Die klugen Köpfe, die Ghadhafi dienten
Professor Jean Ziegler will heute nicht auf seine guten Beziehungen mit dem libyschen Machthaber angesprochen werden, obwohl er in der Geiselaffaire immer Verständnis gezeigt hatte für die Mentalität Gahdahafis. Man dürfe diesen Machthaber nicht vor den Kopf stossen, war seine Devise. Jetzt will er von dieser Parteinahme nichts mehr wissen. Doch Ziegler war nicht der einzige, der Ghadhafi nahe stand.
Ich zitiere Tagi:
Der libysche Diktator hat angesehene Professoren
bezahlt, um seinen Ruf im Westen aufzupolieren.
Debattiert 2007 über Demokratie: Ghadhafi (M.) mit dem britischen
Journalisten Frost, dem britischen Politwissenschaftler Barber und dem
US-Soziologen Giddens (v. l.).
Bild: Reuters
Der 69-jährige Intellektuelle und Politiker Richard
Perle zählt zu den führenden Neokonservativen. Er arbeitete unter
George W. Bush und Donald Rumsfeld im Pentagon.
Der 74-jährige Autor, Politik und
Politikwissenschaftler Joseph Nye lehrt in Harvard. Er hatte diverse
Mandate der US-Regierung und ist Ehrendoktor der Universität St. Gallen.
Der 59-jährige US-Politikwissenschaftler Francis
Fukuyama lehrt an der John-Hopkins-Universität in Washington. Bekannt
wurde er durch sein Buch «Das Ende der Geschichte».
Der 71-jährige Brite David Frost ist einer der
bekanntesten TV-Moderatoren in Grossbritannien wie auch in den USA.
Weltberühmt wurde er durch sein Interview mit Richard Nixon
Der frühere Berater des damaligen britischen Premierministers
Tony Blair und Professor an der London School of Economics, Anthony
Giddens, versicherte 2007 in einem Leitartikel, Libyen könne «zum
Norwegen Nordafrikas» werden. Der frühere Berater von US-Präsident Bill
Clinton und Harvard-Professor, Joseph Nye, lobte im gleichen Jahr,
Muammar al-Ghadhafi sei ernsthaft an der «direkten Demokratie»
interessiert.
Ebenfalls 2007 führte Professor Benjamin Barber von
der Rutgers-Universität in einem Zeitungsbeitrag aus, Libyen sei drauf
und dran, «friedlich und ohne westliche Intervention zu einer stabilen,
nicht autokratischen Regierung» zu finden. Solche geballt optimistische
Einschätzungen waren kein Zufall, sondern Resultat einer von Ghadhafi
bezahlten PR-Kampagne, die von der Monitor Group geführt wurde, einer
mit der amerikanischen Elite-Universität Harvard verbundenen
Beratungsfirma
.
Der reformfreudige Diktator
Ebenso
stark an der Imagepolitur des libyschen Diktators beteiligt war die
angesehene London School of Economics. Hier finanzierte Ghadhafi
Ausbildungskurse für libysche Studenten, holte bezahlten Rat ein für den
mit Ölgeldern finanzierten Staatsfonds und rekrutierte Professoren für
Gastvorträge – erneut mit der Absicht, im Westen das Bild eines
reformfreudigen, dem Terrorismus entsagenden arabischen Staatsoberhaupts
zu vermitteln.
Doch was über Jahre hinweg toleriert wurde, brach
unter dem Druck der Revolte in Libyen rasch in sich zusammen. Der
Direktor der London School of Economics, Howard Davies, musste vor
kurzem seine Demission einreichen, da die Enthüllungen über die
Zuwendungen Ghadhafis von jährlich rund vier Millionen Dollar dem Ruf
der Schule stark geschadet hatten.
In den Vereinigten Staaten
versuchen sich die Professoren derweil herauszureden. Nye sagt, sein
Artikel von 2007 habe doch Berichtenswertes aus Libyen wiedergegeben. Zu
keinem Zeitpunkt habe er das Regime unterstützt. Barber meint, sein
Honorar sei nicht direkt von Ghadhafi, sondern von der Monitor Group
gekommen, die im Auftrag von Ghadhafis Sohn Saif al-Islam gearbeitet
habe. Warum er kritisiert werde, sei ihm nicht klar, hätten die USA doch
damals Libyen gezielt umworben und auf die eigene Seite ziehen wollen.
