Lob von den Kindern, Kritik von den Eltern: Die Ausstrahlung der «Teletubbies» hat auf Kika für heftige Reaktionen gesorgt.
Vor 20 Jahren waren die Teletubbies für die Kinder ein Hit. Heute sollen sie auf dem Kika auferstehen. Doch hatten die Machen nicht damit gerechnet: Die Kritik von Erwachsenen ist enorm - nicht selten beschweren sich
Grosse, die selbst gar keine Kinder haben.
Wenn der IQ von Kindern demnächst drastisch sinken sollte, ist der
Kinderkanal schuld. Jedenfalls musste diesen Eindruck gewinnen, wer in
der vorigen Woche die fast 20 000 Kommentare unter einem
Facebook-Beitrag las, mit dem der Sender die Rückkehr der Teletubbies
ankündigte: jener bunten Plüschwesen, die nicht richtig sprechen können,
aber einen Touchscreen auf dem Bauch haben. «Ich bin immer noch
fassungslos, dass dieser verblödete Schrott wieder gesendet wird!»
«Nächste Generation dummer Menschen soll wohl gezüchtet werden.» «Als
hätten es die Kinder heutzutage nicht schon schwer genug und jetzt noch
so ein Mist.» Und, natürlich: «Und für so etwas werden unsere
Zwangsabgaben verbrannt!»
Selbst schuld, könnte man dem
Kinderkanal nun zurufen. Nicht nur, weil der ja aus freien Stücken neue
Folgen der Teletubbies zeigt: Die haben ja mindestens so viele Fans wie
Gegner. Sondern weil er erst vor ein paar Tagen zum Anlass des 20.
Geburtstags des Senders diese Facebook-Seite in Betrieb genommen hat.
Wie geht es also dem Kika? Einen Teil der Antwort liefert die Quote von
zuletzt im Schnitt fast 19 Prozent beim Kinderpublikum. Die Frage
beantworten aber auch die Zuschauerreaktionen. Zeit, den
Publikumsservice des Senders zu besuchen und über zwei Welten zu
staunen, die dort aufeinanderprallen. Die der Kinder und die der Eltern.
«Kikafuerdich»
heisst die neue Facebook-Seite. Das meint: für dich, liebes Elternteil.
Denn die eigentliche Zielgruppe des Senders - Kinder von drei bis 13 -
ist noch zu jung, um sich in dem sozialen Netzwerk herumzutreiben. Die
Seite richtet sich ausschliesslich an Eltern. Die haben zwar auch früher
schon geschimpft. Aber wenn sie sich bisher beklagen wollten über die
drohende Verdummung oder die zu weit führende Aufklärung ihrer Kinder,
mussten sie wenigstens noch eine E-Mail schreiben oder anrufen.
Nicht selten beschweren sich grosse Zuschauer
Es ist bemerkenswert, dass der gemeinsame Kinderkanal von
ARD und
ZDF mit
der Facebookseite nun also noch einen weiteren Kommunikationskanal
öffnet, denn das, was viele Medien im Kontakt zu den Lesern oder
Zuschauern in den vergangenen Jahren erfahren haben, gilt auch für das
Kinderfernsehen: «Der Ton ist härter geworden», sagt Yvonne Leifheit,
die in Erfurt die Zuschauerredaktion des Senders leitet, und auch hier
ist wieder gemeint: der Ton der Eltern. Kinder äusserten sich viel
seltener kritisch. Darum lassen sich die jährlich 67 000 Briefe, 25 000
E-Mails und 4000 Telefonanrufe dem Sender zufolge ganz grob in zwei
Kategorien einteilen: Lob von den Kindern, Kritik von den Eltern. Oder
genauer: Kritik von Erwachsenen - denn nicht selten beschweren sich
Grosse, die selbst gar keine Kinder haben.
Die Zuschriften der
jüngeren Kinder machen Leifheit und ihren Mitarbeitern oft Freude: Sie
fragen zum Beispiel drollig, ob ihre Lieblingsfigur vielleicht zum
Kindergeburtstag kommen könnte; oder warum Kalli, die Zeichentrickfigur
aus den Gute-Nacht-Geschichten, sich nie zudeckt in seinem Bett. Oder
wegen all der Bilder und Basteleien, an manchen Tagen bis zu 500 Stück,
und an denen man ablesen kann, welche Bastelmaterialien gerade angesagt
sind. «Denjenigen, der bei uns die Post sortiert, erkennt man immer ganz
gut, weil er glitzert», sagt Yvonne Leifheit, vor deren Büro eine
Riesenwand voll mit selbstgemalten Bildern hängt.
