Donnerstag, 23. Juni 2016
Aufschlussreiche Rhetorik-Analyse auf Spiegel-online: TRUMP vs. CLINTON
Der Vorwahlkampf in den USA war rabiat. Donald Trump
beschimpfte seine Konkurrenten, ersann böse Spitznamen, machte sie
lächerlich. Als Bühne für seine Ausfälle nutzte er oft und gern die
Fernsehdebatten. Am Ende wurde er offizieller Kandidat der Republikaner.
Im Vergleich zu derart aggressiven Wortgefechten erschienen die Debatten der Demokraten um Hillary Clinton und Bernie Sanders schon fast kuschelig, auf jeden Fall aber fair und inhaltsorientiert. Inzwischen ist klar: Sanders kann Clinton nicht mehr schlagen, sie wird die erste weibliche Präsidentschaftsanwärterin der USA.
Was wird passieren, wenn Clinton und Trump bei Fernsehdebatten aufeinander treffen? Wie will sich die frühere Chef-Diplomatin gegen den Polarisierer Trump behaupten? Und womit haben beide bislang beim Wähler gepunktet?
Eine umfassende inhaltliche Analyse aller TV-Debatten offenbart die bisherige Diskussionsstrategie der Kandidaten - und lässt fünf Prognosen für den Wahlkampf zu.
1. Beide Kandidaten hämmern den Zuhörern ihre Botschaften ein
Häufig wiederholte Botschaften bleiben hängen. Dieser Strategie folgen sowohl Clinton als auch Trump. Hillary Clinton setzt dabei auf Präsident Barack Obama. Sie nannte seinen Namen in fast allen Debatten mehr als fünfmal. Denn Obama ist bei den Wählern beliebter als sie selbst. Wer eine Fortsetzung seiner Politik will, muss für Clinton stimmen, so lautet die Botschaft. Auch der Republikaner nutzt Obama - aber als Anti-Beispiel. Wer eine "dritte Amtszeit" Obamas verhindern will, so die Botschaft, muss Trump wählen.
Donald Trump stellt sich als Politik-Außenseiter und Geschäftsmann
dar, der alles anders machen will. Seine wenig konkrete, aber
einprägsame Formel lautet: "Amerika wieder großartig machen". Das Wort "great"
wiederholt er häufig, das kommt gut an. Auch seine Widersacherin ist
auf diese Strategie eingeschwenkt, bei ihr häuften sich die "greats" in
den letzten Debatten. Ähnlich sieht es bei der Erwähnung der Leute, also
"people", aus. Dieses Wort fiel in den letzten Debatten deutlich öfter. Zu Trumps Lieblingsthemen gehören China und die Kritik am Freihandel - bei Clinton kommt dieser Begriff hingegen kaum vor.
In der Auswertung der Debatten fällt zudem auf, dass Hillary Clinton häufiger empathische und emotionale Verben verwendet als Trump. Während sie mehr über "unterstützen", "benötigen" und "denken" spricht, redet Trump über die Nation, die Größe Amerikas und Politik als Geschäftsdeal.
2. Clinton hat mehr zu sagen
Die Fernsehdebatten sind dazu da, die Kandidaten und ihre Positionen kennenzulernen. Das bedeutet für die Politiker: reden, reden, reden. Hillary Clinton hat in neun Debatten rund 54.000 Wörter gesprochen, etwa 15.000 mehr als Donald Trump in elf Debatten. Das liegt einerseits daran, dass Trump zu Beginn mehr Mitbewerber hatte und deswegen seltener zu Wort kam. Andererseits sind Clintons Sätze durchschnittlich fast anderthalb mal so lang wie Trumps. Auch ihr Vokabular ist deutlich umfangreicher.
3. Trump scheut Inhalt
Die Analyse von häufig verwendeten Phrasen zeigt extreme Unterschiede: In den Top 10 der meistverwendeten Wortkonstruktionen finden sich bei Hillary Clinton Gesundheitsvorsorge und Krankenversicherung, Einwanderungsreform und Wall Street. Die einzige Substantivphrase in Trumps Top 10 lautet "United States". Ansonsten spricht er vorwiegend von nicht wollen, nicht wissen, erledigen, abschaffen und zurückkommen.
