Mittwoch, 27. März 2019

ANALYSE "LATE UPDATE"


MEDIENRHETORIK



Nicht nur missglückter Start für Michael Elsener

Von Marcus Knill*

Die neue Late-Night Show „Late Update“ mit Michael Elsener wurde mit vielen Vorschusslorbeeren gestartet. Nach der ersten Sendung waren die Meinungen geteilt. Der sympathische Satiriker hatte nach Giacobbo- Müller einen schweren Einstand mit seiner Einmann-Show. Er erlitt einen Quotenabsturz. Jeder vierte zappte weg. Auch ich hätte mich gern verabschiedet. Doch verharrte ich am Bildschirm. Ein neues Sendegefäss zu beurteilen - ohne mehrere Sendungen gesehen zu haben-
wäre unseriös gewesen.

FAZIT der ersten Sendung:
Mich ärgerten die animierten Claquere und das aufgezwungene Duzen aller Teilnehmenden.
Zu viele Pointen kamen nicht an. Dass die Sendung tendenziös war, konnte niemand bestreiten. Ob dies generell so ist, lässt sich erst  später beurteilen. Es bleibt zu hoffen, dass Elsener keine Parteien schonen und nicht nur die bürgerlichen Politiker auf die Schippe nehmen wird. Es wäre fahrlässig, die Serie nach einer Sendung abschliessend zu beurteilen. Jede Programmänderung ist gewöhnungsbedürftig. Es ist somit verständlich, dass SRF den Quotenschwund gelassen sah. Man will Elsener und seinem Team Zeit geben müssen, sich zu entwickeln.
„Dazu gehört auch, dass wir das Team nicht einem Quotendruck aussetzen“, sagte eine Sendersprecherin.

Zur zweiten Ausgabe:

Bei der zweiten Ausgabe verlor die Satiresendung „Late Update“ jeden vierten Zuschauer. Kritiker vermuteten den Markwalder-Effekt. FDP-Nationalrätin Christa Markwalder kündigte nämlich nach dem FDP Bashing an, die Satire-Sendung künftig nicht mehr an-zu-schauen. Viele Zuschauer haben es der Berner Politikerin gleich getan.
Blick konfrontierte Markwalder und wollte wissen, was sie gestört hat. 

Es war das FDP-Bashing und die fehlende Selbstironie

(Ich zitiere BLICK) Gefuchst hat Markwalder, dass sich Elsener in seiner ersten Sendung komplett auf ihre Partei eingeschossen hatte – vom Genfer Staatsrat Pierre Maudet über Kasachstan bis hin zur Haltung der FDP zum Klimaschutz. Dort verhunzte der Comedian sogar den Partei-Namen: «FDP – Fuck de Planet».
«Klar hat es mich auch genervt, dass die Sendung vor allem ein FDP-Bashing war», so Markwalder. Doch das sei nicht das einzige gewesen: «Ich fand die gesamte Sendung einfach total humorfrei.» Und das, obwohl die Sendung im Vorfeld gross angepriesen worden war. «Da hatte ich schon erwartet, dass er mich wenigstens einmal zum Lachen bringt. Doch daraus wurde nichts.»

