100 Jahre Schlacht von Verdun:
Das Grauen in Zahlen
Einer von hunderttausenden: Feldgrab eines französischen Soldaten.
100 Jahre Schlacht von Verdun: Das Grauen in Zahlen
50
Millionen Bomben und Granaten pflügten das Schlachtfeld von Verdun um.
Heute noch, 100 Jahre nach Beginn der ersten Materialschlacht der
Weltgeschichte, finden die Bauern Knochen und Metallsplitter auf den
Feldern. Die «Blutpumpe» von Verdun in Zahlen.
Am 21. Februar 1916 begann die Schlacht. Sie
forderte hunderttausende Menschenleben – und am Ende verlief die Front
fast wie zuvor. Die erste grosse Materialschlacht der Weltgeschichte
änderte «eigentlich gar nichts»,
wie der Historiker Herfried Münkler sagte.
300 Tage Gemetzel
Deutscher Angriff auf die Höhe «Toter Mann». Bild: Wikipedia
Verdun
war die längste Schlacht der Weltgeschichte. Sie begann am 21. Februar
1916 mit dem «Unternehmen Gericht». Die deutsche Offensive dauerte bis
zum 11. Juli, danach gingen die Franzosen im Oktober zum Angriff über.
Erst am 19. Dezember 1916 endete die Schlacht.
9 Stunden Trommelfeuer
Pausenloses Trommelfeuer: Deutsche 210-mm-Haubitze. Bild: PD
Der
deutsche Angriff setzte am 21. Februar um 7.15 Uhr mit einem
Artillerie-Trommelfeuer aus 400 Batterien ein, das 9 Stunden lang
anhielt. 1225 Geschütze aller Kaliber, verteilt auf 10 Kilometer Tiefe,
feuerten pausenlos auf die französischen Stellungen und das Hinterland.
Pro Stunde schlugen 100'000 Geschosse ein.
50 Millionen Bomben und Granaten
Verdun war die erste grosse Materialschlacht der Geschichte. Bild: PD
Auf
die rund 20 Quadratkilometer des Schlachtfelds prasselten insgesamt
etwa 50 Millionen Bomben und Granaten nieder. Das sind mehr als 2 auf
jedem einzelnen Quadratmeter. 23 Millionen Projektile verschossen allein
die Franzosen – über 50 pro Minute. Das «Stahlgewitter», wie der
deutsche Schriftsteller Ernst Jünger seine Erfahrungsberichte aus dem
Krieg betitelte, verwandelte die Umgebung von Verdun in eine
Mondlandschaft. Ganze Dörfer wurden eingeebnet.
5 Kilo Stahlsplitter pro m2
Eine nicht explodierte deutsche Granate. Bild: Getty Images Europe
Etwa
50 Tonnen Stahlsplitter liegen heute noch auf jedem Hektar des
Schlachtfeldes. Dies entspricht 5 Kilogramm pro Quadratmeter.
125 Divisionen
Deutsche Truppen in Verdun. Bild: PD
Deutsche
und Franzosen setzten gewaltige Truppenmassen ein. 75 französische
Divisionen mit insgesamt 377'000 Mann standen 50 deutschen Divisionen
mit 337'000 Soldaten gegenüber.
70% der französischen Armee
Schnell ausgewechselt: Französische Truppen vor Verdun. Bild: PD
Die
Franzosen wechselten ihre Truppen schneller aus; durch ihr
Rotationssystem kamen mehr als 70 Prozent aller Soldaten mindestens
einmal für acht bis zehn Tage an die Front in Verdun. Dadurch erodierte
die Moral weniger schnell als bei den Deutschen, die oft bis zur
völligen Erschöpfung in den vordersten Linien ausharren mussten.
7 Meter pulverisierte Erde
Erobert und zurückerobert: Höhe 304 Bild: PD
Die
stark umkämpfte «Höhe 304» – allein hier starben fast 10'000
französische Soldaten – wurde so stark von Granaten umgepflügt, dass sie
7 Meter an Höhe verlor. Der kleine Hügel war strategisch wichtig, weil
er die Dörfer Malancourt und Hautcourt sowie das Tal der Esne
überblickt.
12 Eisenbahnlinien
Deutscher Materialtransport. Bild: PD
Die
deutsche 5. Armee wurde über 12 Eisenbahnlinien mit Material und
Munition versorgt. 1300 Munitionszüge transportierten 2,5 Millionen
Artilleriegeschosse – darunter auch Gasgranaten – an die Front.
