Eine Volksheldin wird entzaubert:
Weshalb verliert Eveline Widmer-Schlumpf zunehmend an Popularität? Eine Analyse:
Eine Musterschülerin läuft auf
schreibt Tagi-online. Ich zitiere:
Eveline Widmer-Schlumpf musste im Bundesrat in den letzten Wochen mit wichtigen Dossiers wiederholt Niederlagen verbuchen. Eine Analyse über das selbst verschuldete Scheitern der Bündnerin.
Sie könnte heute die «Königin» im Bundesrat sein, aber mit ihrer Art habe sie sich selber ins Abseits manövriert, bekam man stattdessen am Mittwoch in verschiedenen Departementen zu hören. Das war, nachdem die Bundespräsidentin mit ihrem Bericht zur Finanzmarktpolitik im Bundesrat gescheitert war. Einige Stunden später an einer Veranstaltung der Zeitung «Die Zeit» sagte die Bündnerin: Sie kämpfe mit offenem Visier, in Bern ereigne sich jedoch viel «hintenrum», «und es gibt auch Intrigen». Damit habe sie erst einmal zurechtkommen müssen. Ihr verstorbener Vater Leon Schlumpf, der auch Bundesrat war, habe sie nicht davor gewarnt.
Auch die BDP spricht von einer Schwäche ihrer Bundesrätin
Nur war ihre eigene Wahl zur Bundesrätin alles andere als transparent und für sich genommen eben auch eine Intrige gegen den amtierenden Bundesrat Christoph Blocher, monieren ihre Kritiker. Es seien auch nicht die normalen Berner Intrigen, die der Finanzministerin schaden, sondern ihre Soloeinlagen. Widmer-Schlumpf hat offenbar nach knapp 5 Jahren im Bundesrat nicht gemerkt, dass sie auch als Bundesrätin Allianzen schmieden muss, will sie ein Sachgeschäft heil über die Runden bringen. Sie spreche sich zu wenig mit ihren Bundesratskollegen ab, sagen auch ihre BDP-Anhänger. Doch bisher traute sich niemand aus der Partei, die Bundesrätin darauf hinzuweisen.
Spätestens nach dem Debakel mit ihrem Prestigeprojekt, der ökologischen Steuerreform, hätte sie merken müssen, dass sie mit ihrer Überrumpelungstaktik andere vom Dossier betroffene Bundesräte und Bundesrätinnen vor den Kopf stösst. Anfang Oktober stutzte der Bundesrat die bereits weit gediehenen Ökosteuerpläne zu einem Prüfauftrag zurück. Widmer-Schlumpf war damit nach einem einjährigen Sololauf dort, wo sie im Dezember 2011 gestanden hatte – ganz am Anfang.
Das hätte sie vermeiden können, wenn sie ihre Pläne mit den betroffenen Departementen von Doris Leuthard, (Uvek), Alain Berset (EDI) und auch Johann Schneider-Ammann (EVD) vorher abgestimmt hätte.
Den gleichen Stil pflegte sie schon als Justizministerin
Das gleiche Drama wiederholte sich nun nur wenige Wochen später mit ihrem Bericht über die Finanzmarktpolitik. Dass sie die Vorlage nicht wie versprochen im September, sondern erst im kommenden Jahr bringen will, sah man ihr noch halbwegs nach. Zumal sie die neuen Bestimmungen der Financial Action Taskforce on Money Laundering (FATF), welche Steuerhinterziehung als Vortat zur Geldwäscherei sieht, mit ihrer Weissgeldstrategie verknüpfen wollte. Dazu gab ihr der Bundesrat auch grünes Licht. Wie Recherchen von Tagesanzeiger.ch/Newsnet zeigen, besprach sie dann aber vor der Bundesratssitzung ihre Pläne mit keinem anderen Departement. Berset, Sommaruga, Maurer und Schneider-Ammann zersausten prompt ihren Bericht.
Diesen Stil pflegt sie nicht erst, seit sie im Finanzdepartement das Sagen hat. Unmittelbar nach Amtsantritt packte sie als Vorsteherin des Justiz- und Polizeidepartementes (EJPD) die Revision der Pflegekinderverordnung an. Bloss begnügte sie sich nicht nur mit dem Ordnen des Pflegekinderwesens. Sie wollte gleichzeitig auch das Kinderhüten regeln. Tanten und Verwandte, die regelmässig ein Kind betreuen, sollten künftig dafür eine Bewilligung einholen und Kurse besuchen. Selbst die Grosseltern hätten das Hüten der Enkel amtlich melden müssen. Es ging ein Sturm der Entrüstung durchs Land. Widmer-Schlumpf musste 2009 zurückkrebsen.
Als Justizministerin noch unter Welpenschutz
Auch die anderen Bundesräte wurden von der Vorlage auf dem linken Fuss erwischt, hatte die damalige Justizministerin ihre Pläne doch mit niemandem vorher besprochen. Damals sah man ihr aber den Fauxpas nach, weil sie noch nicht lange im Amt war und als frühere Regierungsrätin des Kantons Graubünden mit der speziellen Mechanik der Berner Politmaschine nicht sehr vertraut war. So viel Nachsicht mit ihr haben die anderen Bundesräte inzwischen nicht mehr, dafür hat sich die Bundespräsidentin seit ihrer Wahl 2007 zu viele Sympathien in der Landesregierung verscherzt.
Bei ihrer Weissgeldstrategie kam noch eine weitere Komponente hinzu: In den letzten Wochen und Monaten hat sie laut Insidern den Linken, Rechten und den Banken versprochen, die Vorlage komme ganz nach dem jeweiligen Gusto daher. Die von diversen Sonntagszeitungen verbreiteten Darstellungen zur Weissgeldstrategie fussten auch auf entsprechenden Versprechungen. Als die Bundesräte am Montag, den 29. Oktober, die Vorlage erstmals auf dem Tisch hatten, rieben sich diese die Augen, weil die Vorlage nicht dem entsprach, was man erwartet hatte.
Ein BDP-Politiker formulierte es einmal so: Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf betreibe einen Riesenaufwand für ihre Dossiers, riskiere dann aber wegen ihres Vorgehens den Absturz wichtiger Vorlagen wie jetzt bei der Weissgeldstrategie.
Kommentar: In Krisensituationen holte sich Eveline Widmer- Schlumpf viele Pluspunkte. Doch bei den Alltagsgeschäften scheint sie keine glückliche Hand zu haben. Als "Blocherenthronerin" wurde sie lange bei allen Politikern und Parteien aus der "Allianz gegen Blocher" gestützt.
Als Retterin der UBS wurde sie generell gelobt.
Doch in jüngster Zeit häuften sich die Misserfolge (oekologische Steuerreform, Weissgeldstrategie usw.)
Vom Thron als "Schweizerin des Jahres" und von der Mehrheit des Parlamentes über Monate geschont, sackte die beliebte Bundesrätin kontinuierlich ab. Wer hoch oben ist, kann auch tiefer fallen.
Weshalb verblasst nun der Glanz dieser "Musterschülerin"? Weshalb der mangelnde Rückhalt beim Asylwesen, bei der Swissnessvorlage zum Schutz der Schweizer Produkte und den Fragen zur Sterbehilfe?
Widmer-Schlumpf vernachlässigte sehr wahrscheinlich die Netzwerke und verbiss sich zu stark auf sachlicher Ebene. Es könnte auch sein, dass sie kommunikative Probleme in der Teamkommunikation hat.