Aus Charakteren wird ein Team
Quelle: ZEIT ONLINE 15.6.2009 -
Geschichtenerzähler verkaufen sich gut, Kämpfer boxen sich durch, Träumer entwickeln schräge Ideen. Spannt man sie richtig zusammen, wird daraus eine gute Arbeitsgruppe
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Alex Wong/Getty Images
Wie schmiede ich eine kreative, effektive Arbeitsgruppe? Das Lehrbuch rät: Man muss Gruppen so zusammenstellen, dass die Fähigkeiten und Kenntnisse ihrer Mitglieder sich ergänzen; man braucht kompetente Leute, klare Ziele und eindeutige Regeln. Doch die Praxis ist komplizierter.
Die meisten Projektleiter mögen homogene Teams, kritisiert der bekannte Schweizer Kommunikationsberater Marcus Knill, und sie bevorzugen Menschen, die ihnen angenehm sind. Die Folge: "Journalisten meiden Kritiker, Lehrer scheuen Besserwisser und wer selbst gerne redet, umgibt sich gern mit Schweigern." Genau das aber ist falsch.
Damit ein Projekt erfolgreich wird, braucht es die ganze Bandbreite der Charaktere. Damit sind Konflikte programmiert. Doch das sei unabdingbarer Teil des Erfolgs, sagt Knill. Richtig integriert, bringen fast alle Typen der Projektarbeit Gewinn: Geschichtenerzähler, Spieler oder Macher. Vorausgesetzt, der Projektleiter kennt ihre Eigenheiten und weiß jeden richtig einzusetzen. Die wichtigsten Charaktere:
Der Geschichtenerzähler.
Es gibt ihn in jeder Gruppe. Der Geschichtenerzähler kennt jeden, weiß alles, hat jedes Problem schon mindestens dreimal gelöst – und lässt keine Gelegenheit aus, dies jedem zu erzählen. Das Problem: Mitunter plaudert er auch außerhalb der Projektgruppe über vermeintlich falsche Lösungsansätze oder Schwächen der Kollegen. Aufgabe des Projektleiters ist es, ihn in die Gruppe zu integrieren. Gelingt dies und fühlt er sich ernst genommen, "verkauft" er nicht nur sich selbst, sondern auch das Projekt. Geschichtenerzähler sind gute Öffentlichkeitsarbeiter.
Der Sprinter ist ein klassischer Macher.
Er denkt und handelt schnell. Das Problem: Mitunter ist er zu schnell für seine Kollegen, und vor allem in der Anfangsphase eines Projekts agiert er oft extrem ungeduldig. Doch richtig eingesetzt, ist der Sprinter ein großer Gewinn für das Team. Er krempelt die Ärmel hoch und arbeitet schon, während die anderen sich noch sortieren. Was ihm hilft ist eine klare Struktur. Darin arbeitet er zuverlässig und beweist außerdem ein großes Durchhaltevermögen.
Der Kämpfer ist meist ebenfalls ein Macher,
doch er will nicht nur in der Sache vorwärts kommen, sondern auch auf der Karriereleiter. Das Problem: Kommt er nicht zum Zuge, kann er aggressiv reagieren und andere Gruppenmitglieder niederkämpfen. Der Kämpfer braucht viel Anerkennung, aber zugleich muss ihm jemand die Stirn bieten, wenn er anfängt zu stänkern. Er hat gelernt, für seine Sache einzustehen. Gelingt es, das Gesamtprojekt zu seiner Sache zu machen, kümmert er sich engagiert darum und verteidigt es auch nach außen.
Der Spieler will dabei sein, aber nicht mitmachen.
Das Problem: Er lässt sich selbst nicht in die Karten schauen und hält oft sogar bewusst Informationen zurück. Im schlimmsten Fall verbreitet er sogar Gerüchte. Die Aufgabe des Projektleiters ist es, das Problem offen anzusprechen und einen eigenen Beitrag des Spielers einzufordern. Gelingt das, ist das Engagement oft umso größer. Gelingt die Intervention aber nicht, gibt es nur eine Lösung: Der Spieler muss die Gruppe verlassen.
Die graue Maus.
Wäre sie nicht dabei, würde es gar nicht auffallen. Sie kriegt den Mund nicht auf, eigene Ideen hat sie nicht. Doch Vorsicht! Sie kann gut zuhören und verfügt oft über ein großes Fachwissen. Außerdem ist sie sehr pflichtbewusst. Richtig behandelt, wächst die graue Maus über sich selbst hinaus – und bereichert jede Gruppe. Aufgabe des Projektleiters ist es, sie ein wenig an die Hand zu nehmen.
Schwierig ist hingegen der Umgang mit dem Miesmacher.
Er frustriert die Gruppe, indem er ihr deutlich zeigt, wie wenig er von ihrer Aufgabe und Arbeit hält. Aufgabe des Projektleiters: Entscheidend ist die Frage nach dem "Warum". Wurde der Nörgler womöglich in die Gruppe geschickt? Ist er richtig informiert? Fühlt er sich überfordert? Oder ist er einfach nur pessimistisch? Gute Projektleiter nehmen die Kritik erst. Denn auch wenn es nervt, wenn jemand in jeder Suppe ein Haar findet: Ein Pessimist sieht mitunter auch Fehler und Versäumnisse, die Optimisten nicht sehen wollen.
Die Flasche ist der Albtraum jedes Projektleiters,
dennoch ist sie fast immer und überall dabei. Die Flasche wird vom Vorgesetzten geschickt – und zwar aus dem einzigen Grund, dass er sie selbst nicht mehr sehen kann. Problem: Sie hat schon vorher auf der ganzen Linie versagt. Aufgabe des Projektleiters: Ruhe bewahren und genau hinschauen. Manch vermeintliche Flasche ist in Wirklichkeit nur eine graue Maus. Erst wenn sich herausstellt, dass sie wirklich nichts kann, gibt es auch hier nur eine Lösung: Rauswurf!
Der Träumer.
"Sollte man nicht ...", "Wäre es nicht besser ...?" Mit solchen Sätzen versetzt er ganze Arbeitsgruppen in Trance. Problem: Alle wollen endlich vorankommen, doch der Träumer hat immer noch eine bessere Idee. Auch wenn das anstrengend für den Projektleiter ist, ein Träumer gehört in jede Gruppe. Er bringt die schrägen Ideen ein und denkt in Richtungen, die andere nicht einmal sehen. Projektleiter müssen die Position kreativer Kollegen stärken und gleichzeitig darauf achten, dass sie sich nicht verzetteln. Oft sind es die Träumer, die festgefahrene Projekte vor dem Aus bewahren.
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Quelle: Knill und Knill Kommunikationsberatung, http://www.knill.com , http:// www.rhetorik.ch, Autor: Marcus Knill. Rhetorik.ch, © Knill, 2001, Knill.com.
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