1 Lastwagen alle 14 Sekunden
Lastwagen dieses Typs brachten Nachschub an die französischen Linien. Bild: PD
Die
Franzosen versorgten die Verteidiger von Verdun auf einer 70 Kilometer
langen Schotterpiste – dem einzig verbliebenen Verbindungsweg – mit
Nachschub. Alle 14 Sekunden traf im Schnitt ein Berliet-Lastwagen ein.
Pro Woche erreichten so 90'000 Soldaten und 50'000 Tonnen Material die
Front.
14 Tage Lebenserwartung
Mörderische Umgebung: Deutsche Soldaten auf dem Schlachtfeld von Verdun. Bild: PD
Die
durchschnittliche Lebenserwartung eines in der Schlacht von Verdun
eingesetzten deutschen Soldaten betrug Anfang Mai 1916 nur noch 14
Tage.
Über 300'000 Tote
In der «Blutpumpe» von Verdun kamen hunderttausende um. Bild: PD
Die
genaue Zahl der Gefallenen lässt sich nicht ermitteln.
Schätzungsweise 162'000 Franzosen und 143'000 Deutsche kamen um. Mehr
als 410'000 – etwa 215'000 Franzosen und 196'000 Deutsche – wurden
verletzt.
80'000 ungeborgene Tote
Das Schlachtfeld heute. Bild: Getty Images Europe
Auf dem Schlachtfeld liegen noch die Überreste von rund 80'000 bis heute nicht identifizierten Gefallenen.
69 Soldatenfriedhöfe
Soldatenfriedhof vor dem Beinhaus von Douaumont. Bild: VINCENT KESSLER/REUTERS
Im
Departement Meuse gibt es 40 französische und 29 deutsche
Soldatenfriedhöfe. Im Beinhaus von Douaumont liegen die Gebeine von etwa
130'000 nicht identifizierten deutschen und französischen Soldaten.
Von der Kriegserklärung bis zum Waffenstillstand: Der Erste Weltkrieg im Schnelldurchlauf
28. Juni 1914: Attentat in Sarajevo
In Sarajevo herrscht strahlendes Wetter. Der
österreichische Thronfolger Franz Ferdinand besucht mit seiner Gemahlin Sophie die bosnische Hauptstadt. Sie werden in einem offenen Wagen durch die Strassen kutschiert.
Der Erzherzog ist nicht willkommen; mehrere Attentäter lauern in der Menge der Zuschauer. Einer von ihnen, der 19-jährige
serbische Nationalist Gavrilo Princip, schiesst: Franz Ferdinand und seine Frau werden
tödlich getroffen. Die letzten Worte des Thronfolgers sind: «Es ist nichts, es ist nichts ...»
Doch es ist nicht nichts: Die vom Zwist der Nationalitäten zermürbte
Donaumonarchie nimmt das Attentat zum Anlass, ihren bedrohten
Grossmachtstatus unter Beweis zu stellen. Wien, von Berlin bestärkt,
stellt Serbien ein
Ultimatum, Russland eilt dem slawischen Brudervolk zu Hilfe – das Verhängnis nimmt seinen Lauf.
Rap-Battle der wichtigsten Protagonisten (Youtube/BBC)
28. Juli 1914: Der Krieg beginnt
Österreich-Ungarn erklärt Serbien den Krieg und eröffnet damit den
Reigen der Kriegserklärungen. Diplomatisches Versagen,
Bündnisautomatik und die Zwänge der militärischen Planung führen die europäischen Mächte in den Grossen Krieg, der alles ändern wird.
Der deutsche Kaiser Wilhelm II. verordnet den Kriegszustand.
3. August 1914: Einmarsch in Belgien
Für den Fall eines
Zweifrontenkriegs, wie er dem Deutschen Reich in seiner Mittellage droht, hat der deutsche Generalstab den sogenannten
Schlieffenplan entwickelt. Er sieht vor,
zuerst im Westen Frankreich in nur sechs Wochen zu schlagen und
danach Russland im Osten. Den schnellen Sieg im Westen soll ein
Umfassungsangriff des nördlichen (rechten) Heeresflügels durch Belgien und Nordfrankreich bringen, der die französischen Armeen einkesseln soll.
Der ursprüngliche Schlieffen-Plan, 1905. Er sah auch einen
Durchmarsch durch die Niederlande vor und griff noch weiter nach Westen
aus. (Wikipedia/Furfur)
In der Nacht auf den 4. August marschieren deutsche Truppen in Belgien ein und verletzen damit
völkerrechtswidrig dessen Neutralität. Grossbritannien reagiert darauf umgehend mit der
Kriegserklärung.
