Quelle Spiegel
Die Affäre Özil ist ein Lehrstück. Ein Lehrstück, wie man es nicht
machen sollte. Im Fall Özil-Erdogan-Grindel sind sämtliche denkbaren
Fehler gemacht worden, und vielleicht ist das sogar das Gute im
Schlechten. Deutlicher konnten all die Versäumnisse, Mängel und
Missstände im Deutschen Fußball-Bund nicht offengelegt werden. Die
vergangenen drei Monate waren ein Dokument des Komplettversagens eines
Verbands. Und einer Nationalmannschaft dazu.
Integration, Zusammenhalt, Teamgeist: Das ist der Anspruch, den diese
Mannschaft auf Werbebannern verkündet. Als es aber konkret darum
gegangen ist, Stellung zu beziehen, einen Spieler, der sich
offensichtlich allein gelassen gefühlt hat, zu unterstützen, war davon
nichts zu spüren. Stattdessen: das Schweigen der Männer.
Mesut Özil hat fast zehn Jahre lang für diese Mannschaft gespielt, er
hat viel, manche sagen sehr viel, zu den Erfolgen dieses Team
beigetragen. Jetzt tritt er zurück, begründet dies mit rassistischen
Erfahrungen - und niemand aus dem Führungskreis des Teams nimmt
Stellung. Sonst sind sie nicht müde, aus dem Urlaub, Instagram- und
Twitter-Posts mit Badehosen-Selfies zu schicken.
Aber nach dem Özil-Rücktritt meldeten sich bislang Jérôme Boateng,
Julian Draxler und Antonio Rüdiger, um sich für die gemeinsame Zeit zu
bedanken. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Kein Wort zu den
Vorwürfen, weder Rückendeckung noch Distanzierung. Nichts vom Kapitän,
nichts von den übrigen Spielern, die mit Özil Weltmeister wurden. Fast
wäre man geneigt, Sandro Wagner im Nachhinein recht zu geben, der seinen
Rücktritt aus der Nationalmannschaft vor der WM
gewohnt vollmundig auch damit begründet hatte, dass es im Team keine Spieler mit einer eigenen Meinung gebe.
Von Joachim Löw ist nichts zu hören. Auch Merkel geht auf Distanz.