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Christoph Blochers Partei bestimmt die Agenda der Journalisten wie nie zuvor. Zugleich werden die Angriffe der SVP auf den «linken Mainstream» im Wahljahr immer lauter. Über den neusten Stand einer komplizierten Beziehung
Für Walter Frey ist heute Zahltag. Die Bürger von Opfikon ZH entscheiden an der Urne, ob
der millionenschwere Autoimporteur und SVP-Vizepräsident den örtlichen «Stadt-Anzeiger» kaufen darf. Der Deal zwischen Freys Verlag Lokalinfo AG und Noch-Besitzer Theophil Maag stand im Januar bereits fest, der Gemeinderat hatte grünes Licht gegeben - doch dann ergriff die lokale SP das Referendum.
Steht in der Schweiz ein Medium zum Verkauf, geistert aber vor allem der Name eines anderen SVP-Mannes durch den Blätterwald - jener von Christoph Blocher. Das jüngste Beispiel ist TeleZüri. Am 12. April schrieb der Tamedia-Konzern, der auch die SonntagsZeitung herausgibt, den Lokalsender zum Verkauf aus. Tags darauf wurde der SVP-Chefstratege in den Medien als möglicher Käufer gehandelt.
Was ist beim Ständeratskandidaten aus Herrliberg anders als bei der politischen Konkurrenz? Er hat Geld. Er hat eine politische Mission. Und er verbindet Innovation mit Tradition: Er redet von der guten alten Ballenberg-Medienwelt, in der jede politische Strömung ihr eigenes Hausblatt hatte.
Gleichzeitig ist er der Online-Pionier unter den Politikern. Er war einer der ersten Volksvertreter mit einer eigenen Website. Mit seinem Tele Blocher nutzt er seit 2007 ein Web-TV, das zwar mässige Zuschauerzahlen hat, aber zumindest in anderen Medien grosse Beachtung findet.
Bei jeder Bewegung in der Schweizer Medienlandschaft rätseln die Journalisten über die nächsten Schritte des Politikers, die stets im Klandestinen verortet werden : Blocher und «Geheimplan», Blocher und die Strohmänner. Dass er sein Beratungsmandat bei der «Basler Zeitung» erst öffentlich machte, nachdem die «NZZ am Sonntag» das Engagement aufgedeckt hatte, nährt das Misstrauen.
Man trifft den Angesprochenen in dessen Haus in Herrliberg.
Herr Blocher, wollen Sie TeleZüri kaufen?
«Ich für mich will den Sender nicht kaufen. Ich bin Politiker und Partei. Wenn ich am Kauf interessiert wäre, wäre ich nur daran interessiert, dass man ihn so weiterführt wie bisher. Ich ermuntere jeden, TeleZüri zu übernehmen - wenn es ohne mich geht, ohne mich. Wenn es mich aber braucht, dann mache ich mit.»
Anfragen für ein Engagement bei TeleZüri gebe es: «Wenn es etwas zu verkaufen gibt, habe ich wöchentlich zehn Telefonanrufe. Gestern rief mich ein Freisinniger an, ob ich das nicht machen könne mit dem und dem und dem.» Natürlich nennt Blocher keine Namen, aber: «Es sind bürgerliche Leute, eine Gruppe von zehn Personen, die aber alleine nicht wollen und niemanden finden, der zahlt.»
Blochers Begeisterung für den Lokalsender und seinen Chef Markus Gilli hat vor allem einen gewichtigen Grund: Er heisst SRG. Es gehe ihm um einen Sender, «der verschiedene Meinungen zum Ausdruck bringt und eine gewisse Konkurrenz zur SRG darstellt.»
Der staatlich konzessionierte Rundfunkanbieter dient Blocher und den Seinigen als Feindbild Nummer eins. «Ich leide als Staatsbürger unter dem Fernsehmonopol der SRG, das wir in der Schweiz haben. Es ist das einzige Fernsehen, das man gesamtschweizerisch schauen kann.» Zwar gebe es noch Star-TV und 3+. «Aber für Nachrichten oder etwas Politisches kommen die nicht infrage, die haben dafür kein Geld.»
Dass bei der SRG alle Meinungen Platz finden - in den Augen linker Kritiker wie Ex-SP-Medienminister Moritz Leuenberger gar zugunsten der SVP -, streitet er partout ab. «Noch schlimmer ist es beim Schweizer Radio. Das ist alles die gleiche Sauce. Wir haben kein anderes Radio, das man gesamtschweizerisch ausstrahlen kann. Meistens höre ich beim Autofahren ?Echo der Zeit?. Da wird es mir manchmal schlecht ob der Einseitigkeit.»
Die SVP, bedrängt von einer linken, europhilen Medienphalanx: Die Stilisierung dieser Opferrolle ist fester Teil ihres politischen Erfolgs. In Bundesbern ist es die «Classe politique», zu der man nicht gehört; in den Medien besteht die Bedrohung aus dem «linkslastigen Mainstream».