Die deutschen Truppen stossen auf unerwartet zähen Widerstand,
besonders bei der Festung Lüttich. Schon jetzt verliert Deutschland den
Propagandakrieg, auch weil deutsche Truppen tausende von Zivilisten als
Geiseln erschiessen, als Vergeltung für das Feuer von vermeintlichen Heckenschützen – in Wahrheit vermutlich «friendly Fire».
Das US-Propagandaplakat von 1918 erinnert an deutsche Gräuel in Belgien. (Wikipedia/PD)
Die Schweizer Armee
macht mobil. Gleichentags wählt die Bundesversammlung
Ulrich Wille zum General.
Die aktive Feldarmee hat eine Gesamtstärke von 250'000 Mann, dazu
kommen 77'000 Pferde. Am 4. August erklärt der Bundesrat die strikte
Neutralität der Schweiz.
Artillerie-Einheit bei Bülach ZH (Schweizerisches Bundesarchiv)
26. August 1914: Schlacht bei Tannenberg
Der
deutsche Sieg über die überraschend schnell nach Ostdeutschland vorgestossenen russischen Armeen
bei Tannenberg stoppt den russischen Vormarsch in Ostpreussen und begründet den
Hindenburg-Mythos.
9. September 1914: Das «Wunder an der Marne»
Der
deutsche Vormarsch nähert sich Paris, doch dabei entsteht zwischen zwei
deutschen Armeen eine Lücke, in die ab dem 5. September französische
und britische Truppen hineinstossen. In der
Marne-Schlacht
stoppen die Alliierten den deutschen Vorstoss. Die Franzosen verlegen
Truppen aus Lothringen an die Marne und karren sogar mit Pariser Taxis
Soldaten an die Front, während die Deutschen aus Angst vor dem
unerwartet schnellen russischen Vormarsch Truppen nach Osten abziehen.
Am 9. September ziehen sich die Deutschen rund 80 Kilometer hinter die
Aisne zurück – was die Franzosen das
«Wunder an der Marne» nennen.
Französische Soldaten 1914 an der Westfront (Wikipedia/PD)
Mit diesem taktischen Rückzug ist der
Schlieffenplan gescheitert. Generalstabschef Helmuth von Moltke erleidet einen Nervenzusammenbruch und wird durch Erich von Falkenhayn ersetzt.
Fehler der Kriegführenden im August und September 1914 (Youtube/Thomas D.)
14. September 1914: «Wettlauf zum Meer»
Falkenhayn versucht, mit dem
Vorstoss zur Kanalküste («Wettlauf zum Meer») die militärische Initiative zurückzugewinnen, die britischen und französischen Armeen
an der Flanke zu umfassen und die Kanalküste an der Strasse von Dover unter Kontrolle zu bringen. Nach dem 19. Oktober geht der
Bewegungskrieg an der Westfront endgültig in einen
Stellungskrieg über. Das zeigt sich in der Ersten Flandernschlacht um die strategisch wichtige belgische Stadt Ypern.
29. Oktober 1914: Kriegseintritt des Osmanischen Reiches
Das
Osmanische Reich
– aufgrund seiner sich im 19. Jahrhundert immer deutlicher
offenbarenden Schwäche oft als «kranker Mann am Bosporus» tituliert –
tritt
auf Seiten der Mittelmächte in den Krieg ein.
Osmanische Soldaten um 1914 (PD)
14. Dezember 1914: «Unser Schweizer Standpunkt»
Der angesehene Dichter und spätere Nobelpreisträger
Carl Spitteler warnt
in einem Vortrag zur Neutralität der Schweiz vor der möglichen Spaltung des Landes. Der nationale
Zusammenhalt zwischen Deutschschweiz und Romandie sei durch den Krieg
gefährdet.
Spitteler 1905 (Wikipedia/PD)
24. Dezember 1914: «Weihnachtsfrieden»
Zuerst
schiessen sie aufeinander, nun feiern sie miteinander: An einigen
Abschnitten der Westfront in Flandern schliessen – hauptsächlich
britische und deutsche – Soldaten spontan und inoffiziell einen
temporären Waffenstillstand, um gemeinsam Weihnachten zu feiern.
