Dienstag, 24. April 2012

 Thomas Minder sieht sich als David, der gegen Goliath kämpft


Nach seinem  Auftritt bei SCHAWINSKI SF 1 (Montag, 23. April 12) interessierte die Bevölkerung vor allem die Frage: Wie nimmt der  populäre Schaffhauser Ständerat Stellung zu  den vielen harten Vorwürfen in den Medien?


Ich hatte  für das Schaffhauser Fernsehen bereits  während des Wahlkampfes 2011 den parteilosen Ständeratskandidaten  bei seinen Medienauftritten beobachtet und analysiert. Damals beurteilte ich vor allem die Wirkung des Einzelkämpfers. Ich zitiere:

"Der Vater der "Abzockerinitiative" spricht mediengerecht, anschaulich und ausdruckstark. Ein Beispiel: "Es darf nicht so weiter gehen wie in Stetten, dass Häuser wie Nistkästen bis an den Waldrand gebaut werden." Der parteilose Kandidat mobilisiert das Publikum mit eigenen Mitteln und grossen Inseraten. Er hat keine engen Verbindungen zu Parteien und Verbänden. Thematisch tangiert er zum Teil die Thematik der SVP und der Grünen. Er kann mobilisieren, wirkt als Person engagiert und ist von seiner Botschaft überzeugt. Wer an eine Sache glaubt, kann erstaunlicherweise viele rhetorische Fehler machen. Minder überzeugt vor allem deshalb , weil er selbst von seiner Botschaft überzeugt ist. So spricht Minder vor Mikrofon und Kamera oft LAUT, SCHROFF, zu pausenlos. Minder profitiert vom Bonus "Neu, frisch, unverbraucht, parteilos". Viele Bürger zeigen den grossen Parteien gegenüber oft Verdrossenheit, Unbehagen bis hin zu Misstrauen. Sie ärgern sich auch, dass die Minder-Initiative auf die lange Bank geschoben wird und hoffen, dass der neue Ständerat in Bern Druck ausüben könnte. Thomas Minder ist so besessen von seiner Mission, dass die "Bilanz" ihn einmal mit "heiligen Eifer" betitelte. Er muss daher aufpassen, dass er mit seinem ausgesprochenen Sendungsbewusstsein NICHT ZU MISSIONARISCH WIRKT und er im Wahlkampf keine Schlammschlacht führt. So stört mich zum Beispiel, dass Minder in seinen Inseraten für sich selbst Mitleid erweckt. Wenn er den Sitz ins "chambre de réflexion" schaffen will, MUSS ER UNBEDINGT DIE BALANCE ZWISCHEN HAERTE UND FLEXIBILITAET  finden."

Beim Auftritt der Kandidaten beim Schaffhauser Fernsehen warf Christian Heydecker seinem Kontrahenten damals vor,  Minder habe ihn unfair ans Schienbein getreten und der Kampf könnte in der letzten Phase - zusammen mit den Jungfreisinnigen - zu einer Schlammschlacht verkommen. Es kam dann aber nicht so weit.

Der jüngste Medienwirbel über seine Aussagen als neuer Ständerat machte  bewusst, dass die Direktheit Minders bei der Oeffentlichkeit und vor allem in den Medien sehr schlecht ankam.

Was war geschehen?