Kostspielige PR-Arbeit
Wie
viele Professoren in die Libyen-Kampagne eingespannt wurden, ist offen,
wie das amerikanische Monatsmagazin «Nation» schreibt. Doch hätten sich
auch der angesehene John-Hopkins-Ökonom Francis Fukuyama, der
Harvard-Professor Robert Putnam, der Ex-Bush-Berater Richard Perle sowie
der Fernsehmoderator David Frost nach Libyen einladen lassen. Keiner
dieser Experten, die anschliessend ihre positiven Libyen-Artikel
publizierten, teilte den Lesern mit, dass sie Geladene des Regimes
waren.
Für die Kosten und Honorare stellte der Ghadhafi-Clan der
Monitor Group jährlich drei Millionen Dollar zur Verfügung. Entgegen den
Beteuerungen der Professoren, mit ihren Besuchen die Demokratisierung
fördern zu wollen, hält der von Dissidenten in Tripolis enthüllte
Vertrag von 2006 explizit die PR-Absichten fest. Monitor-Chef Mark
Fuller rechtfertigt den Auftrag damit, dass Libyen «an einem Mangel an
positiver Public Relations und angemessenen Kontakten zu einem weiten
Feld von Meinungsführern und Vordenken leidet. Dieses Programm zielt
darauf ab, die Balance wieder zugunsten von Libyen zurechtzurücken».
Die Gunst der Elite Europas
Die
rund drei Jahre dauernde PR-Kampagne erreichte nicht alle Ziele. Vor
allem gelang es nicht, ein Buch über die Gespräche zwischen Ghadhafi und
den «Vordenkern» aus den USA und Europa zu publizieren. Dagegen gelang
es Saif al-Ghadhafi, sich als echter Reformer zu verkaufen; ein Image,
das er dieser Tage allerdings mit seinen schrillen Vergeltungsaufrufen
zerstörte.
Die Ghadhafi-Kampagne ist insofern ungewöhnlich, als
sie sich an die aufgeklärte – oder die sich als aufgeklärt verstehende –
Elite des Westens wandte und die Meinung von oben herab zu beeinflussen
versuchte. Diktatoren und Despoten versuchen sonst oft, die Gunst des
einfachen Volkes zu gewinnen.
So machte sich der venezolanische
Präsident Hugo Chávez ein Vergnügen daraus, armen Haushalten in Harlem
verbilligtes Heizöl ins Haus zu liefern, und zwar über Citgo-Filialen in
den USA. Dieser PR-Coup ärgerte die US-Regierung sehr – umso mehr, als
Chávez parallel einige Fernsehspots laufen liess, die mit dem Klischee
der intakten amerikanischen Mittelstandsfamilie spielten und ihn als
deren Wohltäter zeigten.
Condoleezza Rice lobte Despot
Auf
eine ähnliche Weise versuchte der brutale Präsident von
Äquatorial-Guinea, Teodoro Obiang, seinen Ruf als Folterer und korrupter
Gauner zu schönen. Er bezahlte der PR-Firma Cassidy & Associates
jeden Monat 120 000 Dollar aus seiner Ölkasse, damit sie Beziehungen zu
US-Regierungsstellen aufbaue. In der Tat empfing ihn die damalige
Aussenministerin Condoleezza Rice 2007 zu einem Besuch in Washington und
lobte den Despoten als «guten Freund». Dies erschien derart überdreht,
dass sich das Aussenministerium anschliessend zu einer Relativierung
gezwungen sah. Doch Obiang ist noch immer am Ruder, 32 Jahre nach dem
Putsch. Überhaupt fällt auf, dass es vor allem Ölförderländer sind, die
sich eine PR-Politur verpassen wollen.
Begonnen hatte dies nach
den Terroranschlägen vom September 2001, als Saudiarabien unter
Al-Qaida-Verdacht geriet und im Westen zunehmend schlechte Presse
erhielt. Darauf schloss das Königreich mit der PR-Firma Qorvis einen
Jahresvertrag von 14 Millionen ab. Daraus entstand eine landesweite
TV-Kampagne, die beide Länder als enge Verbündete und verlässliche
Partner darstellte. PR-Experten erklärten diese Kampagne zu einem vollen
Erfolg. Die saudikritischen Artikel in den USA nahmen wieder ab, und
dies erlaubte unter anderem der Regierung von US-Präsident George W.
Bush, ihre engen Beziehungen zum Hause Saud aufrechtzuerhalten.
(Ende Zitat Tages-Anzeiger)