Vorzeitiger Schulabbruch hat Folgen
Nachdem sich gezeigt hat, dass immer mehr Schülerinnen und Schüler die Schule vorzeitig abbrechen, tröstete ein Journalist in einem Beitrag die Schulflüchtigen. Er betonte, auch Aussenminister Fischer habe die Schule vorzeitig abgebrochen und sei doch noch etwas geworden. Dieser Hinweis scheint mir gefährlich. Denn diese Ausnahme könnte Jugendliche davon abhalten, auf die Zähne zu beissen und die Schulzeit ordentlich abzuschliessen.
Es ist mir bewusst, dass beim Phänomen "mangelndes Durchstehvermögen" der schwarze Peter nicht einfach den Eltern oder den Lehrkräften zugeschoben werden kann. Aus meiner Sicht müssten dies Jugendliche generell (zu Hause und in der Schule) lernen. Leider wurde zu lange der Beliebigkeit das Wort geredet und schon bei Kleinkindern wird Abwechslung, Unstetigkeit und Freiwilligkeit gross geschrieben. Ich kenne Kinder, die schon im Vorschulalter nie gelernt haben, an einer Tätigkeit länger zu verweilen und eine Arbeit zu Ende zu führen. Sei es beim Spiel, beim Zeichnen, beim Musizieren oder beim Lesen. Wer Kindern nicht lehrt, wie man dank Konzentrationsfähigkeit eine Tätigkeit zu Ende führen kann, muss sich nicht wundern, wenn das "Zappverhalten" zur Gewohnheit wird.
In der Lehrerweiterbildung habe ich Pädagogen kennen gelernt, die das rhythmisierende Lernen so verstanden hatten, dass man im Unterricht nie mehr längere Zeit an der gleichen Tätigkeit arbeiten darf. Dieses Missverständnis ist leider stark verbreitet. Mich freut es, wenn ein Kind sich stundenlang in ein Buch vertiefen kann oder an einer Zeichnung verweilt. Im Zappzeitalter müsste das verweilende, vertiefende Lernen einen neuen Stellenwert bekommen. Wer nicht gelernt hat, sich bei einer Tätigkeit voll auf das TUN zu konzentrieren, wird sich sicherlich rascher aus der obligatorischen Schulverpflichtung weg stehlen.
Wenn Schüler begründet aus der Schule ausgeschlossen werden müssen (was im Interesse der lernwilligen Schülern sinnvoll sein kann), so sind diese Kinder meist Opfer von einer orientierungslosen Familie. Sie haben nämlich nie gelernt, an einer Arbeit zu verweilen. Die Volksschule wäre überfordert, wenn sie dermassen verwahrloste Kinder auch noch therapieren müssten.
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19. Juli 2003
... Bei der rhetorischen Kommunikation, stellen wir aber im Alltag eher ein "
Zappverhalten" der Zuhörer fest: Es fällt schwer, zuzuhören, ...
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20. Juni 2005 ... Dabei jedes Mal 100 prozentig präsent zu sein. Medientraining ist ein Muss. Piloten können fliegen - dennoch verbessern sie laufend ihr ...
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Hören: Immer präsent sein- Fragen ganz zu Ende hören, überdenken, nachfragen, Gehörtes klären. Denken, dann reden: Was ist meine Kernaussage? ...
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Dazu aus NZZ-online:
Die Schule abzubrechen, gilt als männliches Phänomen, wie auch unsere Studie belegt: 68 Prozent Knaben stehen 32 Prozent Mädchen gegenüber. Die Gründe sind jedoch unterschiedlich: Während es bei Knaben vorwiegend Schulausschluss ist, erfolgt bei den Mädchen der Abbruch aus Eigeninitiative – häufig zur Unterstützung von Familienmitgliedern oder auch wegen Mobbings. Klare Zusammenhänge registrierten wir in Bezug auf Disziplinprobleme und das Repetieren von Schuljahren. Wer in seiner Schullaufbahn eine Klasse wiederholen musste, hat gegenüber nicht zurückversetzten Schülern ein dreimal höheres Risiko für einen Abbruch. Ähnliches gilt für delinquentes Verhalten.