Die
Ratgeber-Sendung Kummerkasten richtet sich vor allem an ältere Kinder
mit ihren Sorgen und Nöten. Auch was hier ankommt, sagt etwas über die
Bindung zum Sender aus. Matthias Huff ist als Redaktionsleiter der
Informationsprogramme seit 2003 für die Sendung verantwortlich. «Ich bin
jedesmal erstaunt, wenn ein 15-Jähriger sein Liebesleben dem
Kika-Kummerkasten anvertraut», sagt er. «Aber es kommt vor, und zwar in
einer nennenswerten Grössenordnung.» Wenn Kinder oder Jugendliche sich
mit ernsten Problemen an die Redaktion wenden, arbeitet der Sender mit
Experten der Diakonie zusammen.
Auch Huff stellt fest, dass sich
der Kontakt zu den Eltern verändert hat. Er sagt: «Es prägt unsere
Arbeit ganz unmittelbar, dass sich Leute im Netz sehr schnell
zusammenschliessen können.» Als der Kika 2014 eine Sendung ankündigte,
in der ein elfjähriger muslimischer Junge bei seinen Vorbereitungen für
die Beschneidung begleitet wurde, riefen unzählige Internetseiten,
Vereine und andere Interessensgruppen zum Protest auf, teilweise mit
vorgefertigten Schreiben. Der Sender verteidigte sich: Es gehe darum,
einen Einblick in eine fremde Lebenswelt zu gewähren, und hielt an der
Ausstrahlung fest.
«Die klassischen Aufregerthemen sind immer die
gleichen», sagte Programmgeschäftsführer Michael Stumpf bei einer
Pressekonferenz im März: Politikberichterstattung und Sexualaufklärung.
Verändert hätte sich aber die Menge der Kritik - und eben der Ton.
Konkrete Beispiele will die Redaktion mit Verweis auf das Briefgeheimnis
nicht nennen. Stumpf sagt nur: «In den Spitzen ist es schwer zu
ertragen.»
Für eine neutralere Darstellung
Bei aller
Kritik, die der Sender bisweilen aushalten muss: Für Redaktionsleiter
Huff ist sie auch ein Beleg für die Relevanz des Programms: «Die Frage,
was wir im Kinderfernsehen zeigen, wird heute intensiver diskutiert als
in den Neunzigern, weil wir in einer repolitisierten Gesellschaft
leben», sagt er. Das merke man nicht nur an den Elternreaktionen. Auch
innerhalb der Redaktion seien die Debatten andere als noch vor ein paar
Jahren: «Früher haben wir vor allem darüber diskutiert, wie wir
bestimmte Inhalte vermitteln. Heute geht es mehr als früher auch darum,
was wir den Kindern überhaupt erzählen wollen», sagt Huff, der seit 1989
Kinderfernsehen macht.
Während der Flüchtlingskrise 2015 sei das
besonders deutlich geworden: Die einen wollten über die zahlreichen
Willkommensaktionen im ganzen Land nur berichten. Andere Mitarbeiter
wollten im Kika gleich selbst eine Willkommenssendung ausstrahlen. Wenn
es darum geht, grundsätzliche Werte zu vermitteln, könne der Sender zwar
durchaus auch mal Haltung zeigen, sagt Huff: «Wir können Menschenrechte
schon besser finden als Nichtmenschenrechte.» Beim Thema Flüchtlinge
habe sich die Redaktion aber doch für eine neutralere Darstellung
entschieden. Manch erwachsenem Zuschauer waren die Berichte dennoch zu
positiv.
Die Ostertage boten beim Kika neuen Grund für
Beschwerden: Die vierteilige Reihe «Mit Christus um die Welt» nennen die
einen «echt klasse» und die anderen «Indoktrination auf Kosten des
Steuerzahlers». Zum Glück hat der Kika auch Zuschauer, die man ganz
konfliktfrei glücklich machen könnte. Wie den Jungen, der sich per
Youtube-Kommentar wünscht: «Könnt Ihr mal wieder was über
Meerschweinchen bringen oder wenigstens was über Noel und Liam
Gallagher...?!» (Tagesanzeiger.ch/Newsnet)