Deutsche und britische Soldaten während des Weihnachtsfriedens (Wikipedia/PD)
16. Februar 1915: Winterschlacht in der Champagne
Eine
gemeinsame grosse Offensive der Briten und Franzosen in der Champagne soll den bedrängten Bündnispartner
Russland entlasten. Der Angriff wird nach
fürchterlichen Verlusten am 20. März abgebrochen. Allein die Franzosen verlieren etwa 240'000 Soldaten – Tote, Verwundete und Gefangene.
19. Februar 1915: Schlacht von Gallipoli
Nachdem britische und französische Kriegsschiffe im Februar und im März die
türkischen Stellungen an den Dardanellen erfolglos angegriffen haben, soll Ende April ein
Landungsunternehmen die osmanische Artillerie ausschalten. Das Ziel der Entente ist, die von den Türken gesperrten
Meerengen wieder für den Nachschub nach Russland zu öffnen.
Der Widerstand der osmanischen Truppen ist aber wider Erwarten zäh; zugleich spielt den Verteidigern unter dem
Kommando Mustafa Kemal Atatürks
die Arroganz der britischen Offiziere in die Hände, die ihren Gegner
unterschätzen. Bis zum August verlieren die Angreifer – vornehmlich
Australier und Neuseeländer – bei
Gallipoli 180'000 Mann. Dennoch werden die letzten Truppen erst am 9. Januar 1916 abgezogen.
Gallipoli – Der Kampf um die Dardanellen (Youtube/Reportagen007)
22. April 1915: Gas!
Eine
neue Waffe
soll die Erstarrung der Fronten, Folge des Übergewichts der defensiven
Mittel (Maschinengewehr und Stacheldrahtverhau), überwinden:
Gas. Zuerst setzen die Franzosen Tränengas gegen die Deutschen ein, dann die Deutschen gegen die Russen – ohne Erfolg.
Doch am ersten Tag der Zweiten Flandernschlacht lassen deutsche Truppen bei Poelkapelle in wenigen Minuten 150 Tonnen
Chlorgas aus 6000 Stahlflaschen ab. Die Folgen sind verheerend: Die nicht mit Gasmasken ausgerüsteten französischen Soldaten fliehen;
tausende kommen um. Von da an gehört die Angst vor dem
Gaskrieg zum Alltag der ohnehin geplagten Soldaten.
Von Tränengas geblendete britische Soldaten im April 1918 (Wikipedia/PD)
1. Mai 1915: Durchbruchsschlacht von Gorlice-Tarnów
Der
erste grosse strategische Durchbruch gegen ein befestigtes Grabensystem
im Ersten Weltkrieg ermöglicht den Mittelmächten, die russische Linie
in den folgenden Wochen etwa 100 Kilometer zurückzuwerfen und am 22.
Juni 1915 Lemberg zu erobern. Die russischen Truppen werden zum
Rückzug aus Galizien gezwungen.
World War I: Gorlice Tarnow Offensive 1/4 (engl.) (Youtube/mengutimur)
7. Mai 1915: Versenkung der «Lusitania»
Vor der Südküste Irlands
torpediert ein deutsches U-Boot die «Lusitania».
Der britische Passagierdampfer – einst das grösste Schiff der Welt –
sinkt; in den Fluten kommen rund 1200 Menschen um. Unter den Opfern
befinden sich 128 Amerikaner. Die
Proteste der USA bewegen die deutsche Führung dazu, den seit Ende Februar erklärten
uneingeschränkten U-Boot-Krieg wieder einzustellen.
Deutsche Illustration des Untergangs der «Lusitania» (Wikipedia/Bundesarchiv DVM 10 Bild-23-61-17)
23. Mai 1915: Italien entscheidet sich gegen die Mittelmächte
Obwohl Italien vor dem Krieg im geheimen Dreibund mit Deutschland und Österreich-Ungarn verbündet war, tritt es nun
auf Seiten der Entente in den Krieg ein. Diese verspricht Rom
umfangreiche Gebietsgewinne:
Italien soll nach dem Krieg das Tirol bis zum Brenner, Triest und
Istrien ausser Rijeka (Fiume) sowie das nördliche und mittlere Dalmatien
mit den vorgelagerten Inseln erhalten.
27. Mai 1915: Ein Gesetz für einen Genozid
Mit dem Deportationsgesetz oder Tehcir-Gesetz fasst die Regierung des Osmanischen Reiches die
Umsiedlung der Armenier und Assyrer in einen juristischen Rahmen. Damit beginnt die systematische Phase des
Völkermords an den Armeniern und an den Assyrern.
