Samstag, 27. August 2011

 Doris Leuthard und der verbale Ausrutscher



Wenn Politiker mit unbedachten Worten provozieren, so hat dies nicht immer Folgen.

Doch könnte Leuthards fahrlässige Wortwahl (die ihr angeblich nur herausgerutscht ist)   doch noch schaden.

Ich zitiere TAGI:


Doris Leuthard beleidigte die deutschen Fluglärmgegner als «Taliban» – und krebste dann wieder zurück. Über eine wankelmütige Schweizer Bundesrätin, die international in die Knie gehen musste.

Nicht vom gleichen politischen Format: Der frühere deutsche Finanzminister Peer Steinbrück und die Schweizer Verkehrsministerin Doris Leuthard.

Nicht vom gleichen politischen Format: Der frühere deutsche Finanzminister Peer Steinbrück und die Schweizer Verkehrsministerin Doris Leuthard.
Bild: Keystone



Man muss sich fragen, ob die «Taliban» der Verkehrsministerin nicht dem Land Schaden zugefügt haben: Tagesanzeiger.ch/Newsnetz-Bundeshausreporter Hubert Mooser.


Es kommt nicht alle Tage vor, dass die Worte einer Schweizer Politikerin oder eines Schweizer Politikers im nördlichen Nachbarland Wellen werfen. Diese Woche war es wieder so weit: Bei einer Podiumsdiskussion in Zürich, an der auch CDU-Fraktionschef Volker Kauder teilnahm, liess die Schweizer Verkehrsministerin Doris Leuthard unvermittelt den Spruch fallen, Kauder solle die Taliban in Deutschland, welche den Flughafen Zürich-Kloten torpedierten, in die Schranken weisen.


Natürlich schoss die CVP-Bundesrätin weit übers Ziel hinaus, als sie die Fluglärmgegner in Deutschland mit dem früheren Steinzeit-Regime in Kabul gleichsetzte. Fakt ist: Zürich-Kloten ist ein Schweizer Flughafen. Wir fliegen seit Jahrzehnten über die Köpfe der Süddeutschen hinweg. Und wir sind auch nie auf ihre Einwände gegen den Flugbetrieb eingegangen. Würden wir im ungekehrten Fall nicht gleich reagieren, wie dies heute die Bewohner Süddeutschlands tun?


Späte Rache für Steinbrücks Peitsche?


Leuthard hatte aber auch gar nicht die Absicht, die Fluglärmgegner zu beleidigen, sie wollte in erster Linie bei ihrem Fussvolk in Zürich punkten. Dass sie mit dem Taliban-Vergleich in Deutschland und in der Schweiz für solche Aufregung sorgte, dürfte sie selber überrascht haben. Am meisten deshalb, weil ihr jene rechtsnationalen Kreise applaudierten, die seit den Attacken des früheren deutschen SP-Finanzministers Peer Steinbrück forderten, die Schweiz müsse nun endlich scharf zurückschiessen.
Nur ging es bei Steinbrück um Steuerbetrüger, welchen die Schweiz als Fluchtburg offenstand. Im Fluglärmstreit geht es dagegen um berechtigte Anliegen von Anwohnern gegen Fluglärm.


Leuthard hätte eigentlich wissen müssen, dass, wenn sich eine Bundesrätin so weit zum Fenster hinauslehnt, die ganze Geschichte sofort eine staatspolitische Dimension bekommt. Man muss sich darum heute fragen, ob die «Taliban» der Verkehrsministerin nicht dem Land Schaden zugefügt haben. 


Von der Ministerin zur Indianerin



Der Spruch bringt Leuthard jedenfalls im Fluglärmstreit keinen Zentimeter weiter. Die Fronten dürften sich stattdessen noch verhärten. Die deutschen Fluglärmgegner dürften jetzt erst recht darauf drängen, die Anflüge über ihr Territorium von 100'000 auf 80'000 zu begrenzen. Darunter wird der Flugbetrieb in Zürich leiden. Dass sich Leuthard für ihren Spruch dann auch noch öffentlich entschuldigte, entschuldigen musste, macht die Geschichte eigentlich bloss noch schlimmer. Zuerst grosse Sprüche klopfen und dann zurückkrebsen – so verhält sich keine Ministerin, die in einem schwierigen Dossier Selbstbewusstsein und Standfestigkeit signalisieren will.
So verhält sich eine «verängstigte Indianerin», um es in Steinbrücks Sprache auszudrücken. Der frühere Finanzminister musste sich für seine deftigen Sprüche nie entschuldigen. Egal, wie gross die Aufregung in der Schweiz war. Egal, wie deplatziert seine Vergleiche waren. Das kann man auch politisches Format nennen. Dieses politische Format hat Doris Leuthard leider nicht. Das hat sie in den letzen Tagen eindrücklich bewiesen.



Ende Zitat


Kommentar:

 Volkswirtschaftsdirektor Ruedi Jeker hatte bereits im Flughafenstreit den Deutschen vorgeworfen: "Ihr sitzt auf dem gedeckten Tisch, seid aber nicht bereit, wenns ums Aufräumen geht!"


 Hans Wehrle, Zürcher Schulvorsteher bezeichnete einmal öffentlich zehn Prozent der Lehrer als "faule Eier". Er wurde abgewählt. 


Provokateur Delamuraz, der nach dem Annahme der Alpeninitiative von einem Volksverdikt im "Ayatolla- Stil" gesprochen hatte oder Stadtpräsident Ledergerber, der dem VCS bei den Einsprachen beim Hardturmprojekt von "Oekoterror" sprach, kamen  alle glimpflich davon.


Bei Politikern genügt oft nur ein Wort, um die Finger zu verbrennen. Geissler , der nach seinem Schlichtungsvorschlag provokativ fragte: "Wollt ihr den totalen Krieg?", löste eine Welle der Empörung aus und beschädigte seinen guten Ruf.

Wenngleich Provokationen als Taktik etwas auslösen können, rate ich Führungskräften immer ab, auf unbedachte Worte zu verzichten. Die Geister, die man rief, sind in der Regel nachher schwer kontrollierbar.

Frau Leuthard - falls sie den Patzer unbeschadet übersteht - wird wohl künftig nie mehr so unbedacht reden, dass sie nach dem Ausrutscher zurückkrebsen muss.