Trotz den klaren Trends: Typische Schulabbrecher gibt es nicht. Es wäre falsch, sie ausschliesslich als dumm und asozial, als kriminell oder absonderlich zu kennzeichnen. Gemäss Studie sind generell zwei Typen voneinander zu unterscheiden: zum einen die Schulversager, die aufgrund ungenügender Schulleistungen die Schule verlassen oder wegen disziplinarischer Probleme gar von ihr verwiesen werden. Und zum andern diejenigen, welche die Schule freiwillig verlassen. Hier handelt es sich fast zur Hälfte um intelligente, kreative, von der Persönlichkeitsstruktur her jedoch fordernde und häufig sozial isolierte Jugendliche, die sich von der Schule emotional entfernt haben.
Zu erinnern ist daran, dass es Zeiten gab, in denen es nicht unschicklich war, die Schule abzubrechen. Noch Mitte der sechziger Jahre hat in der Schweiz jeder sechste Jugendliche die Schule ohne Schulabschluss verlassen. Wir wissen von vielen, dass sie trotzdem im Leben Karriere machten, denken wir etwa an Rapper Bushido, an Bill Gates, Joschka Fischer oder Herbert Grönemeyer. Aber die Zeiten haben sich gewandelt. In unserer Wissensgesellschaft läuft ohne Zeugnis fast nichts mehr. Deshalb verbergen sich hinter fast allen Schulabbrechern unseres Projekts persönliche Dramen und schwerwiegende soziale Probleme. Dies besonders, da sich darunter viele Jugendliche mit Migrationshintergrund befinden.
Es wäre aber zu einfach, die Effektivität eines Bildungssystems nur unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, wie viele «Dropouts» es produziere. Diese kosten den Staat nämlich viel Geld. Ausgehend von durchschnittlichen Ausgaben der öffentlichen Hand von rund 11 000 Franken pro Schuljahr und Schüler heisst dies für die errechnete Basis von 5000 Schulabbrechern, dass wir Investitionen von über 400 Millionen Franken pro Jahr verpulvern. Denn diese «Dropouts» haben nicht das Bildungsniveau erreicht, das ihnen den Eintritt in die berufliche Ausbildung ermöglicht. Dazu müssen sie erst nachschulischen Qualifizierungsmassnahmen unterzogen werden, welche meist die öffentliche Hand zusätzlich viel kosten. Würde man auch noch die Kosten derjenigen dazuzählen, die sitzenbleiben, dann ergäbe sich ein Betrag, der um ein Vielfaches höher wäre.
Meist Fälle für die Sozialhilfe
Schulabbrecher belasten den Staat meist noch zusätzlich. Sie werden schneller arbeitslos, arbeiten in Niedriglohnbereichen, haben mehr Gesundheitsprobleme, sind häufiger in delinquente Aktivitäten verwickelt und werden auch öfters von staatlichen Unterstützungsprogrammen oder von Sozialhilfe abhängig. Bei ausländischen «Dropouts» ist die Lage besonders prekär, ihre Arbeitslosenrate ist um 75 Prozent höher.
Schulabbruch ist also ein Bildungsproblem mit einschneidenden Konsequenzen. Die Bildungspolitik ist deshalb gefordert, sich mit diesem Phänomen intensiver zu beschäftigen. Dazu gehört auch die Prävention. Angesetzt werden müsste bereits vor dem Schuleintritt, denn die Bildungslaufbahnen unserer «Dropouts» zeigen, dass ein Schulabbruch einen langjährigen, viele Faktoren umfassenden Abkoppelungsprozess darstellt. Der Ursprung liegt meist im Kindergarten oder in den ersten Schuljahren. Investitionen in frühe Bildungsförderung und Betreuung sind daher um ein Vielfaches ertragreicher als Investitionen in spätere Lebensjahre. Anzudenken wäre auch eine Neuregelung der Schulpflicht. Sie sollte anhand des Bildungsziels, nicht nur zeitlich in Form von neun Schuljahren bestimmt werden. Zentral schliesslich scheint uns, dass auch die Schulen das Thema Schulabbruch mit mehr Eigeninitiative debattieren.
Margrit Stamm ist ordentliche Professorin für Erziehungswissenschaften an der Universität Freiburg.