Armenische Flüchtlingskinder (PD)
22. September 1915: Herbstschlacht in der Champagne
Erneut versuchen die Armeen der Entente, die deutschen Linien mit einem
durch massives Trommelfeuer vorbereiteten Frontalangriff zu durchbrechen. Bis zum 6. November rennen die Alliierten gegen die deutschen Stellungen an. Die Folge sind
gewaltige Verluste, aber keine greifbaren Resultate. Dies führt zu einer
innenpolitischen Krise;
Premierminister René Viviani wird durch Aristide Briand abgelöst. Auch
der Oberbefehlshaber der British Expeditionary Force (BEF), John French,
wird am 19. Dezember durch Douglas Haig ersetzt.
14. Oktober 1915: Bulgarien schliesst sich den Mittelmächten an
Das über den Ausgang des Zweiten Balkankriegs unzufriedene
Bulgarien tritt auf Seiten der Mittelmächte in den Krieg ein. Die Mittelmächte
erobern in der Folge bis zum Jahresende Serbien, Montenegro und Albanien und stellen so die Landverbindung zur verbündeten Türkei her. Die Entente besetzt darauf das bis dahin neutrale Griechenland.
21. Februar 1916: Die Blutpumpe läuft an
Ausgerechnet
eine der stärksten französischen Stellungen wählt Erich von Falkenhayn
für seine Grossoffensive, die an der Westfront die Entscheidung bringen
soll:
Verdun. Der deutsche Generalstabschef will die französischen Truppen in einer gewaltigen
Abnutzungsschlacht «ausbluten»; zudem hofft er auf überhastete Gegenangriffe der Briten zur Entlastung der Franzosen.
Deutsche Infanteristen verlassen die Schützengräben, um die Höhe Toter Mann zu erstürmen. (Wikipedia/PD)
Das mörderische Ringen um wenige Meter, das zum
Inbegriff des Stellungskriegs
und der Materialschlachten an der Westfront wird, dauert bis zum 19.
Dezember. Bis dahin verschlingt die «Blutpumpe», wie die Soldaten Verdun
nennen, hunderttausende von Menschenleben: 167'000 Franzosen und
150'000 Deutsche fallen im Kampf um die Festung.
Die Schlacht um Verdun (Youtube/GeschichtsDokus)
31. Mai 1916: Die grösste Flottenschlacht der Geschichte
Wider Erwarten spielt die
deutsche Hochseeflotte im Krieg kaum eine Rolle – dabei hat der
Flottenwettlauf mit Grossbritannien
Unsummen verschlungen und das Verhältnis zur stärksten Seemacht
nachhaltig getrübt. Nun dümpelt des Kaisers Stolz nutzlos in den
Heimathäfen.
Erst durch die offensivere Seekriegsführung des deutschen
Vizeadmiral Reinhard Scheer kommt es Ende Mai 1916 zu einem Gefecht mit
der
britischen Grand Fleet vor Jütland. An der grössten
Seeschlacht von Grosskampfschiffen der Geschichte sind rund 250 Schiffe
beteiligt, wobei die Briten etwa im Verhältnis 8:5 überlegen sind.
Obwohl die
Grand Fleet höhere Verluste erleidet, endet die
Skagerrakschlacht als
Patt: Der deutschen Flotte gelingt es nicht, die britische Überlegenheit zu brechen. Die britische Seeblockade bleibt bestehen.
Ein Schiff feuert während der Skagerrakschlacht eine Breitseite ab. (PD)
4. Juni 1916: Brussilow-Offensive
Mit
der Taktik, die feindliche Front auf grosser Breite zugleich
anzugreifen, damit der Gegner seine Reserven nicht konzentriert
einsetzen kann, erzielt der russische
General Alexei Brussilow
den grössten militärischen Erfolg Russlands während des gesamten
Krieges. Die nach ihm benannte Offensive entlastet die westlichen
Alliierten – die Deutschen müssen Truppen von Verdun abziehen – und
drängt bis zum 20. September
die Linien der Mittelmächte in Wolhynien und Galizien zurück. Besonders die österreichisch-ungarischen Verbände erleiden gewaltige Verluste, aber auch die
Russen verlieren rund eine Million Mann. Dieser Aderlass beschleunigt die Demoralisierung des russischen Heeres.
