Trailer: «The Putin Interviews»
» bezeichnete. Der Kreml-
Meister der Körperinszenierung: Wie viel hat Putin von Mussolini abgeschaut? Fotos: Getty Images
Es hat Tradition: Wenn Wladimir Putin in seiner Freizeit in die
Wildnis zieht, lässt er die Weltöffentlichkeit an seinen Abenteuern
teilhaben. Von seinem jüngsten Kurztrip im Süden Sibiriens hat der Kreml
kürzlich jede Menge Fotos veröffentlicht. Wir sehen zum Beispiel, wie
der russische Präsident in einem Fluss einen kräftigen Schwumm
vollführt. Oder mit ausgebreiteten Armen auf einem Floss in der
Sommersonne steht und in der linken Hand einen dicken Fisch hält.
Selbstverständlich posiert Putin mit nacktem Oberkörper. Das hat er zu
seinem Markenzeichen gemacht. Unvergessen sind seine Fotos als Reiter
mit freiem Oberkörper, unterwegs in den Weiten Sibiriens.
Ewig viril: Wladimir Putin sonnt sich in Sibirien (August 2017). Foto: AFP
Auch
Benito Mussolini zeigte sich gerne mit entblösster Brust (während einer
Ansprache im Sommer 1938 und beim Skifahren 1937). Fotos: Getty
Für einen Mann, der im kommenden Oktober 65 Jahre alt wird, sieht
Putin topfit aus. Der Langzeit-Präsident liebt die Inszenierung seines
Körpers und seiner Männlichkeit. Er ist eben ein echter Kerl,
naturverbunden und sportlich, viril und vital, stets bereit für den
Kampf im Dienste des Vaterlands. Der russische Politikwissenschaftler
und Publizist Sergei Medwejew sieht hinter dem Gehabe mit dem nackten,
muskulösen Oberkörper eine ambitionierte Botschaft: Es soll zeigen,
«dass der russische Staat, buchstäblich verkörpert von Putin, stark ist,
also alles und alle im Griff hat».
Eine Urgewalt: Der russische Präsident stählt seinen Körper im Baikalsee. Foto: Reuters
Der Duce fand im Mittelmeer etwas weniger herausfordernde Bedingungen vor (ca. 1930). Foto: Getty
Politische Körperinszenierungen haben eine lange Tradition, mit
Vorbildern aus der griechischen und römischen Antike. Karl der Grosse,
Europas Gründergestalt, soll ein grosser Schwimmer gewesen sein.
Schwimmend demonstrierte er Freunden und Untertanen, dass er der
geborene Führer war. Beschrieben ist das im Buch «Der schwimmende
Souverän» des Kunsthistorikers Horst Bredekamp. In der neueren
Geschichte war es Chinas «Grosser Vorsitzender» Mao, der sich als
unerschrockener Schwimmer im riesigen Yangtse propagandistisch
inszenierte. Im 20. Jahrhundert gab es auch manche afrikanische
Diktatoren, die sich in der Kunst der Körperinszenierung übten, allen
voran Idi Amin, der Despot und Schlächter von Uganda.
Putin fährt auch Ski, … aber das konnte Mussolini natürlich auch schon. Fotos: PD, Getty
Zur Meisterschaft des Körperkults haben es die deutschen
Nationalsozialisten und die italienischen Faschisten gebracht. Sie
erkannten früh die Macht der Bilder von Körperinszenierungen, und sie
nutzten diese systematisch zur Beeinflussung der Massen. Im Gegensatz
zum Führer zeigte der Duce höchstpersönlich vollen Körpereinsatz. Benito
Mussolini ist der Erfinder der penetranten Zurschaustellung des nackten
Oberkörpers. Von Italiens Diktator gibt es sehr viele Oben-ohne-Fotos,
so zum Beispiel von einem Einsatz bei einer Weizenernte im Agro Puntino,
vom Skifahren in den Abruzzen oder von einem Treffen mit dem
österreichischen Kanzler Engelbert Dollfuss am Strand von Riccione. Wie
es dem Faschismus eigen war, zelebrierte Mussolini seine Männlichkeit –
so, wie es Russlands Präsident Putin heute tut.
Die Wehrhaftigkeit in Person: Der Russe (ca. 2005) und der Italiener (30er-Jahre) beim Kampfsport. Fotos: Keystone, Getty
In der Körperinszenierung gibt es verblüffend viele Parallelen
zwischen Putin und Mussolini. In unzähligen Fotografien präsentieren
sich beide als ewig jugendliche Kraftmenschen, die scheinbar nicht
altern. Und beide zeigen sich in Sportlerposen oder bei typisch
männlichen Freizeitbeschäftigungen, als ginge es darum, als Alleskönner
zu erscheinen. Sie sind halt echte Männer und tolle Kerle, die bewundert
werden wollen.
Die Tausendsassas Putin und Mussolini sind nicht nur begnadete Sportler, sondern auch Meisterschützen, … (Fotos: PD, Getty)
… furchtlose Motorradfahrer, … (Fotos: Getty)
… tollkühne Piloten … (Fotos: AP, Getty)
… und erfahrene Kapitäne. Fotos: Getty, AP
Mussolini und Putin: Beide Staatslenker sind Reiter, Schwimmer,
Skifahrer und Schützen; der eine ist noch Fechter, der andere auch
Taucher, Judoka und Eishockeyspieler. Beide sitzen auf Motorrädern sowie
am Steuer von Booten oder im Cockpit von Kampfflugzeugen. Beide sind
sogar musisch begabt: Putin spielt Klavier und Mussolini Violine. Und
beide scheinen eine Vorliebe für junge Raubkatzen zu haben: Mussolini
posiert mit einem Junglöwen und Putin mit einem Jungleoparden.
Starke Männer fühlen sich zu starken Tieren hingezogen. Fotos: Keystone, Getty
Putin hat sein ikonografisches Vorbild Mussolini längst überholt.
Unvergesslich bleibt Putins Flugaktion zur Rettung einer vom Aussterben
bedrohten Kranich-Art. An Bord eines Ultraleichtfliegers flog Putin vom
Polarkreis in wärmere Gefielde in den Süden Russlands. Dabei folgte ihm
ein Schwarm von Jungkranichen, denn aus Lautsprechern des Fluggeräts
erschallten Laute eines Kranich-Muttertiers. Putin, der Tierfreund und
Kranich-Retter: Eine solche Show hat nicht einmal der Duce hingekriegt.
Es gibt Menschen, die können einfach alles: Putin und Mussolini beim Musizieren. Fotos: Getty
Der russische Landesvater steht den einfachen Feldarbeitern mit Rat und Tat zur Seite, … Foto: Reuters
… ebenso wie der italienische Duce (1932). Foto: Getty
Vincenzo Capodici ist Redaktor und Reporter im Ressort International beim «Tages-Anzeiger».
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