Samstag, 26. April 2008

IOC Chef als Leisetreter

Nachdem IOC Chef Rogge zum Verzicht auf Demonstrationen aufrief, musste er den Vorwurf des Leisetretens gefallen lassen.

aus spiegel-online:

Olympia-Chef fordert Ende der öffentlichen Debatte

Jacques Rogge wünscht sich, dass endlich Ruhe einkehrt.

< "Man erreicht in China mit einer lauten Stimme überhaupt nichts", sagte der Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) der "Financial Times". Die lautstarke Kritik sei ein großer Fehler, den Menschen im Westen machten, wenn sie ihre Meinung zum Ausdruck bringen wollten. "Alle China-Experten werden Ihnen sagen, dass nur eine Sache funktioniert: eine respektvolle und leise, aber standfeste Diskussion."

Rogge forderte mehr Geduld mit der Regierung in Peking. "Wir haben 200 Jahre gebraucht, um uns aus der Französischen Revolution zu entwickeln. China hat 1949 angefangen." Er sei überzeugt, dass die Olympischen Spiele einen "guten Einfluss auf die soziale Entwicklung in China haben werden". Rogge betonte, seine Beziehungen zur Regierung in Peking seien exzellent, auch wenn "sie ihre Prioritäten hat und wir unsere". Manchmal würden sich diese widersprechen.

Demonstrationen in Japan

Beim olympischen Fackellauf in der japanischen Stadt Nagano ist es am gestrigen Samstag zu einem Zwischenfall gekommen. Ein Demonstrant stellte sich der Fackel in den Weg und versuchte, sie zu ergreifen. Der Mann wurde festgenommen, der Lauf wurde nach kurzer Unterbrechung fortgesetzt. Rund 3000 Polizisten waren im Einsatz, um die Zeremonie zu sichern.

In der Nähe der Strecke schwenkten Demonstranten tibetische Fahnen und forderten in Sprechchören ein "freies Tibet". Gleichzeitig waren rund 2000 chinesische Austauschstudenten auf den Straßen und bekundeten ihre Unterstützung für die Regierung in Peking.

INTERAKTIVE GRAFIK

Bislang gab es an nahezu jeder Station des Fackellaufs Demonstrationen gegen das chinesische Vorgehen in Tibet. Auch in Japan haben Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Reporter ohne Grenzen zu Aktionen aufgerufen. Im Anschluss an die Zeremonie in Nagano wird die olympische Fackel am morgigen Sonntag nach Seoul und am kommenden Montag in die nordkoreanische Hauptstadt Pjöngjang gebracht.

Am 2. Mai trifft die olympische Fackel in Hongkong ein und setzt ihren Weg dann in China fort - bis zur Eröffnung der Spiele am 8. August in Peking

Basiert Chinas jüngster Angriff aufgrund Rogges Unterstützung?

bild-online:

Angriff aus China

„Dalai-Lama-Clique“ Schuld an der Misere

Sie wollten mit ihm verhandeln, doch jetzt greift China ihn erneut an: Die Staatsmedien geben dem Dalai Lama Schuld an der Tibet-Krise.

China reagiert nun doch und will mit Dalai Lama reden

Wie reagiert die Weltpresse auf diese unerwartete Wende?

Medienpiegel aus n-tv.de:

Freitag, 25. April 2008

Peking offen für Tibet-Fragen

"Gut Wetter machen"

Die chinesische Regierung zeigt sich gesprächsbereit. Schon in den nächsten Tagen will Peking den Dalai Lama zur Unterredung bitten. Das geistliche und weltliche Oberhaupt der Tibeter hat das Angebot angenommen. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, derzeit zu Gast in Peking, bezeichnet die Ankündigung Chinas als bedeutenden Schritt.

"Erleichterung macht sich breit", bemerkt die Neue Ruhr/Neue Rhein-Zeitung in Essen. Denn Peking scheint dem weltweiten Druck nachzugeben und auf die Tibeter zuzugehen. "Dass das überraschende Gesprächsangebot in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Besuch einer hochrangigen EU-Delegation in Peking steht, kommt sicher nicht von ungefähr. Beide Seiten sind an guten Beziehungen und guten Geschäften interessiert." Dennoch lehre die Vergangenheit die Europäer, misstrauisch und vorsichtig zu bleiben: "Seit 2002 gab es bereits sechs sogenannte Dialogrunden mit Gesandten des Dalai Lama - ohne Ergebnis." Peking beabsichtige wohl vor allem eines: "gut Wetter machen, die Kritiker besänftigen und Zeit gewinnen."