Während Clinton also tatsächlich inhaltlich argumentiert und Vorteile von sozialen Programmen betont, inszeniert sich Donald Trump als Kümmerer, der die Dinge in die Hand nimmt und dafür sorgt, dass "es" besser wird - was auch immer "es" ist. Wenn er gefragt wird, woher er das Geld für seine Pläne nehmen will, antwortet er zum Beispiel äußerst vage: "Wir werden ganz viel einsparen. Wir werden so viel einsparen, dass euch die Köpfe schwirren."
4. Clinton gibt Fehler zu
Per Inhaltsanalyse lassen sich besonders positiv und negativ konnotierte Sätze herausfiltern. Durchsucht man die Debatten nach auffällig negativen Aussagen, machen sich auch hier deutliche Unterschiede zwischen den Kandidaten bemerkbar. Hillary Clinton räumt Fehler und Schwächen ein, etwa in der E-Mail-Affäre, bedauert gescheiterte Gesetzesinitiativen, kann aber auch angreifen. Donald Trump hingegen nutzt teilweise extrem negativ konnotierte Vokabeln zum Angriff, schürt Angst vor Terrorismus und zeichnet ein düsteres Bild von seinem Land.
Nachfolgend die laut Textanalyse negativsten Sätze (mit mehr als vier Wörtern):
5. Trump prahlt
Die Analyse der positiven Sätze zeigt, wie Trump die Wähler für sich gewinnen will: indem er Stärke demonstriert. Immer wieder erwähnt er die Reichtümer, über die er verfügt: viel Geld, gute Freunde, ausgezeichnete Wahlergebnisse. Der Geschäftsmann fängt seine Wähler kaum mit inhaltlichen Visionen, sondern indem er von sich selbst schwärmt - und damit wortwörtlich vorgibt, was die Leute von ihm zu halten und weiterzutragen haben.
Die positiven Aussagen von Hillary Clinton drehen sich zumeist darum, welche Personengruppen oder Gesetze sie unterstützt. Doch sie macht sich auch über Trump und seine Idee von der "schönen hohen Mauer" an der mexikanischen Grenze lustig.
Auswertung
Hillary Clinton ist eine erfahrene Politikerin. Sie ist eloquent und hält einen penibel vorbereiteten Schlachtplan für jede Debatte bereit. Doch große Leidenschaft entfacht die Machtpolitikerin bei den Wählern damit nicht. Ungeachtet der erstaunlichen Erfolge von Donald Trump und Bernie Sanders gibt sie die Botschaft aus, dass Präsident Obama das Land auf einen guten Weg gebracht habe. Ihre Argumentation dreht sich um die Frage des Was: Was funktioniert schon, was will sie besser machen?
Ganz anders Trump: Er zeichnet Horrorvisionen einer kaputten, korrupten, schwachen Nation und bietet in einfachen Worten Lösungen für komplexe Probleme an. "Wir müssen mit dieser politischen Korrektheit aufhören", fordert er - und bricht ein Tabu nach dem anderen. Dieser Zungenschlag gefällt Millionen von Wählern. Trump fragt nach dem Wer: Wer, wenn nicht der Geschäftsmann, kann die festgefahrene Washingtoner Kaste aufbrechen? Wer darf zu seiner Nation dazugehören, dass sie "wieder großartig" wird - Immigranten und Muslime?
Am 26. September werden Hillary Clinton und Donald Trump voraussichtlich zur ersten Fernsehdebatte gegeneinander antreten. Die Präsidentschaftswahl dürfte sich auch daran entscheiden, welche Frage die Auseinandersetzungen bestimmt: Clintons Was? oder Trumps Wer?
Im Vergleich zu derart aggressiven Wortgefechten erschienen die Debatten der Demokraten um Hillary Clinton und Bernie Sanders schon fast kuschelig, auf jeden Fall aber fair und inhaltsorientiert. Inzwischen ist klar: Sanders kann Clinton nicht mehr schlagen, sie wird die erste weibliche Präsidentschaftsanwärterin der USA.
