Clever gemacht - so kommt der Bundesrat zur gewünschtenr zweiten Abstimmung
«Clever gemacht, Bundesrat»
Die Presse ist sich einig: Ein Befreiungsschlag sind die Vorschläge zur Umsetzung der SVP-Initiative nicht und eine neue Abstimmung ist wahrscheinlich. Trotzdem erhält der Bundesrat viel Lob.
Ich zitiere Tagi-online:
«Durchdacht und sinnvoll strukturiert»: Die Schweizer Presse urteilt Milde über die Arbeit des Bundesrates.
Im Gegensatz zu den meisten Parteien, welche am bundesrätlichen Vorschlag zur Umsetzung der SVP-Zuwanderungsinitiative kaum ein gutes Haar liessen, hat der Bundesrat aus Sicht vieler Zeitungskommentatoren in einer schwierigen Situation richtig gehandelt. «Clever gemacht, Bundesrat», lobt der Kommentator in der «Nordwestschweiz» den Regierungsvorschlag.
Da aber «wohl nichts herauszuholen» sei, müsse wahrscheinlich das Volk nochmals befragt werden, welchen Weg es denn nun beschreiten wolle.
Der «Tages-Anzeiger»-Kommentator Daniel Foppa bezweifelt auch, dass ein Ergebnis zu erreichen ist, das mit den bilateralen Verträgen in Einklang steht. «Damit wird eine neue Volksabstimmung wohl unumgänglich.»
Eine Abstimmung erwartet auch der «Blick»-Kommentator, der das Vorgehen der Regierung für richtig hält: «Seien wir ehrlich: Kontingente wird die EU kaum akzeptieren. Darum braucht es den direktdemokratischen Notfallschirm. Das Volk wird sich letztlich zwischen Bilateralen und Zuwanderungsbeschränkung entscheiden müssen.»
«Die Chancen steigen, dass das Volk nochmals abstimmen muss», konstatiert auch die «Neue Zürcher Zeitung». Ihr Kommentator geht jedoch mit dem Bundesrat hart ins Gericht: Ein Jahr nach der Abstimmung habe er nichts vorgelegt, das er nicht schon «vor Monaten» hätte präsentieren können. Indem er alles abhängig mache von Gesprächen mit der EU, betreibe er zudem «Schattenboxen».
«Der Bundesrat ist gestern keinen Schritt weitergekommen», schreibt der Kommentator der «Neuen Luzerner Zeitung». Aus seiner Sicht fährt der Bundesrat eine «weiche Linie», indem er Brüssel signalisiert, dass er die Masseneinwanderungsinitiative nur dann umsetze, «falls die EU der Schweiz Sonderregeln gestattet».
Für den Kommentator der Zeitung «Bund» geht der Bundesrat politisch richtig vor, indem er einen Schritt nach dem andern tut. «Bevor an eine neue Abstimmung zu denken ist, muss der Bundesrat in Brüssel versuchen, wenigstens kleine Hebel zur Steuerung der Zuwanderung herauszuholen, vielleicht sogar eine Art Schutzklausel.» Der 9. Februar lasse sich nicht «wegzaubern», man müsse ihn «abarbeiten».
Möglicherweise könne Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga in Brüssel etwas herausholen, schreibt der Kommentator des «St. Galler Tagblatt». «Nur - innerhalb der verlangten Umsetzungsfrist von drei Jahren bleibt dies eine Illusion.» Deshalb komme es wohl zu einer neuen Abstimmung.
Der «durchdachte und sinnvoll strukturierte» Vorschlag drohe «zu Makulatur» zu werden, da die EU kaum zu Abstrichen an der Personenfreizügigkeit bereit sein dürfte, meint der Kommentator der «Berner Zeitung» und des «Landboten». Deshalb deute viel auf einen «Showdown» hin: «Bilaterale Verträge oder Kontingente».
KOMMENTAR: Die Rechnung des Bundesrates scheint aufzugehen. Unberechenbar ist lediglich die Reaktion der SVP und jener der Bevölkerung. Mit Reaktionen (evt. heftigen) ist zu rechnen.
Falls es zu einer Trotzreaktion kommt, wird die Rechnung nicht so einfach aufgehen, wie es sich die cleveren Strategen im Bundesrat ausgeheckt haben.
Ob er absichtlich ein zu enges Korsett gewählt hat? (Um eine Abstimmung zu provozieren?)
Bei der gewählten Ausgangslage besteht jedenfalls eine reale Chance, dass die Bevölkerung die Bilateralen nicht opfern will. So gesehen hätte sich der Schachzug des Bundesrates gelohnt.