Meist herrscht Frieden und Einigkeit unter den linken Parlamentariern. Weit öfters als die Vertreter der Rechten stimmen SP und Grüne identisch
ab. Ein Artikel in der «Wochenzeitung» (WOZ) offenbart nun aber, dass
sich in der Frage der Beschaffung von Transportflugzeugen für die Schweizer Armee ein
tiefer Graben einerseits zwischen Grünen und Sozialdemokraten öffnet,
andererseits wohl auch zwischen moderaten und linken Kräften innerhalb
der SP. Eine solche Bresche in die SP-Fraktion zu schlagen, scheint
mindestens das Kalkül der Grünen zu sein.
Der
WOZ-Artikel liest sich wie eine Krimi: Seit Jahren schon schaffe das
Staatssekretariat für Migration (SEM) abgewiesene Asylsuchende und
straffällige Ausländer mit einem Transportflugzeug der Armee aus.
Gesetzeswidrig sei dabei nicht immer ein Vertreter der
Antifolterkommission NKVF anwesend, die üblicherweise solche Flüge
begleitet. Ein Skandal sei es, dass diese «fragwürdige Praxis nun
scheibchenweise bekannt» werde.
Von Enthüllung kann keine Rede sein
Sofort
nach der Veröffentlichung des Artikels beginnt das Trommelfeuer der
Grünen: Der Zürcher Nationalrat Balthasar Glättli pusht die Geschichte
auf Twitter. Kurz darauf verschickt der Zuger Alt-Nationalrat Jo Lang
eine Medienmitteilung. Beide äussern sich mit Bezug auf die «Enthüllung»
der WOZ gegen den Kauf der Transportflieger. Aufmerksamkeit erregen
wollen sie damit wohl vor allem bei den Sozialdemokraten, die den Kauf
der Flieger zum Teil offensiv fordern. Gesetzeswidrige Ausschaffungen
mit Beteiligung von Soldaten – das passt schlecht ins Weltbild der SP.
Nur,
die Darstellung der WOZ ist teilweise falsch. Und dort, wo die Fakten
stimmen, sind sie arg aus dem Zusammenhang gerissen. Von einer
«Enthüllung» kann gar nicht erst die Rede sein.
Erstens
werden die Ausschaffungen per Armeeflieger nicht erst scheibchenweise
bekannt, sondern wurden im Parlament 2010 bereits detailliert
geschildert. Seit 2006 besteht eine entsprechende Vereinbarung zwischen
dem SEM und dem Verteidigungsdepartement VBS. Zweitens handelt es sich
beim verwendeten Flieger des Typs Beech 1900D nicht um ein
Transportflugzeug. Es ähnelt mit seinen 18 Sitzen eher einem Privatjet,
ist allerdings mit Propellern betrieben.
Drittens wehrt
sich NKVF-Sekretärin Sandra Imhof gegen die Darstellung. «Es gibt keine
gesetzliche Grundlage, die vorschreibt, dass die NKVF jeden einzelnen
Flug begleiten muss. Dennoch tut die Kommission dies im Regelfall.»
Treffe man auf Missstände, würden diese dem SEM gemeldet und im
Jahresbericht transparent gemacht. 2014 waren vier Flüge geplant,
zweimal war die NKVF dabei, einmal fiel der Begleiter kurzfristig aus,
ein Flug wurde abgesagt. Nicht entscheidend ist für Imhof, ob es sich
beim Flugzeug um ein solches der Armee oder eines privaten Anbieters
handle. «Der Wegweisungsvollzug entspricht in beiden Fällen der üblichen
Handhabung.»
Nichts mehr als eine Nebelpetarde
Der
WOZ-Artikel wäre keinen Nachzug wert, wenn sich darin nicht offenbaren
würde, mit welch harten Bandagen die Linke zuweilen Streitigkeiten
austrägt. Schon länger sind sich die Parteien ob des Einsatzes der Armee
im Ausland uneinig. Soll sich die Linke, welche die Abschaffung der
Armee fordert, für humanitäre Einsätze der Armee im Ausland aussprechen?
Oder würde sie damit nicht die Legitimität der Streitkräfte bekräftigen
und damit die eigene Abschaffungsthese ad absurdum führen?
Erstmals
stellte sich diese Frage derart zugespitzt in der Abstimmung über
bewaffnete Auslandeinsätze der Armee im Jahr 2001. Bei den Grünen setzte
sich damals unter der Führung von Jo Lang der Flügel der Gruppe für
eine Schweiz ohne Armee (GSoA) durch, der den Abschaffungsgrundsatz
stärker gewichtete.
In der SP hingegen obsiegten die Pragmatiker. Wenn
sich die Schweiz schon – oder noch – eine Armee leistet, soll sie
wenigstens sinnvolle humanitäre Einsatz durchführen können.
Für
die Zürcher SP-Nationalrätin Chantal Galladé ist klar, dass die Grünen
mittels der WOZ-Geschichte Druck auf die Sozialdemokraten ausüben
wollen. «Indem die Transportflugzeuge generell mit Ausschaffungen in
Verbindung gebracht werden, erhalten sie unverdienterweise einen
schlechten Ruf.» Galladé spricht von einer Nebelpetarde.
Wie ihre
Parteikollegin und Ständerätin Géraldine Savary ist sie der Ansicht,
«dass die Luftwaffe Transportflugzeuge benötigt, um den Beitrag zur
Erhaltung des Friedens leisten zu können, den die Verfassung der Armee
vorschreibt». So begründete Savary 2014 eine Motion, die just den Kauf
von solchen Flugzeugen fordert. Die WOZ betont denn auch, dass das
Begehren nach neuen Fliegern auf die SP zurückgehe.
SP für Mehrheit entscheidend
Galladé
ist wichtig zu betonen, dass «es keine Rolle spielt, ob eine
Ausschaffung mit einem Transportflieger oder einer Beech 1900D
durchgeführt wird». Das Prozedere sei dasselbe. «Wer grundsätzlich
dagegen ist, dass die Schweiz Ausländer gegen ihren Willen ausschafft,
muss dies bei anderer Gelegenheit als bei der sinnvollen Beschaffung von
Transportflugzeugen bekämpfen.» Gut möglich ist, dass die Armee im Fall
eines Kaufs tatsächlich mit den neuen Fliegern Ausschaffungen
durchführt. Das SEM jedenfalls bestätigt, dass es im Hinblick auf das
Geschäft konsultiert wurde. «Das Justizdepartement EJPD wurde vom VBS
eingeladen, allfällige Bedürfnisse zu formulieren», bestätigt Sprecher
Martin Reichlin.
Ob die Schweiz tatsächlich Transportflugzeuge kaufen wird, dürfte stark von der Positionierung der Mehrheit der SP abhängen.
SVP und
Grüne lehnen das Geschäft klar ab. Gewinnen sie einen grossen Teil der
SP für ein Nein, scheitert der Kauf an einer unheiligen Allianz.
(Tagesanzeiger.ch/Newsnet)
Kommentar: Wer die politische Landschaft betrachtet, stellt immer wieder fest, dass auf der linken Seite viel mehr
Zusammenhalt besteht. Koalitionen sind dort die Norm.
Gemeinsame Bündnisse machen bekanntlich stark, gemäss der Teamformel: 1+1=3
Die bürgerlichen Parteien haben hingegen grosse Mühe, zusammen ein Ziel zu verfolgen.
Das werden wir bei den nächsten Parlamentswahlen einmal mehr mit erleben können.
Die aktuelle Auseinandersetzung GRUEN-ROT ist eine Ausnahme, welche nur die erwähnte Regel bestätigt.