Was wird passieren, wenn Clinton und Trump bei Fernsehdebatten aufeinander treffen? Wie will sich die frühere Chef-Diplomatin gegen den Polarisierer Trump behaupten? Und womit haben beide bislang beim Wähler gepunktet?
Eine umfassende inhaltliche Analyse aller TV-Debatten offenbart die bisherige Diskussionsstrategie der Kandidaten - und lässt fünf Prognosen für den Wahlkampf zu.
1. Beide Kandidaten hämmern den Zuhörern ihre Botschaften ein
Häufig wiederholte Botschaften bleiben hängen. Dieser Strategie folgen sowohl Clinton als auch Trump. Hillary Clinton setzt dabei auf Präsident Barack Obama. Sie nannte seinen Namen in fast allen Debatten mehr als fünfmal. Denn Obama ist bei den Wählern beliebter als sie selbst. Wer eine Fortsetzung seiner Politik will, muss für Clinton stimmen, so lautet die Botschaft. Auch der Republikaner nutzt Obama - aber als Anti-Beispiel. Wer eine "dritte Amtszeit" Obamas verhindern will, so die Botschaft, muss Trump wählen.
Obama
great
people
China
So oft erwähnten die Kandidaten das Wort 'Obama'
Donald Trump
Vorwahlkampf-Debatten der Republikaner
*achte Debatte der Partei, Trump ließ die siebte aus
Hillary Clinton
Vorwahlkampf-Debatten der Demokraten
Clinton und Sanders führten nur neun Debatten
In der Auswertung der Debatten fällt zudem auf, dass Hillary Clinton häufiger empathische und emotionale Verben verwendet als Trump. Während sie mehr über "unterstützen", "benötigen" und "denken" spricht, redet Trump über die Nation, die Größe Amerikas und Politik als Geschäftsdeal.
2. Clinton hat mehr zu sagen
Die Fernsehdebatten sind dazu da, die Kandidaten und ihre Positionen kennenzulernen. Das bedeutet für die Politiker: reden, reden, reden. Hillary Clinton hat in neun Debatten rund 54.000 Wörter gesprochen, etwa 15.000 mehr als Donald Trump in elf Debatten. Das liegt einerseits daran, dass Trump zu Beginn mehr Mitbewerber hatte und deswegen seltener zu Wort kam. Andererseits sind Clintons Sätze durchschnittlich fast anderthalb mal so lang wie Trumps. Auch ihr Vokabular ist deutlich umfangreicher.
Ein Mann weniger Worte
Donald Trump spricht in kürzeren Sätzen als Hillary Clinton
Quelle: Transcripts der Vorwahlkampfdebatten
Wenn Clinton einmal zu reden beginnt, ist sie schwer zu stoppen.
Sie hat dann eine klare Absicht, welche Botschaft sie den Zuhörern
vermitteln will und lässt sich auch kaum von Moderatoren und
Mitstreitern unterbrechen. Donald Trump dagegen ist schlagfertig, bissig
und weiß instinktiv, welchen Ton er treffen muss, um Schlagzeilen zu
machen. Und das funktioniert besser mit Einzeilern als mit sorgfältig
ausformulierten Statements.3. Trump scheut Inhalt
Die Analyse von häufig verwendeten Phrasen zeigt extreme Unterschiede: In den Top 10 der meistverwendeten Wortkonstruktionen finden sich bei Hillary Clinton Gesundheitsvorsorge und Krankenversicherung, Einwanderungsreform und Wall Street. Die einzige Substantivphrase in Trumps Top 10 lautet "United States". Ansonsten spricht er vorwiegend von nicht wollen, nicht wissen, erledigen, abschaffen und zurückkommen.
Während Clinton also tatsächlich inhaltlich argumentiert und Vorteile von sozialen Programmen betont, inszeniert sich Donald Trump als Kümmerer, der die Dinge in die Hand nimmt und dafür sorgt, dass "es" besser wird - was auch immer "es" ist. Wenn er gefragt wird, woher er das Geld für seine Pläne nehmen will, antwortet er zum Beispiel äußerst vage: "Wir werden ganz viel einsparen. Wir werden so viel einsparen, dass euch die Köpfe schwirren."
