So täuschte das Fernsehen das Publikum
Aus 20 min:
Das Rätsel um den doppelten Prêtre
Als das Schweizer TV-Publikum vorletzten Samstag René Prêtre zum Schweizer des Jahres wählte, weilte dieser in Mosambik. Kein Problem – dachten wohl die meisten, für sowas gibt es ja modernste Technik. Die Sache liegt aber anders. Und: Warum stand ein People-Magazin in Mosambik bereit, als der Herzchirurg von der Nachricht «überrascht» wurde?
Herzchirurg René Prêtre wurde zum Schweizer des Jahres gewählt. Jubel im Saal, doch war Prêtre zum damaligen Zeitpunkt in Mosambik. Dann die Moderatorin: «Wir haben ihm aber die frohe Botschaft überreichen können und wir schalten jetzt nochmal nach Maputo, nach Mosambik, zu ihm», so Sandra Studer. Sekunden später war auf der Grossleinwand im Studio ein freudig überrascht wirkender Prêtre in Arbeitskleidung zu sehen: «Wow, das ist einfach unglaublich, so eine Anerkennung!» Was SF nicht transparent machte, erklärt jetzt der «SonntagsBlick»: Prêtres Statement war Tage zuvor aufgezeichnet worden – für den Fall, dass er gewinnen würde. Sven Sarbach, SF-Redaktionsleiter Events, räumt ein: «Der Satz der Moderatorin wurde in der Hitze des Gefechts nicht ganz korrekt formuliert; sie hätte sagen sollen: 'Für diesen Fall haben wir eine Videobotschaft erhalten.'» Die Botschaft des Arztes aus Mosambik –
– ist also vorproduziert gewesen: «Es sollte auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass das eine echte Live-Verbindung war,» so Sarbach weiter.
Just dieser Eindruck entstand aber, wie die Berichterstattung belegt: Sogar SF selber sprach auf seiner Website von einer «Videoschaltung nach Moçambique», schreibt die «SonntagsZeitung». Und die Täuschung dürfte die Wahl entscheidend beeinflusst haben. Denn René Prêtre, der gemäss Insidern seit Monaten Wahlkampf betrieb, konnte sich schon bei einer vermeintlichen Liveschaltung bedanken, als er zuvor einen Swiss Award gewann: «Der Arzt, über knuddelige afrikanische Kleinkinder gebeugt, musste der Nation an Herz und Nieren gehen», schrieb der «Bund».
War alles schon vor dem Voting entschieden? Fragen über Fragen. Klar ist aber: Vielen Zuschauern kam die Sache spanisch vor. Eine weitere Geschichte verwirrt ebenfalls: Weshalb standen die Journalisten im fernen Afrika bereit, als die Wahl aus 18 Nominierten auf Prêtre fiel? Die «Schweizer Illustrierte» gibt gegenüber der «SonntagsZeitung» zu, dass sie sich die künstlerische Freiheit nahm, also von Zürich aus die romantische Szene beschrieb und ein doppelseitiges Jubelfoto abdruckte, das von einem Teammitglied stammen soll.
Publikumsrat schaltet sich ein
«Wenn der Eindruck entstand, das sei live, finde ich das sehr bedenklich», sagt Manfred Pfiffner, der Präsident des Publikumsrates, zur «SonntagsZeitung». Sein Gremium habe die Swiss Awards nicht auf dem Radar. «Aber ich werde sie an der nächsten Sitzung zur Sprache bringen.»
(kub)Auch im Tagi und in der Sonntagspresse wurde ich so zitiert.
Der erste Journalist zitierte mich aus meinem Blog und riss einen Satz heraus und vermischte meine positive Beurteilung mit der Täuschung. Alle anderen Medien übernahmen diese Formulierung.
Meine Beurteilung über die rhetorische Leistung des neu erkorenen "Schweizer des Jahres" anlässlich der Verdankung des Preises wurde in verschiedenen Zeitungen übernommen. Obschon sich mein Lob nur auf den rhetorischen Auftritt bezogen hatte, stellte ich heute in einigen Reaktionen (Mail und Tf) fest, dass es viele Leser gab, die davon ausgegangen sind, dass ich bei meiner Beurteilung vom fragwürdige Vorgehen des Schweizer Fernsehens Kenntnis gehabt und auch das Falschspiel des Fernsehens akzeptiert habe. Dies war aber nicht der Fall.
Aus dem Medienspiegel:
Beispiel PERSOENLICH.COM:
SF | ||
Trickserei beim "Swiss Award" | ||
Publikumsrat wird sich mit Sendung beschäftigen. | ||
Stand der "Schweizer des Jahres" schon fest, bevor ihn das Volk per Televoting bestimmte? Diese Frage wirft die "SonntagsZeitung" auf. In der Sendung "Swiss Award" verkündete Moderatorin Sandra Studer vor einer Woche den Überraschungssieger, den Zürcher Herzchirurgen René Prêtre, und sagte kurz darauf: "Wir schalten nochmals nach Maputo." Auf dem Bildschirm sahen die Zuschauer dann den Arzt, der jeweils zwei Wochen im Jahr in der Hauptstadt von Mozambique Kinder mit Herzproblemen operiert, in voller Montur der Arzt: "Wow - einfach unglaublich, so eine Anerkennung."
Ganz anders las sich die Szene gemäss der "SonntagsZeitung" in der "Schweizer Illustrierten", die das Patronat über den Anlass hat: "Als der Fisch serviert wird draussen am Strand, rauscht das Meer, die Luft flirrt bei 29 Grad, reicht Barbara, eine Krankenschwester, ihr iPhone über den Tisch und sagt: ‹Hey René, du bist Schweizer des Jahres!" Die "Schweizer Illustrierte" gibt zu, dass sie sich die künstlerische Freiheit nahm und die romantische Szene von Zürich aus beschrieb. Daneben druckte sie ein doppelseitiges Jubelfoto, das von einem Teammitglied stammen soll.
Und das Schweizer Fernsehen räumt ein, die Botschaft des Arztes aus Mozambique, die der Rhetoriktrainer Marcus Knill in seinem Blog als spontan, verständlich auf dem Punkt und "hundertprozentig mediengerecht" lobt, sei vorproduziert gewesen: "Es sollte auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass das eine echte Live-Verbindung war". Just dieser Eindruck sei aber entstanden, schreibt die "SonntagsZeitung" weiter. Sogar SF selber sprach auf seiner Website von einer "Videoschaltung nach Mozambique". Und die Täuschung dürfte die Wahl entscheidend beeinflusst haben. Denn Prêtre, der gemäss Insidern seit Monaten Wahlkampf betrieb, konnte sich schon bei einer vermeintlichen Liveschaltung bedanken, als er zuvor einen Swiss Award gewann: "Der Arzt, über knuddelige afrikanische Kleinkinder gebeugt, musste der Nation an Herz und Nieren gehen", schrieb der "Bund".
Nun wird sich der Publikumsrat mit der Sendung beschäftigen. "Wenn der Eindruck entstand, das sei live, finde ich das sehr bedenklich", sagt Manfred Pfiffner, der Präsident des Publikumsrates, zur "SonntagsZeitung". Sein Gremium habe die Swiss Awards nicht auf dem Radar. "Aber ich werde sie an der nächsten Sitzung zur Sprache bringen."