Aus Sicht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung werden sich nun all jene bestätigt fühlen, "die immer wieder versichert haben, China sei doch empfänglich für Druck. Aufrufe zum Olympiaboykott dürften jetzt schnell in sich zusammenfallen", bemerkt das Blatt nicht ohne Zynismus. Auch ausländische Geschäftsleute könnten wieder ungestört ihrer Arbeit nachgehen. "Die chinesische Regierung wiederum darf sich auf schöne olympische Bilder freuen." Doch Olympia währt nicht ewig: "Erst dann wird sich zeigen, ob auch die Tibeter etwas von der neuen Beweglichkeit Chinas haben." Bis dahin sollte dem Regime in Peking "bis zum Beweis des Gegenteils misstraut werden."

Auch die Abendzeitung aus München mahnt zur Vorsicht, wenn auch aus anderen Gründen: "Die Fackel kommt bald in China an - dann wird das Regime dafür sorgen, dass keine Demonstranten in Fernsehbildern auftauchen. Mit dem Gesprächsangebot spielt China klar auf Zeit." Gerade erst sei noch von einer "heftigen Blut-und-Feuer-Schlacht mit der Clique des Dalai Lama" die Rede gewesen. Chinas Dialog-Zusage sei nicht zu trauen, so das Blatt und plädiert "auch ohne Fackel" für eine "neue olympische Bewegung des Protests".

"Dass plötzlich rund um die Welt nur noch von der hässlichen Seite des atemberaubenden chinesischen Aufstiegs vom Dritte-Welt-Bedürftigen zum kraftstrotzenden Global Player die Rede ist, dass gar über Boykott der Spiele nachgedacht wird, war nun wirklich nicht das Ziel der Olympia-Bewerbung", erläutert das Mindener Tageblatt den "Strategieschwenk". Der Dalai Lama werde das Gesprächsangebot "selbstverständlich annehmen" wie bereits in früheren Runden, "die allerdings stets ergebnislos endeten." Man könne sich dem Verdacht nicht erwehren, Peking versuche bloß, "Ruhe im Karton zu haben. Dieses Spielchen sollten weder die Tibeter noch die westliche Öffentlichkeit mitmachen, sondern auf belegbarer Ernsthaftigkeit des Gesprächsangebots bestehen - höflich, diplomatisch, aber bestimmt."

Auch die Kölnische Rundschau will das Gesprächsangebot nicht überbewerten, verweist auf die vergangenen erfolglosen sechs Gesprächsrunden seit 2002 und auf ein wichtiges Detail: "Der Dalai Lama selbst war gestern noch nicht über das Angebot unterrichtet, was tief blicken lässt: Wer erst die Öffentlichkeit informiert und dann erst die Eingeladenen, der will nur einen Propagandaerfolg", so das Blatt. "Während Peking gestern die neue Einladung veröffentlichte, dürfte die perverse 'Umerziehungskampagne' in Tibet weitergegangen sein. Viel wert ist das Gesprächsangebot also nicht."

Der Westfälische Anzeiger aus Hamm mutmaßt über die Gesprächsthemen: "Es kann nur um eine Absicherung von Minderheiten-Rechten und kulturellen Werten für die Tibeter innerhalb Chinas gehen." Schwer zu sagen sei allerdings, "ob die Regierung in Peking, die bisher auf Assimilierung in der Region gesetzt hat, an einer wirklichen Autonomie ein ernsthaftes Interesse hat." Es sehe daher eher so aus, als wolle Peking "vor allem Druck aus dem Kessel der globalen öffentlichen Meinung nehmen." Man müsse außerdem bereits kritisch anzweifeln, "ob das Oberhaupt der Tibeter überhaupt noch der richtige Ansprechpartner ist. Was verbindet ihn noch mit den empörten Massen in Lhasa und anderswo?"