Österreichisch-ungarische Maschinengewehr-Stellung in Wolhynien (Österreichisches Staatsarchiv)
1. Juli 1916: Die blutigste Schlacht des Krieges beginnt
Nach
einer Woche Trommelfeuer beginnt die britischen
Offensive an der Somme, die bis zum 18. November dauern wird. Es ist die
verlustreichste Einzelschlacht des Krieges;
über 620'000 Mann auf Seiten der Entente sind danach tot, verwundet
oder vermisst, fast 500'000 Mann auf deutscher Seite. Allein am ersten
Tag der Schlacht, dem
«schwärzesten Tag der britischen Militärgeschichte», fallen über 19'000 britische Soldaten, davon 8000 in der ersten halben Stunde.
Während dieser grössten Schlacht des Ersten Weltkriegs setzen die Briten am 15. September
erstmals Panzer
ein. Die aus Geheimhaltungsgründen «Tanks» genannten Kampfwagen sollen
das tödliche Patt des Stellungskrieges überwinden – vorerst ohne Erfolg.
«Die Höllen-Schlacht: Somme 1916», Teil 1 (Youtube/politikpestreload)
17. August 1916: Rumänien schliesst sich der Entente an
Lange
ist Rumänien neutral geblieben und hat sich von beiden Kriegsparteien
umwerben lassen. Unter dem Eindruck der russischen Erfolge zu Beginn der
Brussilow-Offensive entschliesst sich Bukarest nun zum
Kriegseintritt auf Seiten der Entente. Deren Versprechungen sind naturgemäss attraktiver: Der neue Bündnispartner soll
zu Lasten von Österreich-Ungarn Siebenbürgen und das Banat erhalten. Überdies sichern die Allierten Rumänien Teile der Bukowina zu.
29. August 1916: Hindenburg und Ludendorff übernehmen
Der glücklose Generalstabschef Erich von Falkenhayn muss gehen – seine Nachfolge tritt die sogenannte
3. OHL (Oberste Heeresleitung) an. Sie besteht aus Stabschef
Paul von Hindenburg, dem «Helden von Tannenberg», und dem ersten Generalquartiermeister
Erich Ludendorff, dem eigentlichen Kopf des Gespanns. Die neue militärische Führung, deren Ernennung auch eine politische Wende – hin zur
faktischen Militärdiktatur – bedeutet, bricht die Offensivaktionen gegen Verdun ab.
Hindenburg, Kaiser Wilhelm II. und Ludendorff (v.l.n.r.) 1917 (PD)
Auch der Oberbefehl des französischen Heers wechselt angesichts der
Erfolglosigkeit der französischen Kriegführung: Im Dezember 1916 löst
General
Georges Robert Nivelle General
Joseph Joffre ab.
6. Dezember 1916: Bukarest fällt
Nach einer desaströsen Offensive wird die
schlecht ausgerüstete und ausgebildete rumänische Armee
von deutschen, österreichischen und bulgarischen Truppen
zurückgedrängt. Trotz russischer Unterstützung kann Rumänien dem Angriff
der Mittelmächte
nicht standhalten; am 6. Dezember erobert die Heeresgruppe Mackensen die rumänische Hauptstadt.
Der
Fall Rumäniens bringt die russische Armee in Schwierigkeiten, die nun mit einem Drittel ihres Truppenbestandes die
neue Front im Süden verteidigen muss.
Kavallerieeinheiten der Mittelmächte marschieren in Bukarest ein. (Wikipedia/PD)
12. Dezember 1916: Friedensangebot der Mittelmächte
Nach der Eroberung Rumäniens drängt die Donaumonarchie darauf, der Entente
ein Friedensangebot
zu unterbreiten. Die Friedensnote an den US-Präsidenten Woodrow Wilson
soll die kriegsmüden Länder der Entente entzweien und die Position der
Mittelmächte gegenüber den
neutralen Staaten (d.h. vornehmlich den USA) stärken.
Da der Ton der Note
unverbindlich gehalten und vor allem keine Bereitschaft Deutschlands erkennbar ist, die besetzten Gebiete zu räumen, ist das Angebot
für die Entente unannehmbar. Sie lehnt es am 30. Dezember ab.
Winter 1916/1917: «Steckrübenwinter»
Die
britische Seeblockade
trifft Deutschland schwer, das vor dem Krieg rund ein Drittel seiner
Lebensmittel importieren musste. Dazu kommt eine Kartoffelfäule im
Herbst 1916, so dass für den grössten Teil der Bevölkerung die
Steckrübe,
eine Kohlart, zum wichtigsten Nahrungsmittel wird. Es gibt
Steckrübensuppe, Steckrübenauflauf, Steckrübenkoteletts,
Steckrübenpudding, Steckrübenmarmelade und Steckrübenbrot. Dennoch
leidet ein beträchtlicher Teil der Deutschen unter der
katastrophalen Ernährungslage. Zwischen 1914 und 1918 sterben in Deutschland schätzungsweise 800'000 Menschen an
Hunger und Unterernährung.
