als Geschäftsführer der jahrelang von Blocher präsidierten Auns von Amtes wegen zum Gleichschritt verpflichtet, sieht für die SVP-Fraktion keine andere Möglichkeit, als Blocher zu nominieren: «Weil er der Fähigste ist.»

Bevor Christoph Blocher ins Rennen gestiegen ist, hat er strategisch kalkuliert. Er versicherte sich, dass die SVP-Führung hinter ihm steht. Er weiss auch, dass das SVP-Fussvolk hinter ihm steht – jene immer grösser gewordene Basis, die ihm an Parteitagen, an Kundgebungen und Inszenierungen mit Ovationen überschüttet hat. Jetzt geht er davon aus, dass er seine Basis vor den Kopf gestossen hätte, wenn er nicht nochmals angetreten wäre. Handkehrum erwartet er, dass ihm die SVP-Bundeshausfraktion Gefolgschaft leistet. Ohne Wenn und Aber. Das ist die rationale Rechnung Christoph Blochers.

Der «Plan Blocher»

Hinzu kommt die emotionale Komponente. Weder Christoph Blocher noch seine SVP haben den 12. Dezember 2007 vergessen. Die Abwahl des amtierenden Bundesrats Blocher bedeutete für die meisten Mitglieder der SVP einen Affront sondergleichen.

Was für Aussenstehende eine bittere Pille sein mochte, war für die SVP ungleich schlimmer. Eine Demütigung. Auch Blocher gelingt es zurzeit nicht, seine Wut zu kaschieren. Die Verbitterung über seine Abwahl ist mit Sicherheit eine Triebfeder seines Handelns.

Viele spekulieren, dass der alternde Fuchs noch einmal politisch taktiere. Christoph Blocher stellt dies in Abrede. Für «Schlaumeiereien» im Vorfeld der Bundesratswahl sei er nicht zu haben. Das mag wohl sein. Allerdings: Jene Exponenten innerhalb der SVP, die dem «Plan Blocher» der Zürcher Kantonalpartei kritisch gegenüberstehen, sollten sich wappnen. Die Sekundanten werden alles daran setzen, dem «Plan Blocher» parteiintern zum Durchbruch zu verhelfen. Falls die Bundeshausfraktion anders entscheiden würde, wäre das für die SVP ein Desaster.

Von aussen betrachtet, überzeugt die Übungsanlage gleichwohl nicht. Die Bundesversammlung entscheidet am 10. Dezember nach eigenem Gutdünken und in demokratischer Wahl, wer für die Nachfolge Samuel Schmids am besten befähigt ist.

Der Weg ins Bundesratszimmer hat noch nie mit dem Kopf durch die Wand geführt.