"China will die Olympischen Spiele retten", erklärt die Rhein-Neckar-Zeitung aus Heidelberg, doch mit einer veränderten Tibet-Politik habe das nicht zu tun. Vielmehr sei Peking an einer "lautlosen und dauerhaften Lösung" des Tibet-Problems gelegen und instrumentalisiere den Dalai Lama. Tibet erhalte im günstigsten Fall "mehr kulturelle Autonomie für den Verzicht auf Unabhängigkeit. Ob der Dalai Lama, der nach außen eine ähnliche Position vertritt, ein solches Mandat hat und durchsetzen könnte", hält jedoch auch das Heidelberger Blatt für fraglich.

Der Kölner Stadt-Anzeiger beurteilt das Entgegenkommen optimistisch, "selbst wenn dahinter zunächst nur die Absicht stehen sollte, vor den Olympischen Spielen den weiteren Ansehensverlust zu stoppen." Die Demonstrationen in aller Welt hätten so mehr erreicht, "als sich vermutlich die aufständischen Tibeter jemals erhofft hatten. Jetzt wird sich erweisen, über welchen Einfluss der Dalai Lama in seinem Land noch verfügt."

"Tibet ist für China eine Frage der nationalen Stabilität", schreibt die Badische Zeitung und sieht wenig Übereinstimmung: "Allein schon eine kulturelle Autonomie, wie sie der Dalai Lama fordert, könnte andere Minderheiten auf den Plan rufen. Ein Wegbrechen Tibets, so die Angst in Peking, wäre der Anfang vom Ende des Vielvölkerstaats. Pekings Führer könnten allerdings erkannt haben, dass sie mit ihrer bisherigen Minderheitenpolitik auf eine Katastrophe zusteuern." Das Gebot der Gewaltlosigkeit sei in der jüngeren Generation der Tibeter nicht mehr garantiert. "Einen besseren Verhandlungspartner als den Dalai Lama wird Peking nie bekommen."

Die Frankfurter Rundschau argumentiert ähnlich und sieht den Dalai Lama "als weltlichen Politiker unter dem zunehmenden Druck einer Exilbewegung, die Unabhängigkeit will. Er ist der einzige Partner, den Peking für einen Kompromiss gewinnen und der ihn als spirituelle Autorität vor praktisch allen Tibetern vertreten könnte. Doch ihm läuft die Zeit davon. Ist Chinas Machtelite bereit und in der Lage, im Schein der olympischen Fackel über den eigenen politischen Schatten zu springen? Dann haben Gespräche Sinn. Will sie aber Tibet nach ihrem Bilde modernisieren? Dann wird sie weiteren Widerstand ernten."

Die Berliner Morgenpost sieht es hundert Tage vor Beginn der Olympischen Spiele fast für "zu spät für eine wirkliche Wende in der Atmosphäre. Wohlgesinnte ausländische Beobachter und viele nachdenkliche Chinesen schlagen gedanklich drei Kreuze in der Hoffnung, dass die Spiele wenigstens ungestört verlaufen. Das ist bitter für eine Nation, die so stolz war, als sie die Spiele zugesprochen bekam." Das geplante Gespräch biete vielleicht eine letzte Chance.

Kommentar: Ich hatte gestern Gelegenheit mit einem Delegierten zu reden, der von einer Chinareise zurückkehrte. Nach seinem Dafürhalten ist China auf einen guten Ruf bedacht. Die Chinesen wollen nicht das Gesicht verlieren und der Welt unbedingt eine schöne Feier demonstrieren. Nachdem die Demonstrationen nicht so einfach unter den Teppich gekehrt werden konnten, musste nun Peking über den Schatten springen und alles versuchen, die Situation zu entkrampfen. Trotz grösstem Polizeiaufgebot kam es immer wieder zu Demonstrationen und Bildern, die von der freien Presse gezeigt werden durften und der Medienzensur der Chinesen entzogen werden konnten.

China wird gewiss - trotz der angekündigten Gesprächsbereitschaft - nicht von der internen Medienzensur abrücken. Internet, Radio und Fernsehen, Zeitungen aber auch Handys werden weiterhin überwacht und kontrolliert bleiben. Selbst google wird es nicht fertig bringen, dass die Bürger freien Zugang zu Webseiten haben können, zu Informationen, die Peking nicht genehm sind. Das ist für mich das Erstaunlichste: Dass es 2008 immer noch möglich ist, Millionen von Menschen den Informationsfreiheit zu filtern.