Warteschlange vor einem Kartoffelladen (Stadtarchiv Düsseldorf)
1. Februar 1917: Uneingeschränkter U-Boot-Krieg
Auf Druck der Marineleitung und annexionistischer Kreise nimmt Deutschland den seit September 1915 abgebrochenen
uneingeschränkten U-Boot-Krieg – also die Versenkung von Handelsschiffen ohne Vorwarnung – wieder auf, obwohl dadurch mit einer
amerikanischen Kriegserklärung gerechnet werden muss. Die deutsche Admiralität ist indes optimistisch: England könne innerhalb von fünf Monaten
«in die Knie gezwungen» werden, noch bevor ein eventueller Kriegseintritt der USA sich auswirken werde.
Am 3. Februar brechen die USA die diplomatischen Beziehungen zum Reich ab.
Deutsches U-Boot der UC-1-Klasse mit seiner Besatzung (Wikipedia/PD)
8. März 1917: Der Zar muss abdanken
Die Februarrevolution in Russland (am 23. Februar nach dem julianischen Kalender) zwingt
Zar Nikolaus II. zur Abdankung. Die Zarenherrschaft in Russland ist damit beendet. Die provisorische
Regierung Kerenski führt den Krieg jedoch weiter.
16. März 1917: Rückzug auf die Siegfriedstellung
Die deutschen Truppen an der Westfront ziehen sich – für die Alliierten überraschend – auf die
stark ausgebaute Siegfriedstellung zurück. Der
taktische Rückzug
unter dem Codenamen «Alberich» verkürzt die Frontlinien und verbessert
die Lage des angeschlagenen deutschen Heeres. Der geräumte Landstrich in
Nordfrankreich wird dabei
systematisch verwüstet, die Bevölkerung zwangsevakuiert.
Siegfriedstellung bei Bullecourt (Wikipedia/PD)
6. April 1917: Die USA treten in den Krieg ein
Nach
der Wiederaufnahme des zwischenzeitlich abgebrochenen uneingeschränkten
U-Boot-Krieges erklären die USA, die ohnehin schon seit Herbst 1914
Grossbritannien unterstützen, Deutschland den Krieg. «Recht ist
kostbarer als Frieden», erklärt Präsident Wilson. Neben dem «maritimen
Terror» des U-Boot-Kriegs erzürnt auch die
Zimmermann-Depesche das Weisse Haus: Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt in Berlin hat
Mexiko Gebiete in Texas, Neu-Mexiko und Arizona versprochen, wenn es den USA den Krieg erklärt. Die Briten fangen das Telegramm ab und informieren Washington.
Der
Kriegseintritt der damals schon grössten Wirtschaftsmacht verstärkt das materielle Übergewicht der ohnehin an Ressourcen bereits überlegenen Entente enorm. Im Mai
führen die USA die Wehrpflicht ein. Militärisch kommt der amerikanische Kriegseintritt vorerst jedoch kaum zum Tragen.
16. April 1917: Die Offensive des «Blutsäufers»
Der neue französische Oberbefehlshaber
Robert George Nivelle befiehlt eine Grossoffensive gegen den Höhenzug
Chemin des Dames
an der Aisne im zentralen Abschnitt der Westfront. Nivelles Rezept:
Mehr vom Gleichen: mehr Soldaten, mehr Artillerie, mehr Granaten.
Fast eine Million Soldaten
greifen die deutschen Stellungen an. Bis zum 25. April summieren sich
die französischen Verluste auf etwa 30'000 Tote und 100'000 Verwundete.
Im Mai kommt es zu
Befehlsverweigerungen im französischen Heer: Mehrere französische Fronteinheiten meutern offen. Die Offensive muss abgebrochen werden.
Mitte Mai wird
Philippe Pétain anstelle des «Blutsäufers» Nivelle Oberbefehlshaber der Westfront. Mit brutalen Strafmassnahmen wie
Todesurteilen gelingt es ihm, die Meuterei zu beenden.
General Nivelle (Wikipedia/PD)
25. Juni 1917: Die Amerikaner kommen
Die ersten 14'000 Soldaten der
American Expeditionary Forces (AEF)
landen in Europa. Zunächst werden die Truppen aber ausgebildet; erst im
Oktober 1917 kommen die ersten amerikanischen Einheiten an die Front.