Wenige Aussagen Minders   lösten gleichsam ein politisches Beben aus. Der neue Schaffhauser Ständerat soll  (gemäss  NZZ Beitrag)  gesagt haben, das Stöckli sei ein "Kindergarten", sei "tiefrot", ein "Streichelzoo" und mache "Tubel-Vorschläge", die nur dazu dienten, Subventionen für ihre Kantone locker zu machen.
 Blick vermutete darauf, Minder sei in Rage gekommen, weil seiner Initiative wohl ein direkter - "inklusive sozialistischer Bonisteuer" - und ein indirekter Gegenvorschlag entgegengestellt worden sei. Ständerat This Jenni vertrat die  Meinung: "Wir müssen Minder disziplinieren - sofern er überhaupt therapierbar ist". Anita Fetz keilte nach: "Minder ist halt so ein Typ, der schwatzt, bevor er denkt".  Solche beleidigenden Aussagen habe sie in ihrer Ständeratskarriere noch nie gehört. 
Bei dieser medialen Ausrastergeschichte zeigte sich für mich wieder einmal,  dass die Form, das "Wie" und die Wortwahl eines Parlamentariers ausschlaggebender sein können, als das das "Was". Wenngleich in Minders Aussagen  ein Funken Wahrheit sein könnte, dürfte aus meiner Sicht kein Kritiker öffentlich  die Nerven  verlieren und emotional aus dem Bauch heraus kontern. Der verbale Ausraster schadete aus meiner Sicht dem neugewählten, unverbrauchten, sympathischen Schaffhauser Politiker enorm. Ich erwartete  eine Entschuldigung, damit seine  Reputation  keinen weiteren Schaden nimmt. Minder nahm jedoch kein Wort zurück, er fand lediglich, er sei missverstanden worden, man habe seine Aussagen nur auf ein paar Stichworte reduziert. Er werde sich  aber auf keinen Fall verbiegen lassen. Immerhin gestand er, der Ausdruck Kindergarten sei nicht ideal gewesen. 




Thomas Minder. (Peter Schneider / Keystone)
Thomas Minder. (Peter Schneider / Keystone)


 Wie nutzte nun Minder seine Chance im Schweizer Fernsehen (SF1) bei SCHAWINSKI?


Die rhetorische Stärke Minders bei Schawinski ist und bleibt sein grosses Engagement, seine Ausdruckskraft. Er glaubt an das, was er sagt. Sein feu sacré ist stets spürbar (Augen, Haltung, Stimme).
Nicht nur in der Medienrhetorik gilt der bewährte Grundsatz: Wer überzeugen will, muss von dem überzeugt sein, was er sagt. Und: Ständerat Minder ist von seinen Botschaften voll und ganz überzeugt.
 Anderseits müssten wir bei ihm auch  die Dosis des Drucks, die Dosierung der Ausdruckskraft und der Emotionalität betrachten. Jemand der auf einer Orgel im das FF (forte fortissimo) Register zieht, erdrückt langfristig die Zuhörer. 
Obschon Minder den Vorwürfen Schawinskis am Anfang mit spürbarer Zurückhaltung und gekonnten Stopsignalen (Nein) zu kontern verstand und  bei den ersten Antworten negative Begriffe nie wiederholte (was  professionell, aber selten gemacht wird),  gelang es Schawinski,  beim Gegenüber   die Kadenz nach und nach zu erhöhen, vor allem bei jene Problemfeldern, die wahrscheinlich Minder auch im Alltag richtig ärgern. Dadurch kam  der Interviewte immer mehr in Fahrt, und zwar dermassen, dass der Ueberdruck dominierte und sich die Sprechgeschwindigkeit erhöhte. Bei einer Frage konnte  sich Thomas Minder recht heftig  in eine  Wut steigern. Vor allem an jener Stelle, als es um das unverständliche Verhalten des Ständerates ging, der den direkten Gegenvorschlag zu Minders Initiative  unterstützen möchte. Es war offensichtlich: Als Vater der Abzockerinitiative hatte er über Monate viel zu viel Frust über sich ergehen lassen müssen. Mit dem bewährten "antizyklischen Verhalten" hätte sich Thomas Minder der Beschleunigungsspirale Schawinskis entziehen können. Nach dem Prinzip: Taxifahrer fahre langsam, es eilt!
Der neugewählte Ständerat fühlt sich immer noch als Einzelkämpfer, der allein sich selbst verpflichtet ist, der mutig und engagiert  "ALLEIN gegen ALLE" kämpft.
 Keine der umstrittenen verbalen Ausraster nahm der Thomas Minder bei Schawinski  zurück. Die ungefilterten Aussagen gehören  für ihn zur "freien Meinungsäusserung".  Man müsse offen und ungeschminkt aussprechen dürfen, was das Volk bewege. Die Blogeinträge würden ihm übrigens bestätigen, dass das Volk eindeutig hinter ihm stehe.
Minder wollte  sein Verhalten nachträglich nicht ändern. Er stehe  zu allen Aussagen. Kein Wort der Entschuldigung, der Selbstkritik. Minder ist überzeugt,  dass er - wie "David gegen Goliath" - weiter kämpfen müsse. Einmal sprach er von sich  in der dritten Person. Das hatte er übrigens früher bei Medienauftritten oft gemacht:  "Der kleine Minder wird es nicht zulassen, dass...". Diese Formulierung verdeutlicht, dass er sich von aussen und zwar als "Retter einer guten Sache" sieht.