Medienforscher widersprechen. «Die Benachteiligung der SVP durch die Medien ist ein Mythos», sagt Linards Udris, Mediensoziologe an der Universität Zürich. «Die SVP ist jene Partei, die in den Medien mit Abstand am präsentesten ist.»
Journalisten auf der SVP-Linie sind rar; doch auch linke Medienschaffende schreiben und berichten vor allem über die SVP und die Themen der SVP. «Das Wichtigste für eine Partei ist die Themensetzung», sagt Udris.
So berichteten die Medien in den Jahren 2009 und 2010 sehr viel mehr über die Antiminarett- und über die Ausschaffungsinitiative als über die Kriegsmaterialexport- und die Steuergerechtigkeitsinitiative, über die zeitgleich abgestimmt wurde. «Und bei den letzten eidgenössischen Wahlen erhielt die SVP etwa doppelt so viel Aufmerksamkeit wie FDP und SP.»
Das räumt Blocher ein: «Aber die Ausgewogenheit in den Meinungen stimmt nicht. Überlegen Sie sich, wie Leutenegger die ?Arena? gemacht hat. Er hat gesagt: ?Ich muss die Stärksten suchen, jene, die Standpunkte vertreten.? Dann kam er halt immer wieder auf Bodenmann, Ledergerber, Jaeger, Steinegger und Blocher.»
Die alte «Arena», der Blocher nachtrauert, hat SRF-Superdirektor Ruedi Matter mit einem Soft-Konzept beerdigt. «Er ist sicher ein guter Technokrat», sagt Blocher über Matter. «Aber er hat kein Gesicht. Er ist einer von denen, die man sich nicht merken kann.»
Die Zuschauerzahlen des Politklassikers «Arena» sind im Sinkflug. Vorletzten Freitag sahen noch 213?000 Personen die Erstausstrahlung. «CC-Talk» auf Star-TV, eine Diskussionssendung, die vom Zürcher SVP-Kantonsrat Claudio Zanetti zusammen mit Christoph Romer moderiert wird, erreichte im Januar einen Spitzenwert von immerhin 220?000 Zuschauern - wobei dabei die Wiederholungen mitgerechnet werden. Auch Zanetti spricht von der «Einseitigkeit» der SRG. Sein Vorbild sind rechte Blogs in den USA, allen voran Townhall.com, die sich am Feindbild eines angeblichen linken Einheitsbreis reiben.
Blocher sagt, er vermisse auch in der hiesigen Presse die Vielfalt. «Die Zeitungslandschaft ist nicht viel besser als das Fernsehen. Im Züribiet besitzt Tamedia alle grossen Tageszeitungen, in der Ostschweiz ist es die NZZ. Da lobe ich das Engagement bei der ?Basler Zeitung? von Tito Tettamanti und später von Moritz Suter.» Die Wirtschaft und die bürgerlichen Parteien hätten die Presse fallen gelassen. «Basel hatte mit der ?Basler Zeitung? und der ?Nationalzeitung? eine gute Presselandschaft: eine eher linke und eine bürgerliche Zeitung. Für die Besitzer der Basler Industrie wäre es doch keine Sache zu sagen: ?Wir wollen eine bürgerliche Zeitung?.»
Haben Sie Moritz Suter das Geld für den Kauf der «Basler Zeitung» gegeben?
«Ich bin es nicht. Es ist auch einer, der handelt und sagt, das muss jetzt gemacht werden.»
Wieso steht diese Person denn nicht öffentlich hin?
«Wenn das ein Unternehmer ist, wird er von morgens bis abends von der linken Medienszene ?zur Sau gemacht?. Ich könnte hinstehen, mir würde das nichts ausmachen. Ich bin das gewohnt. Aber sonst ist die ganze Schlammschlacht nicht so lustig für Bürgerliche.»
Ist Moritz Suters Gläubiger SVP-Mitglied?
«Nein, aber das müssen Sie ihn selbst fragen.»
Geld verhilft zu Medienpräsenz, besonders im Wahljahr. Das haben auch die SVP-Gegner begriffen, die fordern, dass die Partei ihre Finanzierung offenlegt. «Für die Wahlen rechnen wir auf Bundesebene mit einem Budget von drei Millionen Franken», sagt Blocher. «Angenommen, wir bringen nur 2,5 Millionen zusammen, dann würde ich eine halbe Million beisteuern. Dazu kommen die Ausgaben der Kantonal- und Gemeindeparteien.»
Bei der Medienarbeit ist die Partei auch im Low-Budget-Bereich erfolgreich - im Internet. Übermorgen reicht SVP-Nationalrätin Natalie Rickli eine Petition für die Halbierung der Billag-Gebühren ein. «Bye Bye Billag» entstand aus einer Facebook-Gruppe und wurde mit 134?000 Unterschriften in vier Monaten zur wohl erfolgreichsten Petition aller Zeiten.