Der fromme SP Nationalrat
Er tritt für die Minderbemittelten ein, lehnt den Darwinismus ab und die Homo-Adoption ab. Er ist auch gegen die Drogen Liberalisierung und die Abtreibung.
Ich zitiere 20 Min:
SP-Nationalrat und Gewerkschafter Philipp Hadorn trägt seine fromme Gesinnung mit dem roten Fischli-Pin zur Schau.
SP-Präsident
Christian Levrat trägt gerne einen roten Pin mit dem Parteilogo. Auch Genosse
Philipp Hadorn
trägt einen roten Pin – aber dieser hat die Form eines Fischs. Das sei
für ihn «ein Bekenntnis, dass ich jemand bin, für den Jesus wichtig
ist», betont Hadorn gegenüber 20 Minuten Online. Der neue Solothurner
Nationalrat ist als bekennender Frommer ein Exot in seiner Fraktion. Als
einziger SP-Vertreter weit und breit spielt er mit dem Gedanken,
Abtreibungen wieder zu verbieten. Und er möchte die Schöpfungsgeschichte
in den Lehrplänen verankern: «Ich würde mir wünschen, dass in der
Schulbildung nicht nur der Darwinismus Platz findet, sondern auch die
biblische Erklärung für die Entstehung der Welt und der Arten.»
Der Fisch als christliches Symbol
Der Fisch ist ein altes christliches Symbol. Die Buchstaben, die das
griechische Wort für Fisch – Ichthys – bilden, lassen sich auch als
Anfangsbuchstaben eines Glaubensbekenntnisses lesen: «Jesus Christus,
Gottes Sohn und Erlöser». Möglicherweise haben die verfolgten Christen
den Fisch als Erkennungszeichen benutzt: Ein Gläubiger zeichnete einen
Bogen in den Sand – wenn der Gesprächspartner einen zweiten Bogen
ergänzte und dadurch ein Fisch entstand, wussten sich beide einem
Glaubensbruder gegenüber. Seit den 1970er-Jahren hat der Fisch als
christliches Symbol ein Revival erlebt: Viele fromme Christen klebten
ihn etwa auf ihr Auto. In letzter Zeit geriet der Fisch wieder etwas aus
der Mode, weil der Volksmund von der «Fischli-Sekte» zu reden begann.
Wer wie Philipp Hadorn als Methodist ein Fischli zur Schau trägt,
bekenne sich klar dazu, dem Evangelikalismus nahe zu stehen, erklärt
Georg Otto Schmid von der evangelischen Informationsstelle Relinfo.
Hadorn stellt sich damit auf die Seite der Kreationisten. Diese
bekämpfen vor allem in den USA eifrig die darwinistische
Evolutionstheorie. Denn Darwins Erkenntnis, dass die Menschen das
Produkt einer langen Fortentwicklung der Arten sind, steht im
fundamentalen Widerspruch zu einer wörtlichen Auslegung der Bibel. Dort
steht, Gott habe den Menschen als sein eigenes Abbild geschaffen.
Für
ihn sei klar, dass Gott der Schöpfer allen Lebens auf dieser Welt sei,
sagt Hadorn. Wie er das genau gemacht habe, in welcher Form und in
welchem Zeitablauf, spiele für seinen Glauben, seine Politik und sein
Leben zwar keine zentrale Rolle. «Ich finde es aber schade, dass
wissenschaftliche Kreise die Idee des Intelligent Design als Gift
betrachten.» Intelligent Design ist eine Spielart des Kreationismus: Ein
intelligenter Urheber – also Gott – habe Tiere und Pflanzen geformt,
nicht die natürliche Selektion.
Kopfschütteln bei der SP
Dass
ein Genosse solches evangelikales Gedankengut gerne in den Lehrplänen
integriert sähe, löst bei anderen Sozialdemokraten Kopfschütteln aus.
Zumal die Partei in ihrem Programm schreibt, sie setze «Irrationalismus
und religiösem Fundamentalismus das Modell einer pluralistischen
Gesellschaft im laizistischen Staat entgegen (…)». «Es ist völlig
abwegig, dem Kreationismus einen Platz in unseren öffentlichen Schulen
einzuräumen», sagt der Schaffhauser Nationalrat
Hans-Jürg Fehr. Wer daran glauben wolle, solle das im Privaten machen.
Noch
deutlicher äussert sich der Präsident der Jungsozialisten (Juso), David
Roth. «Wenn Hadorn will, dass der Kreationismus an den Schulen gelehrt
wird, dann sind wir nicht nur irritiert – dann haben wir Krach.» Der
Staat betreibe schliesslich weder Kloster- noch Koranschulen. Die Schule
diene der Vorbereitung der Kinder auf das Leben, das solle auf einer
wissenschaftlichen Basis geschehen, erklärt Roth. Wissenschaft habe
immer Empirie zur Grundlage und basiere auf nachvollzieh- und
nachprüfbaren Aussagen. «Beides ist beim Kreationismus nicht gegeben.»