Wahrscheinlich würde es jedem Medienberater schwer fallen, Thomas Minder in einem Coaching darzulegen, dass bei Kommunikationsprozessen nicht nur die Regel gilt: "Bleibe Du selbst". Dass auch gilt: "Wenn Du etwas bewirken willst, muss Du ebenfalls  die Wirkung beim Adressaten bedenken".  Wird jemand jemand falsch verstanden wird, so trägt in der Regel der Sender  die Hauptschuld.
  


Schawinski mit Thomas Minder - YouTube

www.youtube.com/watch?v=VGGpnq2z4YQNeuvor 1 Tag - 31 Min. - Hochgeladen von SchweizerFernsehen
Als Kämpfer gegen die «Manager-Gier» ist Thomas Minder einst auf dem politischen Parkett aufgetreten ...



Zusammenfassung:

Bei Schawinski rastete Thomas Minder nicht mehr aus. Er sieht sich als Einzelkämpfer mit einer Mission, die er mit allen Mitteln verteidigen will.
 Wer offen kommuniziert, sollte jedoch die Grenze zwischen  Offenheit und Beleidigung kennen. Zwischen "Sich nicht verbiegen lassen" und "Unflätigkeiten" liegt eine grosse Spannweite. Wer öffentlich redet, muss sich  der Kraft seiner Worte stets bewusst bleiben und sich auch entschuldigen können.
Minder erklärte nachträglich, er habe keine Polemik auslösen wollen, die direkte Art sei halt sein Stil.
 "Offen und direkt kommunizieren" hat nach meinem Dafürhalten nichts zu tun mit "verletzend kommunizieren".

NACHTRAG BLICK:

Loses Mundwerk Thomas Minder erklärt die Tubel-Vorstösse im Ständerat

ZÜRICH - Trybol-Chef und Ständerat Thomas Minder lieferte sich gestern Nacht einen Schlagabtausch mit Roger Schawinski. Er wirft seinen Ratskollegen zu viel Eigenmarketing vor.


Minder gestern bei Schawinski.
Roger Schawinski im Element: «Herr Minder, verzeihen Sie den Wortwitz. Aber leiden Sie unter einem Minderwertigkeitskomplex?» Eine ideale Steillage für den parteilosen Ständerat.
«Die Gegner haben mich ausgestossen, darum wurde ich gewählt vom Volk.» Er sehe sich als bodenständigen Unternehmer, der geradlinig wirke.
«Ich bin eckig und kantig und nenne das Kind beim Namen.» Genau. Darum präzisiert er seine Aussage im SonntagsBlick über Tubel-Vorstösse im Ständerat.
«Es gibt immer mehr Vorstösse, in denen es nur darum geht, dass sich der betreffende Ständerat ins rechte Licht rücken kann.» Das sei nicht die Aufgabe des Ständerats.

Minders grösster Feind?

Auf die Frage nach seinen grössten Feinden meinte er: «Herr Limberger von OC Oerlikon. Den habe ich letzte Woche betrieben.» Limberger klagte Minder ein und verlor.
Minder hatte den ehemaligen CEO mehrfach als Abzocker tituliert. Darauf klagte der Manager den Ständerat ein wegen Rufschädigung und Persönlichkeitsverletzung. Das Bezirksgericht Höfe wies die Klage vollumfänglich ab.
Stattdessen sprach sie Minder noch eine Prozessentschädigung von 1500 Franken zu. Dieses Geld scheint Limberger bis dato nicht überwiesen zu haben.