Politologe Mark Balsiger analysiert Girods Geschick der Selbstinszenierung
Girods Vorstoss für ein Fallgatter-Obligatorium bei
Schweizer Trams macht wenig Sinn, bringt ihn aber ins
Schweinwerferlicht. Es ist nicht das erste Mal, dass er vorprescht – und
damit gewinnt.
Bastien Girod verstand es immer wieder sich zu inszenieren.
Bild: KEYSTONE/AP
Politologe Mark Balsiger: Girod macht alles richtig
(Bild: border-crossing.ch)
Ende November kam in Oerlikon eine Studentin bei einem Tramunfall
ums Leben. «Solche schrecklichen Unfälle könnten verhindert werden»,
liess der grüne Nationalrat
Bastien Girod sofort
verlauten. Es war der Startschuss für eine Kampagne zu seinem Vorstoss
im Nationalrat. Zusammen mit Pro Velo Schweiz will er ein
Fallgatter-Obligatorium bei allen Schweizer Niederflurtrams erwirken –
obwohl sämtliche Verkehrsbetriebe, Tramhersteller und sogar das
Bundesamt für Verkehr der Meinung sind, dass dies keinerlei Nutzen
bringt.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich der 30-Jährige
provokativ in der Öffentlichkeit exponiert. Im Herbst 2009
veröffentlichte er mit einer Parteikollegin ein Migrationspapier, das
seine eigene Partei, die Grünen, in Aufruhr versetzte: Wohnungsnot,
Verkehrsengpässe und Umweltbelastung würden unter anderem durch die
Zuwanderung aus dem Ausland verstärkt, war da zu lesen. Der Tabubruch
brachte mitunter seine Parteikollegen zum Kochen.
GÖS statt Auns
Zur
seiner unorthodoxen Marketingmethode in eigener Sache zählen auch
grosse Ankündigungen in der Sonntagspresse. Im Sommer 2008 sagte der
diplomierte Umweltnaturwissenschaftler dem «Sonntag», er wolle ein
grünes Pendant zur Auns (Aktion für eine unabhängige und neutrale
Schweiz) gründen. Arbeitstitel: Gruppe für eine ökologische Schweiz.
Girod prognostizierte 40'000 Mitglieder, um innerhalb kurzer Zeit
Referenden und Initiativen mit ökologischem Hintergrund auf die Beine
stellen zu können. Bis heute blieb es bei der medienwirksamen
Ankündigung.
Für mittelgrosses Aufsehen sorgte auch Girods Idee
für «velofreundliche Tramgleise» in Zürich. Der passionierte Radler – zu
seiner ersten Session in Bern fuhr er mit dem Velo – verlangte von der
Stadt ein neues Gleissystem, in das keine schmalen Pneus mehr passen.
Obwohl der Stadtrat antwortete, dass es so etwas nicht gibt, konnte
Girod die rot-grüne Mehrheit im Parlament zu einer Überweisung des
Vorstosses überzeugen.
«Girod macht alles richtig»
Der
Politologe Mark Balsiger beobachtet Girod seit Anfang 2007. In dieser
Zeit habe sich dieser öfters auf einem schmalen Grat befunden. «Ich
hatte mehrmals das Gefühl, er sei etwas gar sendungsbewusst. Insgesamt
funktioniere das aber bei ihm», sagt Balsiger. Er habe bei Girod bisher
nur einen einzigen Fauxpas feststellen können, einen klassischen: «Bei
einer Bundesratsvakanz sagten er und der Parteipräsidenten der Grünen,
Ueli Leuenberger, man könne sich überlegen, einen zweiten richtigen
SVP-Bundesrat zu wählen, wenn im Gegenzug die SVP einen Vertreter der
Grünen wählt.» Die SVP lachte, die SP fühlte sich hintergangen.
Geschadet hat es Girod aber offenbar nicht.
Sonst macht Girod in
Balsigers Augen alles richtig.
Er sei ein gutes Beispiel für
medienbewusstes Arbeiten: «Girod hat das sozusagen mit der Muttermilch
aufgesogen. Bei Greenpeace hat er gelernt, wie man mit wenig Geld die
Medienöffentlichkeit erreicht.» Das beste Beispiel sei die Aktion mit
den vermeintlichen Nacktbildern vor der Polizeiwache in Zürich gewesen.
Mit wenig Aufwand habe man viel Aufmerksamkeit erregt und gleichzeitig
auf einen Missstand bei der Polizei hingewiesen. «Wie aus dem Lehrbuch
für politische Kommunikation», sagt Balsiger. Alles sei kalkuliert,
Girod sei sich bewusst, was am Ende der Dominosteine passiere, die er
anstösst.
Kommentar:
Das Image einer Persönlichkeit dominiert die Fakten. Girod weiss dass nicht nur bei politischen Kommunikationsprozessen der Botschafter die Botschaft sein muss. Bei Girod ist dies der Fall. Ich hatte einmal mit ihm auf einem Podium einen Auftritt. Dort hatte ich von ihm erfahren, dass er schon als junger Politiker gelernt habe, nur schon äusserlich das Publikum nicht vor den Kopf zu stossen. Aus meiner Sicht ist Girod ein Politiker, der seine Botschaft mediengerecht zu vermitteln versteht.