Bis März 1918 kommen drei weitere Divisonen in Frankreich an, doch
erst ab Mai 1918 werden die AEF zu einem gewichtigen Faktor an der Westfront: Dann stehen etwa
eine Million amerikanische Soldaten in Frankreich, die Hälfte davon an der Front.
Soldaten der AEF nach der Schlacht von St. Mihiel im September 1918 (Wikipedia/PD)
6. Juli 1917: Interfraktioneller Ausschuss
Beginn der
Parlamentarisierung des Deutschen Reiches: Im Reichstag formiert sich der sogenannte
Interfraktionelle Ausschuss,
ein Gremium, das die Zusammenarbeit von Sozialdemokratischer Partei
(SPD), Fortschrittlicher Volkspartei (FVP) und Zentrumspartei
koordinieren soll. Diese Parteien verfügen seit den Wahlen von 1912 über
die Mehrheit im Parlament.
Am 14. Juli tritt Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg zurück.
31. Juli 1917: Dritte Flandernschlacht
Erneut
versuchen die Alliierten, bei Ypern die deutsche Front zu durchbrechen.
Bei den Kämpfen sind die Verluste enorm und die Geländegewinne gering.
Den kanadischen und britischen Truppen gelingt am 6. November die
Einnahme des Dorfes Paeschendaele; damit endet die Schlacht.
Bilder von der Schlacht um Paeschendaele (Youtube/Hugh Little):
15. Oktober 1917: Mata Hari hingerichtet
In den Befestigungsanlagen von Schloss Vincennes nahe Paris richtet ein französisches Erschiessungskommando die
«exotische Tänzerin» Mata Hari hin. Die aus den Niederlanden stammende Margaretha Geertruida Zelle, wie sie mit bürgerlichem Namen heisst, soll
für die Deutschen spioniert haben. Mit ihrem Tod im Morgengrauen beginnt der Mythos Mata Hari.
Mata Hari (Wikipedia/PD)
24. Oktober 1917: Schlacht von Karfreit
Österreichische und deutsche Truppen – darunter eine Kompanie unter dem Kommando eines Oberleutnants namens
Erwin Rommel – durchbrechen in der
Schlacht von Karfreit (Caporetto) die italienische Front am Isonzo. Der
Rückzug der Italiener verwandelt sich in eine
Massenflucht;
ganze Truppenkontingente desertieren. Italien steht am Rand der
Niederlage. Erst die Unterstützung französischer und britischer
Hilfstruppen kann die Front am Piave wieder stabilisieren.
Deutsche Soldaten und italienische Gefangene (Wikipedia/PD)
7. November 1917: Oktoberrevolution
Die
Bolschewiki ergreifen in der
Oktoberrevolution (nach dem julianischen Kalender am 25. Oktober) die Macht in Russland. Nicht zuletzt ihre Forderung nach einem
«Frieden um jeden Preis»
macht sie beim kriegsmüden Volk populär. Die neuen Machthaber erlassen
ein Dekret Dekret über einen «sofortigen Frieden ohne Annexionen und
Kontributionen» und nehmen unverzüglich
Waffenstillstandsverhandlungen mit den Mittelmächten auf.
Lenin, der Anführer der Bolschewiki (PD)
8. Januar 1918: Wilsons «14 Punkte»
Präsident Wilson präsentiert mit den
«14 Punkten» die Friedensbedingungen der USA. Neben konkreten Forderungen wie zum Beispiel der
Räumung der besetzten Gebiete in Belgien und Frankreich
oder der Rückgabe von Elsass-Lothringen an Frankreich enthält die Liste
auch allgemeine («Freiheit der Meere») und zum Teil vage Punkte
(«autonome Entwicklung» für die Völker Österreich-Ungarns).
Am 24. Januar
lehnen die Mittelmächte die «14 Punkte» ab.
US-Präsident Wilson (AP)
3. März 1918: Frieden im Osten
Nachdem
die Ukraine bereits am 9. Februar einen Friedensvertrag mit den
Mittelmächten geschlossen hat, unterzeichnen nun auch die Bolschewiki
den Friedensvertrag von Brest-Litowsk. Russland wird nach Osten zurückgedrängt; der Vertrag sieht die Bildung von deutschen Vasallenstaaten von der Ukraine bis zum Baltikum vor. Überdies verschafft der Frieden im Osten den Mittelmächten militärische Handlungsfreiheit im Westen.