Auch gegen die Homo-Adoption
In
gesellschaftspolitischen Fragen tickt Hadorn nicht nur in Bezug auf die
Abtreibung wertkonservativ. Das zeigt ein Blick auf sein
Smartvote-Profil. Er sagt «eher Nein» zur Drogenlegalisierung, zur
Sterbehilfe und zur Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare. Er
werde bei Bedarf auch mal anders stimmen als die Mehrheit der Fraktion,
so der dreifache Familienvater.
Die ethische Richtschnur sei für
ihn die Bibel. Gegen Abtreibungen wehrt er sich auf der Grundlage der
Schrift, weil die Gesellschaft ihre schwächsten Glieder schützen müsse –
also die ungeborenen Kinder. Eine Welt ohne Drogen wäre für Hadorn eine
bessere Welt. Und dass Homosexuelle Kinder adoptieren können sollen,
entspricht für ihn nicht dem «natürlichen Zustand der Familie».
Hadorn
bemüht sich jedoch um eine differenzierte Haltung. Wir lebten nun mal
in einer Welt, in der nicht alles so sei, wie es wünschenswert wäre.
Auch als gläubiger Christ könne man nicht alles schwarz oder weiss
sehen. «Ich will nicht in eine fundamentalistische Ecke gedrängt
werden.» Respekt und Anerkennung gegenüber Gleich- und Andersdenkenden
sei ebenfalls eine zutiefst christliche Tugend.
Mehr ein Problem für Hadorn als für die Partei
Mit
seinen «exotischen» gesellschaftspolitischen Haltungen isoliert sich
Hadorn jedoch in seiner Fraktion. Das sei weniger ein Problem für die
Partei als für Hadorn selbst, sagt Hans-Jürg Fehr. «Er muss damit
zurechtkommen, ganz am Rand der Fraktion zu stehen.» Falls Hadorn
beginnen würde, bei den Genossen zu missionieren, würde er auf
massivsten Widerstand stossen, ist sich Fehr sicher. Auch die
Solothurner Nationalrätin
Bea Heim macht klar: «Ein Abtreibungsverbot ist für uns sicher kein Thema.»
Harschere
Töne kommen wiederum von Juso-Chef Roth. Er wirft Hadorn eine «extrem
reaktionäre Haltung» vor. «Es ist nicht akzeptabel, wenn ein Nationalrat
in der Abtreibungs-Frage von der Parteilinie, die seit Jahrzehnten ganz
klar ist, abweicht.» Roth fordert, dass die SP nicht zur
«Mandatelieferantin für Evangelikale und Vertreter anderer radikaler
Glaubensrichtungen» werden dürfe. Er lehne es auch ab, dass ein
Sozialdemokrat religiöse Symbole wie das Fischli (siehe Box)
verwendeten. «Das hat in der Politik nichts verloren.»
Doch für
Hadorn beruht seine politische Karriere auf dem Glauben. Sein Einzug in
den Nationalrat sei Gottes Wille, sagt das Mitglied der
Evangelisch-Methodistischen Kirche Gerlafingen, einer gemässigten
evangelikalen Freikirche. «Ich wusste eine ganze Schar von Betern hinter
mir», erklärte er nach der Wahl
auf der Website jesus.ch.
Diese spirituelle Unterstützung war in seinen Augen ausschlaggebend,
dass er seine härtesten parteiinternen Konkurrenten hauchdünn – mit 22
respektive 28 Stimmen Vorsprung – schlug.
«Ich bin in der richtigen Partei»
Angesichts
seines frommen Weltbildes stellt sich die Frage, warum Philipp Hadorn
überhaupt bei der SP gelandet ist. Das wollten auch Leute aus dem
religiösen Lager immer wieder von ihm wissen, erklärt Hadorn. Doch für
ihn sei es eben genau die SP, die seinem sozialen Gedankengut am besten
entspreche.
«Jesus hat uns vorgelebt, jenen Menschen zu helfen, die
nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.» Was die Fürsorge für die
Mitmenschen anbelangt, sei er deshalb in der völlig richtigen Partei.
«Sozialpolitische
Fragen sind doch für die Politik viel entscheidender als etwa die
Frage, wer mit wem ins Bett geht», findet Hadorn. Auch in der Bibel gehe
es viel häufiger um das Verhältnis zwischen Arm und Reich als um
Sexualmoral, betont der Sekretär der ÖV-Gewerkschaft SEV. Und verteilt
noch einen Seitenhieb an jene Glaubensbrüder, die bei der SVP oder der
EDU gelandet sind: «Ich finde es vielmehr irritierend, wenn bekennende
Christen bei Parteien sind, die eine Politik fürs Grosskapital machen
statt für die ‹kleinen Leuteۛ›».
Kommentar: Ich gehe davon aus, dass die Partei ihren frommen Nationalrat gewähren lässt (solange er nicht missioniert). Doch könnte Philipp Hadorn für die SP langfristig zum Problem werden.