412'000 Zuschauerinnen und Zuschauer schalteten sich am 20. Januar zu (ein Marktanteil von 29,3 Prozent). Eine Woche später waren es 309'000. (Marktanteil von gerade nur noch 21,7 Prozent).
Das Ziel Elseners  ist eigentlich: „Humorvoll das aktuelle Zeitgeschehen zu betrachten“.
Die Zuschauer störten  nach wie vor der eigenartig aufgesetzte Applaus des Publikums. Die eingespielten Lacher wirkten unecht. Dies lässt vermuten: Da ist etwas nachgeholfen worden: Auf Kommando: Achtung Jubel, fertig los! Ich war vor Jahren bei der Aufzeichnung einer Unterhaltungssendung. Da musste das Publikum mit der Farbe Grün und dann jenes mit der Farbe Blau auf Kommando im Saal vor der Aufzeichnung  klatschen und jubeln. Dieser Applaus wurde aufgenommen und dann bei der Sendung eingespielt, je nach Wunsch des Programmleiters.
Bei solchen Aufzeichnungen ist dem Publikum zu Hause meist nicht bewusst, dass es manipuliert wird.
FAZIT nach der zweiten Sendung:
In der Presse mangelte es nach den ersten beiden Sendungen nicht an konkreten Verbesserungsvorschlägen:
-     Weniger Unterbrechungen
-     Auf das Dauergrinsen verzichten
-     Nicht alle Gäste duzen
-     Nach links und recht austeilen (Nichts darf heilig sein)
-     Elsener soll seine Stärken pflegen (Er ist ein guter Imitator)
-     Bitte mehr Biss!
-     Mehr Humor
Dem Satiriker sollte weiterhin die Chance eingeräumt werden, sich zu verbessern, sodass er dem Wunsch nach Unterhaltung und Humor gerecht werden könnte.
Die Kommentare in den sozialen Medien blieben mehrheitlich vernichtend.
Zur dritten Sendung:
Bei der dritten Sendung flaute die Kritik nicht ab. Doch die Quote verbesserte sich etwas. Möglicherweise ist dies dem negativen Medienecho zu zuschreiben, weil sich viele selbst ein Bild machen wollten von der umstrittenen „Late Update“ Sendung mit Elsener.
Ich konnte bei der dritten Sendung keine Trendwende feststellen. Die Meinungen blieben gespalten. Blick schrieb zur dritten Sendung:  „Langfädigkeit ist die einzige Konstante“. Auch intern hielt sich die Begeisterung in Grenzen. SRF Unterhaltungschef Stefano Semeria wurde nach der dritten Sendung im Branchenportal Persönlich zitiert: Er sei „ noch nicht vollends zufrieden“, es gebe noch „Luft nach oben“.
Tatsächlich hatten der Zuschauer das Gefühl, Elsener gelänge es noch immer nicht, die Pointen zu setzen. Ex- Unterhaltungschef Marco Stöcklin würde die Zahl der Gäste erhöhen und ergänzte: „Schon die erste Sendung glich einer gezwungenen-launigen Diplomfeier. Eine Kürzung würde nicht schaden.“
FAZIT nach der dritten Sendung:
Man merkt, dass Elsener die kritischen Kommentare zur neuen Sendung nicht liest. Ich zitiere Elsener im Landboten:
„Die Kritiken in den Zeitungen werde ich nicht lesen. Sie spiegeln jeweils die Meinung einer einzelnen Person wider. Mein Stil muss nicht allen gefallen.“
 Schade – auch Profis können von konstruktiver Kritik lernen. Vielleicht wirkt deshalb der Comedian immer noch so übermotiviert. Ueberlegenswert wäre, entweder die „One man Show Elemente“  vermehrt mit unterhaltenden Einspielungen zu bereichern oder die Sendung zu kürzen.
Vor allem die penetranten Unterbrechungen stören die Zuschauer. Auch Schawinski musste lernen, die Unterbrechungen der Gesprächspartner zu reduzieren. Ich habe mich  bei Konsumenten schlau gemacht und immer wieder gehört: Die Sendung ist für mich viel zu hektisch.
FAZIT der dritten Sendung:
Bei allen Kommunikationsprozessen ist die Wahrnehmung der Adressaten ernst zu nehmen.
Elsener  muss noch Einiges bereinigen. Tele bestätigt die festgestellten Defizite:
„Der engelsgelockte Zappelphilipp wirkt zu nervös und zu überdreht. Er lässt die nötige Souveränität vermissen.“
BLICK trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er schreibt:
„Es gibt noch Luft nach oben. Doch wird sie mit jeder Sendung dünner.“

Zur vierten Sendung:
Die vierte Ausgabe fand ich wesentlich unterhaltender. Es war wohl bis anhin die beste Sendung. Nun ist zu hoffen, dass dies auch vom Publikum honoriert wird. Elsener bietet viel mehr humorvolle Einspielungen. Es schimmert aber immer noch der Oberlehrer durch (Thematik Homöopathie).
Erfreulich: Elsener hetzt nun weniger durch die Sendung.  


KOMMENTAR:
Es wäre falsch gewesen, die Sendung bereits nach den ersten Flops, zu verurteilen.
SRF kann noch länger ein Auge zu drücken. Wenn jedoch die Programmverantwortlichen im Sommer 2019 noch  beide Augen zudrücken müssten, wäre ein Grundsatzentscheid fällig.

Ich bleibe nach wie vor am Ball und werde die Sendungen weiter verfolgen und mir später ein Urteil erlauben.

ERKENNTNIS: Aller Anfang ist schwer.
Das Publikum hatte sich an Ciacobbo-Müller gewöhnt. Elsener muss deshalb noch  lange damit rechnen, mit den Vorgängern verglichen zu werden.  Veränderungsprozesse haben es überall schwer. Wenn jedoch Michael Elsener  bereit ist,  den Wünschen des Publikums entgegenzukommen und konstruktive Kritik ernst zu nehmen, hat er nichts zu befürchten.
Einen weiteren Quotenschock dürfte jedoch SRF nicht ignorieren. Würde sich die Akzeptanz der Sendung auch nach der Gewöhnungsphase weiter verschlechtern, sähe ich schwarz.