Im
kollektiven Gedächtnis der Schweizer hat sich Peer Steinbrück schon vor
Jahren eingegraben: Im Frühling 2009 sagte der damalige Finanzminister,
es brauche im Kampf gegen das Schweizer Bankgeheimnis nicht nur das
sprichwörtliche Zuckerbrot, sondern auch die Peitsche. Und der SPD-Mann
verglich das Land mit Indianern, gegen die man bald die Kavallerie
ausreiten lasse. Die harsche Metaphorik haben ihm viele Schweizer bis
heute nicht verziehen.
Mittlerweile ist der 65-jährige
Norddeutsche nicht mehr Finanzminister, sondern Mitglied des Bundestags
und seit 1. Oktober 2012 offizieller Kanzlerkandidat der SPD. Spätestens
seit diesem Datum kämpft er nicht mehr gegen das Schweizer
Bankgeheimnis, sondern gegen die Vorwürfe von Medien und Öffentlichkeit,
er habe seine Nebenverdienste als Parlamentarier nicht
vorschriftsgemäss deklariert und damit gegen das geltende Recht
verstossen.
Zur «Weiterbildung» bei Ringier
Jetzt zeigt
sich: Der Kanzlerkandidat hat vermutlich auch in der Schweiz einen
Nebenverdienst erzielt, den er nicht offengelegt hat. Vor zwei Jahren
hielt er beim Medienkonzern Ringier in Zürich nämlich eine Rede. «Peer
Steinbrück war am 9. Dezember 2010 Referent in der
Ringier-Denkwerkstatt, einer internen Weiterbildungs-Veranstaltung»,
bestätigte Ringier-Sprecher Edi Estermann am Freitag. Und: «Er hat dafür
das in solchen Fällen übliche Honorar von 1500 Euro erhalten.»
Das
deutsche Abgeordnetengesetz und die Geschäftsordnung des deutschen
Bundestags schreiben vor, dass alle Parlamentarier Nebeneinkünfte von
mehr als 1000 Euro im Monat offenlegen müssen. Peer Steinbrück hat die
Zahlung von Ringier allerdings nie deklariert: Sie fehlt sowohl auf der
entsprechenden Website des Deutschen Bundestags als auch im Bericht, den
der Kanzlerkandidat selbst wegen der Vorwürfe bei einem privaten
Wirtschaftsprüfungsunternehmen in Auftrag gegeben hatte und den er vor
zwei Wochen präsentierte.
Das Ergebnis des Berichts: Steinbrück
habe als Bundestagsabgeordneter zwischen Herbst 2009 und Sommer 2012 für
89 Vorträge Geld erhalten, alles in allem rund 1,3 Millionen Euro. 87
Reden seien rechtmässig offengelegt worden, 2 nicht. Es handelt sich um
zwei Referate im Oktober 2011. Steinbrück sagte damals dazu: «Ich habe
es einfach verschwitzt.» Unmittelbar davor hatte er verlauten lassen,
dass er alle seine Nebenverdienste «auf Euro und Cent» offenlege.
Gegen
den Vorwurf, er habe einen dritten Nebenverdienst nicht
vorschriftsgemäss offengelegt, nämlich den für seinen Vortrag bei
Ringier, wehrt sich der Kanzlerkandidat mit Entschiedenheit. «Peer
Steinbrück erhielt für die Veranstaltung bei Ringier kein Geld», sagte
sein Sprecher Michael Donnermeyer am Freitag. «Deshalb musste er den
Anlass auch nicht deklarieren.» Und: «Ringier hat für Steinbrücks Rede
Geld gespendet.» Wie hoch diese Spende war und an wen sie bezahlt wurde,
sagte Donnermeyer aber nicht. «Diese Zahlungen wurden immer vom
Veranstalter gemacht.»
Fest steht: Die Beziehung zwischen dem
Schweizer Medienkonzern Ringier und dem deutschen Kanzlerkandidaten Peer
Steinbrück ist bemerkenswert. So war es das deutsche Magazin «Cicero»,
das Ringier gehört, das exklusiv und schon am 21. September 2012
Steinbrücks Kanzlerkandidatur meldete. Die Nachricht wurde in nationalen
und internationalen Medien x-fach zitiert – bis zehn Tage später die
offizielle Bestätigung von Steinbrücks Kandidatur durch die SPD folgte.
In der gleichen Ausgabe wie die Exklusiv-Meldung veröffentlichte
«Cicero» auch einen Kommentar, in dem das Magazin Steinbrück als
«folgerichtigen Kanzlerkandidaten» rühmte. In der Legende zu seinem Foto
hiess es: «Wer, wenn nicht er – der Peer!»
Die Rolle von Frank A. Meyer
Eine
enge Beziehung zu Peer Steinbrück hat namentlich «Ringier»-Publizist
Frank A. Meyer. Auch er ist des Lobes voll über den Kanzlerkandidaten.
«Peer Steinbrück ist eine der brillantesten politischen Persönlichkeiten
Deutschlands», sagte er am 8. Oktober 2010 in der Ringier-Zeitschrift
«Schweizer Illustrierte» und erzählte, dass dieser «auch bei mir zu
Hause schon Gast» gewesen sei. Meyer wohnt in Berlin und hatte
Steinbrück in der Vergangenheit mehrmals interviewt.
Womöglich war
es auch Meyer, der Steinbrück am 9. Dezember 2010 als Redner in die
«Ringier»-Zentrale nach Zürich holte. Am Abend des gleichen Tages
jedenfalls moderierte Meyer ein Gespräch mit dem damaligen
Bundestagsabgeordneten im Zürcher Volkshaus. Anlass war die Präsentation
von Steinbrücks Buch «Unterm Strich»; die Veranstaltung war selbst in
der «Tagesschau» des Schweizer Fernsehens ein Thema. Für diesen Anlass
erhielt Steinbrück allerdings «nachweislich» kein Geld, wie ein
Organisator des Anlasses heute sagt.
Kommentar: Wenn nachgewiesen werden kann, dass Steinbrück gelogen hat, dann hätte dies gravierende Folgen. Als Kanzlerkandidat wäre dies keine Bagatelle mehr. In Krisen gilt bekanntlich das Prinzip: "Alles was Du sagst muss wahr sein. Aber nicht alles was wahr ist, musst Du sagen!" Besser als Falschaussagen wäre in diesem Fall das Schweigen gewesen. Diese Taktik hatte Kohl angewendet mit den zahlreichen Spenden, die seine Partei hätte offen legen müssen. Bei ihm hatte sich das konsequente Schweigen gelohnt. Möglicherweise wäre Steinbrück auch besser gefahren, wenn er seine Nebenverdienste nicht offen gelegt hätte, obschon man ihm bei dieser Taktik hätte vorwerfen können, er habe wahrscheinlich etwas zu verstecken. Vor der Veröffentlichung der Honorare vertrat Steinbrück noch die Meinung, er gebe die Zahlen erst bekannt, wenn alle anderen die Nebenverdienste ebenfalls offen legen. Nachher hielt er sich jedoch nicht mehr an diese Bedingung. Solches Eiertanzverhalten stört immer!