Per Inhaltsanalyse lassen sich besonders positiv und negativ konnotierte Sätze herausfiltern. Durchsucht man die Debatten nach auffällig negativen Aussagen, machen sich auch hier deutliche Unterschiede zwischen den Kandidaten bemerkbar. Hillary Clinton räumt Fehler und Schwächen ein, etwa in der E-Mail-Affäre, bedauert gescheiterte Gesetzesinitiativen, kann aber auch angreifen. Donald Trump hingegen nutzt teilweise extrem negativ konnotierte Vokabeln zum Angriff, schürt Angst vor Terrorismus und zeichnet ein düsteres Bild von seinem Land.
Nachfolgend die laut Textanalyse negativsten Sätze (mit mehr als vier Wörtern):
5. Trump prahlt
Die Analyse der positiven Sätze zeigt, wie Trump die Wähler für sich gewinnen will: indem er Stärke demonstriert. Immer wieder erwähnt er die Reichtümer, über die er verfügt: viel Geld, gute Freunde, ausgezeichnete Wahlergebnisse. Der Geschäftsmann fängt seine Wähler kaum mit inhaltlichen Visionen, sondern indem er von sich selbst schwärmt - und damit wortwörtlich vorgibt, was die Leute von ihm zu halten und weiterzutragen haben.
Die positiven Aussagen von Hillary Clinton drehen sich zumeist darum, welche Personengruppen oder Gesetze sie unterstützt. Doch sie macht sich auch über Trump und seine Idee von der "schönen hohen Mauer" an der mexikanischen Grenze lustig.
Auswertung
Hillary Clinton ist eine erfahrene Politikerin. Sie ist eloquent und hält einen penibel vorbereiteten Schlachtplan für jede Debatte bereit. Doch große Leidenschaft entfacht die Machtpolitikerin bei den Wählern damit nicht. Ungeachtet der erstaunlichen Erfolge von Donald Trump und Bernie Sanders gibt sie die Botschaft aus, dass Präsident Obama das Land auf einen guten Weg gebracht habe. Ihre Argumentation dreht sich um die Frage des Was: Was funktioniert schon, was will sie besser machen?
Ganz anders Trump: Er zeichnet Horrorvisionen einer kaputten, korrupten, schwachen Nation und bietet in einfachen Worten Lösungen für komplexe Probleme an. "Wir müssen mit dieser politischen Korrektheit aufhören", fordert er - und bricht ein Tabu nach dem anderen. Dieser Zungenschlag gefällt Millionen von Wählern. Trump fragt nach dem Wer: Wer, wenn nicht der Geschäftsmann, kann die festgefahrene Washingtoner Kaste aufbrechen? Wer darf zu seiner Nation dazugehören, dass sie "wieder großartig" wird - Immigranten und Muslime?
Am 26. September werden Hillary Clinton und Donald Trump voraussichtlich zur ersten Fernsehdebatte gegeneinander antreten. Die Präsidentschaftswahl dürfte sich auch daran entscheiden, welche Frage die Auseinandersetzungen bestimmt: Clintons Was? oder Trumps Wer?
Methodik
So funktionierte die Datenanalyse:
Basis unserer Auswertung waren die Mitschriften der
Vorwahlkampfdebatten, die US-amerikanische Medien wie "New York Times"
und "Washington Post" veröffentlicht haben. In diesen Mitschriften haben
wir alles gelöscht, was nicht von Clinton beziehungsweise Trump
stammte. Die beiden Dateien mit den Aussagen der Politiker haben wir
dann mit Hilfe des "Natural Language Toolkit" ausgewertet. Diese
Bibliothek der Programmiersprache Python bietet Funktionen, um die
häufigsten Wörter und Phrasen in einem Text zu bestimmen. Mit Hilfe
dieses Toolkits lassen sich Texte außerdem in Sätze und Wörter
aufsplitten und Werte dafür berechnen, wie lang die Sätze sind und wie
positiv oder negativ sie formuliert sind.
Notiert von marcus knill um 02:29
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