Nach der Amoktat:
Wut über die Auswüchse der Medien
Seit Tagen belagern die Medien den Ort des Blutbades in Winnenden. Journalisten kämpfen angeblich mit harten Bandagen um Augenzeugenberichte und tränenreiche Interviews. Als die Identität des Fluchtfahrers von Tim, dem Amokschützen publik wurde, belagerten Journalisten auch dessen Haus. Der Fahrer handelte offensichtlich seine Informationen gegen Geld.
Kommentar: Man kann sich fragen: Wo hört die Information auf und wo beginnt die Sensationslust?
Was dürfen die Medien zeigen, das man eigentlich nicht zeigen sollte? Oder: Welche Bilder darf man zur Veranschaulichen zeigen, damit die Leute verstehen, was nicht gezeigt werden darf?
In Italien hat sich gezeigt, dass die Medien immer mehr über Gewaltverbrechen schreiben. Dies garantiert Einschaltquoten. Wenn die Zeitungen noch vor 10 Jahren 10% über Täter, Verbrechen und Tötungen gebracht hatten, so sind es heute bereits 25%!
Die Medien rennen nach authentischen Geschichten, nach Augenzeugenberichten, die den Tathergang plastisch werden lassen. Für die Medien wurde Winnenden die Story der Jahres aber in erster Linie ein Geschäft!
Es lohnt sich - gegenüber den Medien - Vorsicht walten zu lassen. So konnte nachträglich die Ankündigung der Tat im Chatroom als Fälschung entlarvt werden. Auch die SPIEGEL Meldung, Tim habe am Vorabend der Tat das Killerspiel "FarCry2" um 21.40 Uhr gespielt, ist nicht erhärtet.
Was besonders fragwürdig ist: Wenn die Täter in den Medien mit Montur und Waffe abgebildet werden.
Täter können bei gewissen Jugendlichen Kultstatus erhalten. Es gibt bereits Fanclubs, die sogar den Geburtstag der Täter feiern. Vor allem fragwürdige Abbildungen der in schwarz gekleideten Massenmörder mit der Waffe in der Hand könnten zur Nachahmung animieren. Da haben die Medien sicherlich eine Verantwortung. Sie dürfen den Anreiz zur Nachahmung nicht mit entsprechenden Bildern schüren (Täter in schwarzen Mantel und Waffe). Diese Thematik wurde in vielen Redaktionen nach den Publikationen reflektiert, nachdem BILD den Mörder gross abgebildet hatte mit einer Waffe in der Hand, Die Mündung der Pistole gegen den Betrachter gerichtet .
Unbedachte Aktionitis der deutschen Bundeskanzlerin
Angela Merkel wollte nach der Bluttat in Winnenden ein Zeichen setzen, um zu zeigen, dass die Regierung nicht untätig bleibt. Sie schlug vor, direkte Kontrollen durchzuführen, ob die Bestimmungen über den Besitz von Waffen in Haushalten eingehalten werden. Die Bundeskanzlerin müsste sich jedoch bewusst sein, dass im Deutschland das Personal für eine flächendeckende Kontrolle fehlt und zudem die rechtlichen Grundlagen und Haushalte nicht ohne Hausdurchsuchungsbefehle durchsucht werden dürften.
Kommentar:
Der Vorschlag Merkels ist ein typischer unbedachter Schnellschuss einer Politikerin, die etwas sagt, damit etwas gesagt ist und etwas tun möchte, damit die Oeffentlichkeit das Gefühl hat, es werde etwas getan.
Nachtrag vom 17.3.09:
Ich zitiere blick-online:
Es gibt erstaunlich viele Nachahmetäter
Der Amoklauf hat nach Angaben des baden-württembergischen Innenminister Heribert Recht zahlreiche Trittbrettfahrer animiert. Bis Montag hätten allein in seinem Bundesland 52 Nachahmer ähnliche Taten angedroht, sagte Rech in Stuttgart.
39 davon seien ermittelt worden, gegen fünf sei Haftbefehl erlassen worden. Gegen 13 liefen noch die Ermittlungen. «Wir müssen davon ausgehen, dass wir mit weiteren Trittbrettfahrern zu rechnen haben», sagte der Minister. Die Drohungen belasteten die Arbeit der Polizei erheblich